Urteil zum Mordfall Maria erwartet: Lebenslang oder Jugendstrafe? – Die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung

Im Freiburger Mordprozess gegen den Flüchtling Hussein K. will das Gericht heute nach mehr als einem halben Jahr Verhandlungsdauer das Urteil verkünden. Vor dem Urteil wurden in den Plädoyers von Verteidigung und Anklage alle relevanten Fakten nochmals zusammengefasst. Eiskalter Mörder oder junger Mensch mit Reifestörungen?
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Der Angeklagte Hussein K. im Freiburger Landgericht: Ihm werden in dem seit September laufenden Prozess Mord und besonders schwere Vergewaltigung vorgeworfen.Foto: Patrick Seeger/dpa
Von 14. März 2018

+++ Update: Im Freiburger Mordprozess wird das Urteil verkündet

Im Freiburger Mordprozess gegen den Flüchtling Hussein K. will das Gericht heute nach mehr als einem halben Jahr Verhandlungsdauer das Urteil verkünden. Dem Angeklagten werden Mord und besonders schwere Vergewaltigung vorgeworfen. Er hat zugegeben, im Oktober 2016 nachts in Freiburg eine 19 Jahre alte Studentin bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt und vergewaltigt zu haben. Sie ertrank im Wasser des Flusses Dreisam. Das Landgericht Freiburg muss entscheiden, ob es Jugend- oder Erwachsenenstrafrecht anwendet. Dies hat Auswirkungen auf die Höhe der Strafe.

Lebenslang oder Jugendstrafe mit Sozialtherapie? – Die Plädoyers von Staatsanwaltschaft und Verteidigung

Während die Staatsanwaltschaft einen eiskalten Mörder sieht, der sowohl Vergewaltigung als auch Ermordung des Mädchens bereits von Anfang an plante, um später sein „grausames Spiel“ mit dem leblosen Körper des Opfers zu treiben, glaubt die Verteidigung an einen Heranwachsenden mit Reifestörungen und Alkohol- und Drogenproblemen, dem im Gefängnis durch Sozialtherapien zu helfen sei.

Vor der Urteilsverkündung am 21. März standen die Plädoyers der Staatsanwaltschaft und der Verteidigung an. Diese fanden am 9. und am 12. März statt. Der Prozess neigt sich nun dem Ende zu.

Die Anklage fordert für den Mord und die schwere Vergewaltigung an Maria Ladenburger am 16. Oktober 2016 für den angeklagten Hussein Khavari eine lebenslange Haftstrafe mit Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und anschließende Sicherungsverwahrung.

Die Verteidigung hofft auf eine Jugendstrafe oder alternativ eine „Freiheitsstrafe, ohne Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und ohne Anordnung der Sicherungsverwahrung“.

23. Prozesstag, 9. März 2018

Der Verteidiger des Angeklagten teilte dem Gericht zu Beginn mit:

Der Angeklagte widerspricht dem Ausschluss der Öffentlichkeit.“

(Sebastian Glathe, Verteidiger)

Somit konnten die Zuschauer eingelassen werden. Dann folgte das Plädoyer der Staatsanwaltschaft.

Oberstaatsanwalt Berger geht auf die ungewöhnliche Länge des Prozesses ein, was er mit den Ermittlungen, der Handyauswertung und dem von Lügen geprägten Verteidigungsverhalten des Hussein K. begründete, mit Lügen über sein Alter, seine Herkunft, seine persönliche Geschichte – und zu seinem Verhalten, wie die „Badische Zeitung“ in einem ausführlichen Bericht schilderte.

Berger kommt zu dem Schluss, dass Hussein K. dem Mädchen aufgelauert, es vom Fahrrad gezogen und sofort gewürgt habe. Dann habe er die 19-Jährige zum Fluss gezogen, sie teilweise entkleidet und sexuell missbraucht. Anschließend „platzierte er die noch Lebende“ derart im Wasser, dass sie ertrinken musste.

https://www.youtube.com/watch?v=oH2_9GumFZc

Hussein K. auf dem Weg zum Tatort

Sie haben zu Ihrem Verhalten, Ihrem Zustand falsche Angaben gemacht. Sie haben sich als betrunken, als Kiffer, als schizophren dargestellt.“

(OStA Berger)

Für Berger steht fest, dass Hussein K. – entgegen dessen Angaben – zum Tatzeitpunkt am Tatort nicht beeinträchtigt gewesen sei. Es gebe Videos bis 45 Minuten vor der Tat, die den Angeklagten „nicht so beeinträchtigt“ zeigten, wie dieser es gesagt habe. Zeugen einer Bar in der Innenstadt hatten Hussein K. kurz vor der Tat als ebenfalls nicht auffällig betrunken oder „betrunken spielend“ in Erinnerung. Eine andere Zeugenaussage habe ihn deutlich betrunken, sogar hinfallend geschildert. Dies wurde jedoch durch Videoaufnahmen widerlegt.

