Merkels Zitteranfälle: Immer noch keine Klarheit über Ursache – Das sagen die Ärzte

Bundeskanzlerin Angela Merkel lauschte den Nationalhymnen anlässlich des heutigen Staatsbesuches der dänischen Premierministerin Mette Frederiksen im Sitzen. In einer Pressekonferenz versicherte sie, ihre Gesundheit im Auge zu behalten. Publizist Gabor Steingart forderte mehr Transparenz in dieser Frage.
Von 11. Juli 2019

Der Publizist und Medienmanager Gabor Steingart hat Bundeskanzlerin Angela Merkel vorgeworfen, im Zusammenhang mit ihrem Gesundheitszustand durch ihr Schweigen ihr Vertrauenskapital zu verspielen. In seinem „Morning Briefing“ schreibt er:

Das Problem besteht weniger im gesundheitlichen Zustand der Regierungschefin als vielmehr in ihrer Unwilligkeit, offen darüber zu sprechen.“

Sie bleibe bewusst unscharf und täusche eine „Normalität vor, die es nicht mehr gibt“. Wenn es um Funktionen und Ämter dieser Größenordnung gehe, sei auch bezüglich des Gesundheitszustands Transparenz erforderlich.

Merkel war am Mittwoch (10.7.) in einer ersten Reaktion auf ihren mittlerweile dritten Zitteranfall in der Öffentlichkeit unpräzise geblieben. Sie äußerte sich dazu mit den Worten:

Ich glaube, dass es so, wie es gekommen ist, eines Tages auch vergehen wird. Es ist aber noch nicht so weit. Ansonsten bin ich ganz fest davon überzeugt, dass ich gut leistungsfähig bin.“

Wassermangel als Erklärung unzureichend

Steingart hingegen schreibt von einem „ultimativen Stresstest“, dem die Beziehung zwischen Volk und Volksvertreterin, die „schon in der Flüchtlingskrise einen Knacks bekam“, nun unterzogen werde. Denn, so Steingart:

Auf die entscheidenden Fragen – ist diese Regierungschefin noch im Vollbesitz ihrer Kräfte? Existiert ein Plan B für die Spitze von Europas größter Volkswirtschaft? – gibt es derzeit keine Antwort.“

Unterdessen hat sich der „Focus“ mit möglichen Erklärungsansätzen für die wiederholten Zitteranfälle befasst und dazu einen Neurologen sowie einen Psychologen um deren Einschätzung gebeten.

Der Vorfall vom Mittwoch, da Merkel beim Empfang des finnischen Regierungschefs Antti Rinne abermals unkontrolliert zu zittern begann, war der dritte dieser Art innerhalb von nur drei Wochen. Der erste hatte sich am 18. Juni 2019 ereignet, als sie den neuen ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskij in Berlin empfing. An dem sehr warmen Tag war rasch Wassermangel als wahrscheinliche Erklärung genannt worden.

Am 27. Juni, bei milderen Temperaturen, hatte sich jedoch ein weiterer Anfall ereignet – anlässlich der Ernennung der neuen Justizministerin Christine Lambrecht durch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier im Schloss Bellevue. Wassermangel schied von da an als wahrscheinliche Erklärung aus.

Mantraartiges „Ich schaffe das“

Während des gestrigen Zitteranfalls soll Angela Merkel dem Radiosender „Antenne Bayern“ zufolge die Lippen bewegt und mantraartig die Worte „Ich schaffe das“ wiederholt haben. Mittlerweile ist die Frage nach dem Gesundheitszustand der Kanzlerin auch in internationalen Medien ein Thema.

Bernhard Osen, Chefarzt der Psychosomatischen Klinik und Psychotherapie an der Schön Klinik in Bad Bramstedt, hielt die angeblich aus Regierungskreisen stammende Erklärung für plausibel, die in der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“ wiedergegeben wurde. Demnach sei das Zittern beim zweiten und dritten Mal psychologisch bedingt gewesen – als „verarbeitender Prozess“ in Anbetracht der Erinnerung an den ersten Vorfall dieser Art. Demnach würde es sich jedoch um kein organisches Problem, sondern eine reine Kopfsache handeln.

Gegenüber „Focus“ erklärt Osen:

Zittern ist eine sehr unangenehme Situation, gerade wenn man in der Öffentlichkeit steht und die ganze Welt einem zusieht. […] Das möchte man dann vielleicht unter allen Umständen vermeiden. Aber dadurch, dass man mit aller Gewalt versucht, etwas nicht auftreten zu lassen, geschieht es dann erst recht.“

Parkinson nach Meinung von Experten auszuschließen

Generell, so Oser, sei Zittern ein Symptom, das an der Oberfläche für etwas anderes stehe. Dahinter könnten organische und neurologische Krankheiten stecken, genauso gut aber auch Aufregung und Anspannung.

Uwe Jahnke, Chefarzt der Klinik für Neurologie und Klinische Neurophysiologie an der Schön Klinik in Neustadt, hält nach Sichtung des Videos einen „orthostatischen Tremor“ aufseiten der Kanzlerin für möglich. Zittern im Stehen sei ein typisches Symptom für diese im Grunde harmlose Erkrankung, die auf familiärer Vorbelastung beruhen und durch Faktoren wie Vitamin-B12-Mangel begünstigt werden kann.

Bewegung oder sogar Treten auf der Stelle könne jedoch die Symptome weitgehend unterdrücken. Der orthostatische Tremor werde häufig nicht bemerkt und sei therapier-, aber nicht vollständig heilbar.

Vereinzelt machten jedoch auch Gerüchte über mögliche gravierendere Diagnosen die Runde, etwa die Parkinson-Krankheit. Fachleute sehen dafür jedoch keine Anhaltspunkte. Auch der in New York City, USA lebende psychiatrische Arzt, Dr. Jingduan Yang, mit dem die Epoch Times sprach, hält Parkinson als Ursache für sehr unwahrscheinlich:

In Fällen von Parkinson zittern die Hände, was bei Merkel nicht der Fall war, außerdem dauern die Zitteranfälle beim Vorliegen einer solchen Erkrankung regelmäßig länger.“

„Ich weiß um die Verantwortung meines Amtes“

Das kurzzeitige Muskelzittern, so Yang, könnte auch von einem fokalen epileptischen Anfallsleiden herrühren, dessen einfache Form mit keiner Bewusstseinsstörung verbunden ist und bis zu einem gewissen Grad auch von Betroffenen kontrolliert werden kann. Krampfanfälle dieser Art können auch bei Kindern als Begleitumstand des Wachstums auftreten. Bei Erwachsenen hingegen seien sie häufig Folge von Stress, Müdigkeit oder Schlafmangel.

Mittlerweile berichtet die „Bild“-Zeitung, Merkel befinde sich in einer „Verarbeitungsphase“. Anlässlich des heutigen Besuches der dänischen Ministerpräsidentin Mette Frederiksen wurde das Protokoll geändert, sodass es Merkel möglich wurde, den Empfang mit militärischen Ehren und der Nationalhymne im Sitzen zu absolvieren.

Im Rahmen der gemeinsamen Pressekonferenz erklärte die Kanzlerin: „Sie dürfen davon ausgehen, dass ich um die Verantwortung meines Amtes weiß, deshalb auch dementsprechend handle, was meine Gesundheit anbelangt.“

 



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