Vor Wohngipfel: Ziel von 1,5 Millionen Wohnungen verfehlt – Kritik an Regierung

Vor dem Wohngipfel gibt es breite Kritik an der Wohnpolitik der Bundesregierung. "Das Ziel der 1,5 Millionen Wohnungen wurde schlichtweg verfehlt", sagte Mieterbund-Präsident Lukas Siebenkotten den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Grünen sind gegen Leerstand und hohe Mieten.
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Der Vorsitzende der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt, Robert Feiger, forderte dagegen deutlich mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau.Foto: Hannibal Hanschke/Archiv/dpa
Epoch Times23. Februar 2021

Der wohnungspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Kai Wegner, hat die Wohnraumoffensive der Bundesregierung gegen Kritik verteidigt.

Die Bundesregierung habe die soziale Wohnraumförderung grundgesetzlich abgesichert, sagte der CDU-Politiker am Dienstag (23. Februar) im RBB-Inforadio. Zudem gebe man den Ländern in dieser Legislaturperiode fünf Milliarden Euro für die soziale Wohnungsförderung.

„Ich wünsche mir, dass die Länder diese Mittel auch verwenden. Bund, Länder und Kommunen sind gemeinsam verantwortlich, dass mehr gebaut wird. Dass wir mehr Bauland haben, auch und gerade im sozialen Wohnungsbau.“

Grüne beklagen Leerstand und hohe Mieten

Die Grünen haben vor dem Wohngipfel der Bundesregierung einen entschlosseneren Einsatz gegen Leerstand und hohe Mieten verlangt.

„Was wir wirklich dringend brauchen ist ein Mietenstopp, was wir dringend brauchen sind mehr Wohnungen, die für Sozialwohnungen zur Verfügung stehen, aber eben auch bleiben“, sagte Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Deutschland verliere jeden Tag hundert Sozialwohnungen. „Das ist eine Katastrophe.“

Es gebe auf der einen Seite „einen wahnsinnigen Mangel an Wohnraum in der Stadt“ und auf der anderen Seite viel Leerstand im ländlichen Raum, sagte Göring-Eckardt.

Sie sprach sich für eine bundesweite Mietpreisbremse aus. Diese müsse einhergehen mit einer ökologischen Sanierung, um dafür zu sorgen, dass die Heizkosten „nicht durch die Decke gehen“.

„Wir müssen dafür sorgen, dass wir eine Million Sozialwohnungen bauen und zwar sehr, sehr schnell“, fügte die Grünen-Fraktionschefin hinzu. Die Bundesregierung stehe hier aber auf der Bremse.

Mieterbund und IG BAU: Sozialwohnungsbaupolitik der Regierung „gescheitert“

Vor dem Wohngipfel gibt es breite Kritik an der Wohnpolitik der Bundesregierung. „Das Ziel der 1,5 Millionen Wohnungen wurde schlichtweg verfehlt“, sagte der Präsident des Deutschen Mieterbunds, Lukas Siebenkotten, den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Dienstag.

Vor allem beim sozialen Wohnungsbau habe die Regierung versagt, kritisierte er. In der Summe werde die Zahl der Sozialwohnungen immer kleiner. Die Sozialwohnungsbaupolitik der Regierung sei „gescheitert“.

Bei der Städtebauförderung fehle es den Kommunen an Eigenmitteln, um die Zuschüsse zu bekommen, kritisierte Siebenkotten weiter. Beim Klimaschutz passiere ebenfalls zu wenig. Gelöst werden könne das Problem nur mit einer Investitionsoffensive von rund zehn Milliarden Euro pro Jahr. Zudem forderte Siebenkotten mit Blick auf die kommende Legislaturperiode, dass ein eigenes Bauministerium geschaffen wird.

Als „unfairen Griff in die Trickkiste der Statistik“ bezeichnete Robert Feiger, Bundesvorsitzender der Gewerkschaft IG BAU, die Berechnungen der Bundesregierung, wonach das Ziel von 1,5 Millionen neuen Wohnungen erfüllt sei. Bauminister Horst Seehofer (CSU) nehme für seine Bilanz alle tatsächlich gebauten Wohnungen, kritisierte er.

„Dazu addiert er dann alle Wohnungen, die gerade im Bau sind. Und er packt noch alle Wohneinheiten oben drauf, für die nur eine Baugenehmigung vorliegt“, sagte Feiger. Nur: „Im Rohbau kann man nicht wohnen. Und auf einer Baugenehmigung schon mal gar nicht.“

Der Vorsitzende forderte deutlich mehr Geld für den sozialen Wohnungsbau. Feiger sagte am Dienstag im RBB-Inforadio, der Bestand müsse wieder aufgebaut werden. „Der Staat muss jährlich insgesamt mindestens 6,5 Milliarden Euro in die Hand nehmen, um sozialen Wohnungsbau und bezahlbaren Wohnraum zu schaffen, weil der Markt alleine wird das nicht regeln, zumindest nicht in diesem Preissegment.“

Feiger kritisierte, dass es zu wenig bezahlbaren Wohnraum gibt. Das Ziel der Bundesregierung, 100.000 neue Sozialwohnungen in vier Jahren zu schaffen, sei nicht wirklich ehrgeizig. „Jedes Jahr werden bei 25.000 Neubauten über 60.000 aus dem Bestand genommen. Das heißt, wir verlieren alle zwölf Minuten eine Sozialwohnung.“

Immobilien werden zu „Anlageobjekten des internationalen Finanzmarktes“

Zuvor hatte bereits der Eigentümerverband Haus & Grund scharfe Kritik an der Wohnungspolitik der Bundesregierung geäußert. „Statt einer Wohnraumoffensive hat die Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren Maßnahmen ergriffen, die den Wohnungsmarkt zu zerstören drohen“, sagte Verbandspräsident Kai Warnecke den Funke-Zeitungen.

„Internationale Fondsgesellschaften verdrängen private Vermieter als Eigentümer, die resigniert aufgeben“, kritisierte er. Immobilien würden zu „Anlageobjekten des internationalen Finanzmarktes“.

Der evangelische Sozialverband Diakonie kritisierte, nach wie vor fehlten bezahlbare Wohnungen und die Mieten seien insbesondere in Ballungsgebieten „dramatisch“ gestiegen. „Selbst Normalverdienende finden keine bezahlbare Wohnung mehr und werden immer weiter an den Stadtrand verdrängt“, erklärte erklärte Maria Loheide, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. „Die Corona-Pandemie verschärft die Situation, da viele Menschen durch Kurzarbeit und Jobverlust ihre Miete nicht mehr zahlen können.“

Um mehr bezahlbaren, bedarfsgerechten und inklusiven Wohnraum zu schaffen, sei nun ein „Kraftakt auf allen Ebenen“ nötig, forderte sie. Der Bund müsse „gerade in der Niedrigzinsphase die Attraktivität der sozialen Wohnraumförderung verstärken und den zweckgebundenen Einsatz der Mittel sichern“. Auf Länderebene brauche es zudem flankierende Förderprogramme sowie schnellere und einfachere Verfahren bei der Antragstellung und -bearbeitung auf kommunaler Ebene.

Die Bundesregierung will am Dienstag eine Bilanz ihrer im September 2018 vereinbarten Wohnraumoffensive ziehen. Damals waren unter anderem mehr Sozialwohnungen, mehr Wohngeld und mehr Entlastungen beim Bauen beschlossen worden. (afp)



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