An diesem Abend sei es ihm darum gegangen, „sexuelle Erfahrungen zu haben“, so Berger.

In der Bar hatte der Angeklagte laut Aussagen einer Zeugin diese bereits fordernd bedrängt und begrapscht. Als Khavari sich schließlich mit der Straßenbahn ab 1.57 Uhr aus der Innenstadt entfernte, folgte er möglicherweise dabei dieser Frau. Laut Staatsanwaltschaft sei es offensichtlich gewesen, dass er es schon vorher „auf sie abgesehen hatte“, so Berger. Zudem hatte er versucht, die Frau in der Tram weiter zu kontakten, wobei er „aggressiv und fordernd“ auftrat, sodass diese nach 37 Sekunden den Platz neben ihm verließ.

Die Videoaufnahmen bestätigten ein „waches, konzentriertes, aufmerksames Verhalten“ von Hussein K.

Hussein K. muss lange und ausdauernd auf sein Opfer gewartet haben. Auf dem Radweg sei viel Betrieb gewesen, so die Staatsanwaltschaft. Der Täter musste auf einen geeigneten Moment warten. „Wir haben alles andere als eine Affekttat.“

Hussein Khavari, aus Afghanistan, ermordete am 16. Oktober 2016 die 19-jährige Maria Ladenburger am Ufer der Dreisam in Freiburg. In seinen Titelbildern auf Facebook zeigte er sich schon Monate vor der Tat als „Wolf“ und „Werwolf“, der sich über ein weibliches Opfer beugt. Foto: Screenshot/Facebook&Public Domain/ept

16. Oktober 2016, Freiburg, Vollmond

In dieser sternenklaren Nacht war heller Vollmond, Supermond sogar. Anhand Marias Größe, Gestalt und der Länge der Haare hätte Hussein K. sie eindeutig als Frau erkennen müssen. Zudem konnte er den Berechnungen nach ihr Gesicht etwa drei Sekunden lang sehen, als sie angefahren kam.

Zudem zeige sein plan- und kraftvolles Tatgeschehen, dass er handlungsfähig gewesen sei. Hussein K. hatte der herankommenden Radfahrerin in den Lenker gegriffen und wusste zu diesem Zeitpunkt bereits, „dass er Maria vergewaltigen und töten wollte“, sagt der Oberstaatsanwalt. Sie sollte ihn nicht identifizieren können.

Ihm war klar, dass er sie nicht lebend am Tatort zurücklassen könnte.“

(OStA Berger)

Khavaris „grausames Spiel“

Er packte Maria, hielt ihr den Mund zu und würgte sie bis zur Ohnmacht. Dann zerrte er sein wehrloses Opfer zum Flussufer, wo er das Mädchen dann vergewaltigte und, so Berger, mit dem leblosen Körper seines Opfers ein „grausames Spiel“ getrieben habe.

Ich kann mir die Spurenlage nur so erklären, dass er sie im bekleideten und unbekleideten Zustand durch den Brombeerstrauch am Ufer gezogen hat.“

(OStA Berger)

Nach Ansicht der Anklage habe die Tat rund eine Stunde gedauert. Bisswunden wurden am Körper des Mädchens festgestellt.

Marias Tod im Wasser

Wie Berger ausführte, sei anzunehmen, dass das Mädchen noch deutlich merkbar geatmet hätte. Hussein K. habe zudem „längeren und intensiven“ Körperkontakt mit seinem Opfer gehabt, es mit dem Gesicht am Oberkörper berührt und dabei sicherlich Atembewegungen bemerkt.

Der Staatsanwalt hält es für beweisbar, dass der Täter zu diesem Zeitpunkt wusste, dass das Mädchen noch lebt. Er legte sie dann so ins Wasser, dass sie ertrinken musste.

