Martin Winterkorn: Detailversessener Autonarr

Wolfsburg (dpa) - Solche Auftritte des Chefs sind gefürchtet bei VW. „Da scheppert nix“, stellte Martin Winterkorn fest, als er an der Lenkradverstellung des VW-Golf-Konkurrenten von Hyundai rüttelte. Das konnte ihm nicht gefallen: „Warum…
Titelbild
Martin Winterkorn (M) und der Aufsichtsratsvorsitzende der Volkswagen AG, Ferdinand Piech.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Epoch Times17. April 2015
Solche Auftritte des Chefs sind gefürchtet bei VW. „Da scheppert nix“, stellte Martin Winterkorn fest, als er an der Lenkradverstellung des VW-Golf-Konkurrenten von Hyundai rüttelte. Das konnte ihm nicht gefallen: „Warum kann’s der?“

Die Szene von der Automesse IAA im Jahr 2011 – berühmt geworden durch einen Videoclip bei Youtube – sagt einiges aus über Winterkorn. Der langjährige Vorstandschef von Volkswagen ist ein detailversessener Top-Manager, ein „Mr. Qualität“ und Autonarr, der jede wichtige Entscheidung selbst treffen will.

Nur noch einer im VW-Imperium steht über dem 67-Jährigen: Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch, Winterkorns langjähriger Förderer. Doch das Traumduo an der VW-Spitze ist Geschichte: Mit seinen öffentlich geäußerten massiven Zweifeln an Winterkorn ist das Tischtusch zerschnitten. Es reichte dieser eine Satz Piëchs im „Spiegel“: „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn.“

Das Ganze ist umso erstaunlicher, weil Winterkorn lange Zeit der erklärte „Ziehsohn“ des VW-Übervaters Piëch war. Beide ticken ähnlich, jahrzehntelang arbeiteten sie vertrauensvoll zusammen. Eigentlich galt es als gesetzt, dass Winterkorn Nachfolger Piëchs an der Aufsichtsratsspitze wird.

Winterkorn wurde am 24. Mai 1947 in Leonberg bei Stuttgart als Sohn eines Arbeiters und einer Hausfrau geboren. Nach dem Studium der Metallphysik und seiner Promotion begann seine Laufbahn 1977 zunächst bei Bosch. Eine entscheidende Weichenstellung war vier Jahre später der Wechsel in die Audi-Zentrale nach Ingolstadt. Früh arbeitete er im Dunstkreis von Piëch, der ihn 1988 – als frischgebackener Audi-Chef – zum Bereichsleiter für die „Zentrale Qualitätssicherung“ machte. Zwei Jahre später wurde Winterkorn Leiter der Qualitätssicherung bei Audi.

Als Piëch 1993 VW-Konzernchef wurde, übertrug er seinem Vertrauten die Verantwortung für die Konzern-Qualitätssicherung, 2002 berief er ihn an die Spitze der Ingolstädter Tochter. Und 2007 schließlich schaffte es Winterkorn an die VW-Spitze – nachdem sein Mentor Piëch den amtierenden Vorstandschef Bernd Pischetsrieder aus dem Amt gedrängt hatte. „Zu spät habe ich erkannt, den Falschen gewählt zu haben“, sagte Piëch später. Nur „mit Mühe“ habe er das korrigiert.

Das sind typische Sätze für einen wie Piëch, den Enkel des legendären Autokonstrukteurs Ferdinand Porsche, der hinter dem VW-Käfer steht, der VW den Weg zum Welterfolg ebnete. Piëch ist das VW-Machtzentrum, die Familien Piëch/Porsche halten die Mehrheit an Volkswagen.

Piëchs Zögling Winterkorn war nach seinem Amtsantritt in Wolfsburg erfolgreich, baute den Konzern zu einem Zwölf-Marken-Reich aus, fuhr Rekordzahlen ein und ist der mit Abstand bestverdienende Dax-Chef. Beim einflussreichen Betriebsrat ist er hoch angesehen.

Mit der „Strategie 2018“ sorgte Winterkorn für klare Zielvorgaben bei Qualität und Quantität. Spätestens 2018 soll Volkswagen demnach der nach Absatz weltgrößte Autokonzern sein, noch liegt Toyota vorn.

Doch je größer das VW-Imperium wurde, desto schwieriger wurden zugleich die Abstimmung und die Führung. Vor allem auch, weil Winterkorns Anspruch war: „Wenn ich nicht mehr weiß, wie ein Passat in den USA aussieht, ein Gol in Brasilien oder ein Polo in Südafrika, dann läuft etwas falsch“, wie er dem „Stern“ im Februar sagte. Ganz nah am Produkt zu sein – das ist Winterkorns Führungsprinzip.

Aber die Baustellen häuften sich in der letzten Zeit. Auf dem eigentlich wachsenden US-Markt kommt Volkswagen nicht voran. Die Kernmarke VW mit Bestsellern wie dem Golf dümpelt mit einer auch im Branchenvergleich schwachen Rendite vor sich hin. Winterkorn steuerte gegen – und brachte ein milliardenschweres Sparprogramm auf den Weg.

Dazu kommen die großen Herausforderungen für die Branche insgesamt: die digitale Vernetzung mit möglichen neuen Größen auf dem Markt wie Google und Apple sowie die alternativen Antriebe. „In den vergangenen sieben Jahren hat sich unsere Branche stärker und schneller verändert als in allen Jahrzehnten zuvor“, sagte Winterkorn kurz vor Weihnachten bei einem internen Treff mit Führungskräften in Dresden.

Vieles im streng hierarchisch geführten VW-Konzern war auf ihn zugeschnitten – zu vieles? Winterkorn selbst gibt demnächst einen Teil der Verantwortung ab. Die Führung der Hauptmarke VW-Pkw geht zum Juli an den früheren BMW-Manager Herbert Diess. Der gilt auch als ein möglicher Nachfolger Winterkorns – wie etwa auch Porsche-Chef Matthias Müller.

Dem „Stern“ sagte der leidenschaftliche Fußball-Fan Winterkorn, wie sein Nachfolger ticken müsse: „Ein Volkswagen-Chef muss sicher eine große Affinität zu unseren Produkten haben. Er muss eine Nähe zum Kunden haben. Er muss eine Beziehung zu den Händlern haben, das ist sehr wichtig. Und er muss im Volkswagen-Konzern sicher eine gewisse Sozialverträglichkeit haben.“

(dpa)

Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion