MINDFUCK en gros – die Selbstsabotage

Die Bestseller Autorin und Trägerin des „Coaching Award 2012 für besondere Leistungen im Coaching“ Dr. Petra Bock im Interview über ihr neues Buch „Mindfuck – warum wir uns selbst sabotieren und was wir dagegen tun können“.
Titelbild
Dr. Petra Bock, erhielt den Coaching Award 2012 für „Besondere Verdienste und Leistungen im Coaching“. Foto mit freundlicher Genehmigung von Petra Bock
Von 19. Januar 2012

 

Epoch Times: Frau Dr. Bock, „Mindfuck“ – das ist ja ein saftiger Titel. Was hat es damit auf sich? Was ist „Mindfuck“ und was macht es mit uns?

Petra Bock: Als Mindfuck bezeichne ich destruktive Denkstrategien, mit denen wir uns selbst klein halten, unter Druck setzen oder für andere unproduktive Denk- und Verhaltensweisen sorgen. Es sind jedermann bekannte Strategien der Selbstsabotage, die wir, meist unbewusst, in uns selbst ablaufen lassen. Das ist alles andere als fein, wie wir da mit uns umgehen, und deshalb fand ich den saftigen Titel auch sehr passend.

Ursprünglich ist Mindfuck aber ein seriöser Begriff aus der Filmwissenschaft. Wenn ein Protagonist in einem Film Realität und Fiktion nicht mehr unterscheiden kann, spricht man von Mindfuck. Mindfuck ist aber auch das, was mit uns passiert, wenn wir nach einem gruseligen Film zu Hause beim Rascheln des Vorhangs gleich an einen Einbrecher denken. Der emotionale Eindruck des Films hat dann Spuren hinterlassen, wir „übertölpeln“ uns dann mit selbstgemachten Illusionen.

Ganz ähnlich ist das bei dem Phänomen, das ich in meinem Buch untersucht habe. Zu den Folgen von Mindfuck: Wenn Menschen Mindfuck betreiben und sich in destruktiven Denk- und Motivationsmustern aufhalten, beschränken sie ihr eigenes Potenzial. Wir sind dann weit weniger leistungs- und glücksfähig als wir eigentlich wären, wenn wir uns nicht blockierten.

Epoch Times: Warum braucht der Mensch so etwas wie „Mindfuck“? Wie kann sich so ein Phänomen wie „Mindfuck“ entwickeln? Ein Reh stellt sich ja auch kein Bein, wenn es weglaufen will. Warum kann der Mensch sich selbst sabotieren?

Bock: Tatsächlich ist mir noch niemand begegnet, der mentale Selbstsabotage nicht kennt. Ich denke, es ist ein klares Phänomen einer historischen Übergangszeit. Mindfuck ist, so meine These, das Selbstkonditionierungsprogramm in unserem Denken, das unsere Vorfahren brauchten, um in autoritären, stark hierarchischen Gesellschaften zu funktionieren. Unser Denken funktioniert als innerer Dialog. Wir sprechen also mit uns selbst. Da gibt es „jemanden“, der mit „uns selbst“ spricht. Dieser „Jemand“, ich nennen ihn im Buch „Wächter“, ist aus meiner Sicht das soziale Korrektiv in uns, das dafür sorgt, dass wir unser Verhalten unter ganz bestimmten Bewertungskriterien hinterfragen.

Das Problem ist also nicht, dass wir natürlicherweise assoziiert und gleichzeitig dissoziiert, also uns beobachtend denken, sondern, dass die Maßstäbe, nach denen wir unser Verhalten mit dieser inneren Stimme des Korrektivs ausrichten, heute nicht mehr passend sind. Sie stammen aus alten Denktraditionen, wurden einfach weitergegeben und sind Folgen veralteter gesellschaftlicher Wertmuster und bestimmter Erziehungsstile. Früher wurden Menschen mit Druck, falschen Versprechungen, Angst, Drohungen und Abwertungsritualen dazu gebracht, frühzeitig ihren Platz in einer sozial vorgegebenen Ordnung einzunehmen. Genau das passiert, wenn wir Mindfuck betreiben und unser Potenzial selbst begrenzen.

Die absolute Mehrheit der Menschen, die heute in Europa leben, hat Vorfahren, die in der vorvorherigen Generation alles andere als privilegiert waren. Wir stammen fast alle von der Mittel- oder Unterschicht ab und diese war sowohl obrigkeitshörig als auch in weiten Teilen duckmäuserisch – eben alles andere als mutig und selbstbewusst. „Bild dir ja nicht ein, etwas Besonderes zu sein“, „Schuster bleib bei deinem Leisten“. Vor 100 Jahren war jede Form von stärkerer Individualität eine gefährliche Extravaganz. Es ist kein Wunder, dass so gut wie alle Menschen, die heute leben, die Strategien gelernt haben, ihr eigenes Potenzial und ihre Individualität eher einzuschränken als zu entfalten.

Dr. Petra Bock.  Foto mit freundlicher Genehmigung von Petra Bock
Dr. Petra Bock. Foto mit freundlicher Genehmigung von Petra Bock

Epoch Times: Wie können wir denn etwas daran ändern? Das scheint ja sehr stark verankert zu sein.

Bock: Die biologisch angelegte Funktion des „zweigeteilten“ Denkens, also des inneren Dialogs können wir selbstverständlich nicht ändern. Wohl aber die Qualität dieses inneren Dialogs. Ich habe damit in mehreren tausend Fällen in Coachings mit meinen Klienten experimentiert, habe auch mit mir selbst gearbeitet und kann nur sagen: Wir haben alle Möglichkeiten, diesen inneren Dialog zu modernisieren, zu verbessern und unser persönliches Leistungs- und Glückspotenzial damit stark zu vergrößern. Der Schlüssel ist, dass wir in der Lage sind, aus der sogenannten Meta-Ebene zu denken und dass wir fähig sind, unsere Werte zu überprüfen, zu hinterfragen und zu verändern.

Die meisten Menschen, denen zum ersten Mal bewusst wird, dass das, was sie da denken, Mindfuck ist, hören automatisch damit auf. Es ist wie ein Selbsttraining, das wir automatisch durchführen, wenn wir erkannt haben, dass uns diese Denkstrategien behindern statt weiter zu bringen. Wir haben also die Möglichkeit, unser Denken, die Architektur unseres Denkens und seine Richtung zu verändern, zu modernisieren, oder neudeutsch gesagt, dem Wächter in uns ein „Update“ zu verpassen. Dann ist der innere Dialog keine Bremse mehr sondern ein ausgesprochen produktiver Motor, der bei vielen Menschen so etwas wie eine kreative Explosion auslöst.

Epoch Times: Sozusagen diese innere Welt zu unserem Freund zu machen?

Bock: Genau. Die Parallelwelt, die durch das soziale Korrektiv in unserem Denken entsteht, wird dann zu einem fairen Berater oder Freund statt zu einem Kosmos der Selbstunterdrückung oder der ungehemmten Machtphantasien. Für unsere Vorfahren war es überlebenswichtig, so zu denken. Für uns heute ist es nur noch Gedankenmüll, Ballast, den wir wirklich nicht mehr brauchen.

Epoch Times: In Ihrem Buch habe ich das erste Mal von so etwas wie einem „Übermotivations-Mindfuck“gelesen, also davon, dass wir uns auch in einer quasi-positiven Art und Weise euphorisieren können.

Bock: Ja, das, was ich Übermotivations-Mindfuck nenne, ist die aggressiv, scheinbar positiv aufpeitschende Variante, der ansonsten stark depressiv funktionierenden Mindfuck-Strategien. Es ist die andere Seite der Selbstsabotage-Medaille und fühlt sich erst einmal besser an. Auch in autoritären und hierarchischen Gesellschaften gab und gibt es diese beiden Seiten: Zuckerbrot und Peitsche, Motivation und Terror. Beides gehört zusammen, wenn man eigentlich frei geborene Individuen mit einem derart begabten Denkapparat wie dem menschlichen Gehirn dazu bringen will, gegen die eigenen Interessen zu funktionieren und sich selbst nach fremden Mustern zurechtzubiegen. Die große „Leistung“ – ich meine das natürlich ironisch – autoritärer Gesellschaften ist es, die sich von Natur aus kreativ und frei entwickelnden, hochintelligenten Wesen in ihrer Entwicklung zu stoppen und zurechtzubiegen. Also dafür zu sorgen, dass aus einem Menschen, der eigentlich das Potenzial hat – um ein Bild zu verwenden – ein großer, starker, elastischer Bambus zu werden, ein kleines Hutzelsträuchlein, oder im besten Fall einen gut kontrollierbaren Bonsai zu machen. In alten Gesellschaften sorgte das für Stabilität und das Einhalten der starren Ordnungen. Je mehr Menschen Bonsais waren, desto leichter war es, diese Herrschaftsordnungen aufrechtzuerhalten.

Heute, in einer frei agierenden globalen Welt, kann man mit diesem Denken keinen Blumentopf mehr gewinnen. Und dennoch steckt es wie ein Dinosaurierskelett in den stillen Winkeln unseres Denkens. Sich klein zu halten oder sich hektisch überzumotivieren, sich ohnmächtig oder allmächtig fühlen. Im Außen sehen wir das in immer wieder neu belebten „Chacka“-Motivationsspritzen, die Unternehmen ihren Mitarbeitern heute immer noch verabreichen, vor allem im Vertriebsbereich. Dass das Strohfeuer sind, ist klar, dennoch werden sie immer wieder „abgefackelt“. Schade, denn das ist einfach nur hinausgeschmissenes Geld und führt nicht zu produktivem Wachstum von Mitarbeitern.

Epoch Times: Ist Übermotivations-Mindfuck ein Phänomen in unserer Gesellschaft besonders für die jüngere sogenannte „Spaßgesellschaft“?

Bock: Nein, das betrifft alle Generationen. Ich würde sogar sagen, dass jüngere Menschen heute einen wohltuend „wohltemperierten“ Blick auf die Welt haben und nicht mehr so stark in diesen Extremen denken. Ich bin sehr optimistisch, was die jüngere Generation betrifft. Ich hab‘ den Eindruck, dass sie sehr wohl eine gute Mischung aus Genussfähigkeit und einer Freude am Leben mitbringt, gepaart mit einem Blick auf die Dinge, die nicht gut laufen in der Welt.

Meines Erachtens wächst da eine sehr interessante Generation nach, die sich um die Themen Umwelt, Nachhaltigkeit, Gerechtigkeit in der Welt wirklich wieder kümmert und gleichzeitig nicht verbiestert, verbissen und gewalttätig wird. Das finde ich äußerst positiv, eine gute Sache für die Zukunft.

Mit dem Begriff „Spaßgesellschaft“ habe ich insgesamt Probleme. Was ist damit gemeint? Dass Menschen heute Spaß haben wollen, das finde ich gut und richtig und besser als ideologisch aufgeladene Kampfmaschinen. Ich gehöre nicht zu den moralinsauren Kritikern einer angeblich schlechten Zeit und denke, dass echte Wertorientierung heute etwas ganz anderes ist als muffiges Moralisieren. Wertorientierung heute heißt aus meiner Sicht, ein konstruktives, produktives, menschenfreundliches Denken zu vertreten, das persönliches Wachstum und individuelle Entfaltung von Menschen wünscht und fördert, statt es zu verdammen. Menschen sind ein Stück Natur und Naturschutz beginnt im Umgang mit uns selbst und unserer Spezies.

Epoch Times: Das führt mich direkt zur nächsten Frage: In Ihrem Buch sprechen Sie Gordon A. Craigs „Über die Deutschen“ und Sabine Bodes „German Angst“ an. Nehmen wir Deutschen da eine Sonderstellung im internationalen „Mindfuckrating“ ein?

Bock: Ich denke schon, dass wir in Deutschland ganz bestimmte Mindfucks besonders „pflegen“. Der Katastrophen-Mindfuck zum Beispiel wird aus dem Ausland oft bei Deutschen beobachtet. Ein notorischer, ängstlicher Pessimismus, mit dem wir immer wieder gleich den Teufel an die Wand malen. Da Mindfuck ein historisches Erbe in unserem Denken ist, wundert mich das aber auch nicht. Die unmittelbare neuere und neueste Geschichte in Deutschland ist grausam und katastrophal. In jeder Familie wurden furchtbare Erfahrungen gemacht. Es ist kein Wunder, dass so viele Deutsche Angst vor der Zukunft haben – denn wir prolongieren im Mindfuck-Modus kollektive und persönliche Erfahrungen, auch wenn dazu eigentlich kein Anlass besteht.

Insgesamt bin ich der Überzeugung, dass es tatsächlich in jeder Kultur bestimmte „Lieblings-Mindfucks“ gibt, so wie auch jeder Mensch seine ganz eigenen „Favoriten“ hat. Bei einigen US-amerikanisch geprägten Klienten erlebe ich häufig einen starken Bewertungs-Mindfuck oder einen Druckmacher-Mindfuck, mit dem sie sich selbst zu ständigen Bestleistungen zwingen. Gegen einen gesunden Wettbewerbsgeist ist nichts zu sagen, wenn es aber zu einem Fanal der gnadenlosen eigenen Auf- und Abwertung führt, dann ist es eine Blockade, die Menschen behindert statt weiter zu bringen.

Epoch Times: In der westlichen Welt haben wir ja eine relativ privilegierte Stellung, unser Leben in einer Art und Weise gestalten zu können, wie es früher nicht möglich war. Jetzt sehen wir viele ehemalige Schwellenländer, wie zum Beispiel China, die eine enorme technische Entwicklung durchmachen, die aber sehr stark von vertikalen Strukturen geprägt sind. Wie sieht das mit „Mindfuck“ in solchen Ländern aus? Also in Hinblick auf China aber auch auf die arabischen Länder mit den enormen Umwälzungen, die dort derzeit stattfinden.

Bock: Gleich vorneweg: Ich bin keine Expertin für diese Regionen und kann hier nur nach meinem begrenzten Kenntnisstand und persönlichen Erfahrungen aus Gesprächen und Coachings sprechen. Aus meiner Sicht sind viele Menschen in diesen Regionen gerade dabei, altes, angepasstes Denken als Lebensblockade und autoritäre Machtstrategie zu erkennen und dagegen aufzubegehren. Mindfuck ist erst dann Mindfuck, wenn es innerlich und äußerlich eine denkbare Alternative gibt. Eine Alternative, die ganz konkrete Möglichkeiten und Vorteile verspricht. Vorher ist Mindfuck „normales“, angepasstes Denken.

Ich beobachte die Entwicklungen mit großem Interesse und großer Neugierde, welche ungeheuren Potenziale für diese Länder, Kulturen und Regionen frei werden, wenn sie altes, die Menschen über die Maßen einschränkendes Denken hinter sich lassen. Gerade auf ein Land wie China bin ich da sehr gespannt. Ich erlebe Chinesen und das, was ich darüber erfahre, als eine Kultur mit sehr ambitionierten Zielen und einer hohen Leistungsorientierung. Wenn diese Menschen erfahren, welch immenses Potenzial frei wird, wenn individuelle Potenziale gefördert statt eingeschränkt werden, bin ich mir sicher, dass in diesem Teil der Welt hochinteressante, für die gesamte Welt wichtige Entwicklungen stattfinden werden.

China hat wie Deutschland das Problem einer stark alternden Gesellschaft. Beide Gesellschaften haben keine andere Wahl, als das persönliche Potenzial des Einzelnen zu stärken. Denn immer weniger Menschen müssen immer größere gemeinsame Lasten tragen. Doch in jedem Individuum schlummert das größte Produktivitätspotenzial, das wir uns vorstellen können. Genauso steht es mit den Aufgaben, die die Globalisierung und die Umweltzerstörung uns als lebende Generation stellt. Nur wenn wir konstruktiv kooperieren, statt in destruktivem Wettbewerb zu stehen, können wir das alles meistern. Und die Fähigkeit, gut zu kooperieren, fängt in unserem eigenen Denken und im Umgang mit uns selbst an. Wenn wir beginnen, unser Denken konstruktiv und produktiv statt destruktiv zu nutzen, wird sich auf der ganzen Welt eine Menge zum Besseren wenden. Und wir haben dann alle Möglichkeiten, die immensen Herausforderungen, vor denen wir im 21. Jahrhundert stehen, zu meistern.

Epoch Times: Stichwort „Katastrophen-Mindfuck“, bzw. „Schutz vor den Mindfucks anderer“. Wie sieht das aus mit den Medien? Wir bekommen rund um die Uhr Katastrophenmeldungen aufgetischt, Angst vor der Euro-Krise, Inflation, alles stürzt zusammen … wie gehen wir denn mit diesen äußeren „Mindfucks“ gut um?

Bock: Ich denke, wir haben die Medien, die wir verdienen. Sie spiegeln das noch vorherrschende Denken der Mehrheit der Menschen in unserer Zeit wider. Ich denke, sie werden sich ebenso verändern, wenn immer mehr Menschen aufhören, sich mit diesen veralteten Denkstrategien zu behindern.

Im Moment docken Katastrophen-Nachrichten einfach zu stark an dem an, was wir unser Mindfuck-Alarm-System nennen könnten. Wir sind in unserer Parallelwelt noch stark auf Gefahren und den Schutz vor Katastrophen ausgerichtet. Denn das waren die tatsächlichen Lebensrisiken der Menschen, die vor uns gelebt haben. Wie gesagt, es ist wie ein Dinosaurierskelett in unserem Denken, mit dem wir noch herumlaufen und das uns deshalb auch im Äußeren gespiegelt wird, ohne noch eine echte statistische Relevanz zu haben.

Epoch Times: Sie empfehlen, sich an der Erhöhung der Lebensqualität zu orientieren. Wird da nicht häufiger der Einwand gebracht, dass wir dadurch zu hemmungslosen Egoisten würden? Und wie sehen Sie in diesem Zusammenhang den Begriff „Selbstverwirklichung“?

Bock: In Gesellschaften wie den reichen westlichen Gesellschaften, in denen Ressourcenüberschuss besteht, ist es absolut zeitgemäß, Lebensqualität als Richtpunkt des eigenen Denkens und Handelns zu verwenden. Alles andere wäre wiederum Mindfuck und stammt aus Zeiten von Not, Überlebenskämpfen und anderen dunklen Epochen, die wir hierzulande zum Glück hinter uns haben.

Dazu müssen wir mit einem alten kulturellen Missverständnis aufräumen, nämlich dem, dass ein glücklicher und in Fülle lebender Mensch „schlecht“ sei oder zu „sündigen Extravaganzen“ neige. Beide Bilder sind Erben einer überholten christlichen Moralvorstellung, die über Jahrhunderte das hohe Lied auf die angebliche moralische Überlegenheit der Armut und des Leids stellten.

Hier sehe ich übrigens in der taoistischen Tradition der chinesischen Kultur einen deutlichen Vorteil. Das gute Leben, und zwar in Hinsicht auf dessen Qualität, war hier niemals verdammt, sondern wie in einigen altgriechischen philosophischen Schulen das Ziel jeden Daseins. Wir dagegen müssen uns oft eine klare Wahrheit vor Augen halten. Manchmal frage ich Skeptiker: Wer wird sein Essen eher teilen, ein satter oder ein hungriger Mensch? Da höre ich eigentlich immer eine klare Antwort: Jemand der satt ist, der wird sein Essen eher teilen können.

Ganz ähnlich erlebe ich es bei den Menschen heute. Wer selbst sein Leben so lebt, wie er es möchte, wer zufrieden ist, vielleicht sogar glücklich und erfüllt ist, hat automatisch irgendwann einmal den Wunsch, andere dabei zu unterstützen, das auch zu erreichen. Glück, materielle Sorgenfreiheit und innere Zufriedenheit macht Menschen offen und sozial. Unglück, Not und Unzufriedenheit dagegen machen uns leider allzu häufig eng, schwach, hart und häufig auch grausam.

Die Geschichte zeigt uns zahlreiche Beispiele dazu. Und als promovierte Historikerin und Politikwissenschaftlerin, aber auch als Coach, der jeden Tag mit Menschen unterschiedlichster sozialer Hintergründe arbeitet, ist mir dieser Zusammenhang sehr geläufig. Je mehr wir uns erlauben, uns in Richtung unserer wahren Bedürfnisse zu entwickeln, desto mehr gestehen wir das auch anderen zu und desto sozialer werden wir.

Epoch Times: Das erinnert mich an Michael Endes Buch „Die unendliche Geschichte“, das habe ich gerade meinem Sohn vorgelesen, wo auf der Rückseite des Abzeichens Auryn die Inschrift „Tu was Du willst“ steht.

Bock: Oh ja! In diesem ganzen Bereich gibt es sehr viele Geschichten, die da sehr, sehr hilfreich sind. Im Fantasy-Bereich erleben wir immer, dass der positive Held sowohl seine eigene Mission erfüllt als auch für die Belange anderer da ist. Diese Mischung aus „mach dein Ding“ und gleichzeitig auch im sozialen Kontext positiv zu wirken, eine Aufgabe zu haben, diese Mischung ist ja immer ganz stark darin enthalten. Und das motiviert Menschen seit Jahrhunderten. Es ist etwas, das zu unserer Natur gehört. Es sind gute, wichtige Geschichten.

Epoch Times: Am Ende Ihres Buches stellen Sie dem Leser vier Fragen. Was sind das für Fragen und können Sie die unseren Lesern auch einmal stellen?

Bock: Ich glaube, die wichtigste Frage ist die danach, was Sie in Ihrer Lebenszeit noch erleben, erfahren und bewirken möchten. Die Frage danach, was 100 Prozent Leben für Sie sind. Was sind 100 Prozent Lebensqualität? Materiell, körperlich, geistig, von der Intensität her und von den Ruhemomenten, die Sie erleben möchten? Was erfüllt Sie wirklich so, dass Sie sagen: „Jetzt ist alles da, was ich mir wünsche, und zwar in der Intensität, in der ich es mir wünsche“. Was ist Ihnen für Ihre Lebensqualität am wichtigsten?

Also, was sind die Essentials, die Sie persönlich brauchen, um glücklich zu sein?

Da gibt es unterschiedliche Prioritäten. Das für sich zu erkennen, ist sehr wichtig.Ob es Beziehungen sind, ob es Erfolg ist, ob es Gesundheit, Attraktivität oder Vitalität ist, solche Dinge sind wichtig für sich zu erkennen, und auch zu verfolgen aus meiner Sicht.

Worauf werden Sie Ihre wertvolle Aufmerksamkeit legen? Denn darauf, wohin Sie Ihre Aufmerksamkeit richten, dort verändern sich die Dinge und dort erleben Sie am meisten. Wenn Sie Ihre Aufmerksamkeit auf Katastrophen, Ängste, Druck und Bewertungen legen, werden Sie das im Leben ernten. Nicht aus irgendwelchen esoterischen Gründen, sondern ganz logisch deshalb, weil es ihren Fokus bildet. Wenn Sie sich dagegen mit Ihrem Potenzial und dem beschäftigen, was Sie wirklich brauchen und erleben möchten, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Sie es konsequent verfolgen und erreichen werden. Und zum Schluss ist dann wichtig: Womit werden Sie beginnen?

Wie es in allen alten Weisheiten auch heißt: Der erste Schritt will getan werden und dadurch bekommen wir die Kraft weiterzumachen.

Epoch Times: Frau Dr. Bock, wir bedanken uns sehr herzlich für das Gespräch!

Das Gespräch führte Christian Schlierkamp

Cover: Knaur Verlag   Cover: Knaur Verlag

http://www.petrabock.de/

Info:
Verlag Knaur
2011, 256 Seiten
ISBN: 978-3-426-65507-8
19,99 Euro

 

 



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