26. Mai 2013, Korfu, Vollmond

Für das Strafmaß nicht unerheblich ist die Altersfrage. Mehrere Gutachten kommen zu dem Schluss, dass der Angeklagte zwischen 22 und 25 Jahren alt sein müsste.

Um die besondere Schwere der Schuld, ebenfalls ein Faktor für das Strafmaß, zu begründen, hält Berger den versuchten Mord in Griechenland für besonders wichtig.

Laut der örtlichen Polizei sei Khavari auch bei der Tat in Griechenland nicht betrunken gewesen.

Und dennoch: Nach Aussagen der 20-jährigen Studentin auf Korfu sprang Hussein K. in jener Nacht im Mai 2013 auf der Strandpromenade „wie ein Tier“ auf sie zu, packte ihre Handgelenke, gab ihr zu verstehen, nicht zu schreien und warf sie auf den Boden. Dort schlug er ihr die Faust auf den Mund. Als ein Auto herannahte, hob er das Mädchen mit dem Kopf nach unten über das Geländer. Sie hielt sich fest, flehte um ihr Leben, dass er sie nicht hinunterwerfe, doch irgendwann konnte sie sich nicht mehr halten und stürzte zehn Meter hinab, berichtete die „Badische Zeitung“ aus dem Freiburger Gerichtssaal am 28. Januar.

Dem Mädchen gelang es, sich im Fallen zu drehen. Mit zwei gebrochenen Beinen und einem gebrochenen Arm schleppte sich die Studentin – erinnerungslos – eine 200 Meter entfernte Steintreppe zur Straße hinauf und von dort zum Hotel, in dem sie und andere Studenten wohnten.

Khavari hatte den Sturz des Mädchens von der Klippe vor dem Freiburger Gericht mit einem „Rempler“ als Unfall abgetan, sie damit bagatellisiert, dass dem Mädchen ja nicht viel passiert sei, wie er gegenüber dem Gutachter Pleines sagte und sich über die griechische Justiz beschwert: „Wegen des Streifens an der Schulter wird man in Griechenland wegen versuchten Mordes verurteilt“.

Selbst für einen Laien erscheine dies als absurd und nur denkbar bei sehr niedrigen Geländern. Nein, das Mädchen wurde „bewusst die Klippe heruntergeworfen“, ist sich Berger sicher. Das Mädchen hätte nur durch eigenes Verhalten und körperliche Fitness überlebte.

Das Gericht wollte noch wissen, ob es sich eher um ein Raubdelikt oder eine abgebrochene Sexualstraftat gehandelt habe. Berger schloss einen Raub aus, da die Tasche des Mädchens leicht erreichbar gewesen sei. Nach der Tat ging Hussein K. zur Absturzstelle, angeblich um nach dem Mädchen zu schauen. Etwas habe ihn trotz des hohen Entdeckungsrisikos an den Tatort zurückgetrieben.

Ich gehe davon aus, dass er sie nach der Tat lebend oder tot sexuell missbrauchen wollte.“

(OStA Berger)

Noch etwas, was Berger anmerkte, deutet auf etwas Dunkles hin: „Er hat auch damals ein Wolfs-Shirt getragen“, so der Oberstaatsanwalt, was zeige, dass „die Bemächtigungsfantasien, die in ihm wirken, zutage traten“. Und wieder war es Vollmond.

Gegenüber dem griechischen Ermittler, der in Freiburg aussagte, hatte Khavari damals noch geäußert: „Was soll das denn alles, es war doch nur eine Frau!“

Der Täter wurde schnell an seiner Unterkunft, einer verlassenen Olivenmühle gegenüber dem Hafen aufgespürt. Die nassen Schuhe und Hosenbeine konnte er nicht erklären. Bei der Gegenüberstellung im Krankenhaus erkannte das Mädchen Hussein K. sofort.

Die griechische Polizei hat alles richtig gemacht, auch die griechische Justiz, die den gefährlichen jungen Mann auf zehn Jahre Haft wegsperrte. Dennoch kam er nach rund zwei Jahren schon frei: Nach einer Amnestie durch die seit September 2015 neue griechische Regierung unter Alexis Tsipras und der „Synaspismos Rizospastikis Aristeras“ (Syriza), was soviel bedeutet wie „Koalition der Radikalen Linken“, wurde Khavari Ende Oktober 2015 gegen Auflagen und auf Bewährung freigelassen und verschwand nach Deutschland, wo er sich nach Angaben deutscher Behörden am 12. November 2015 ohne Papiere als 16-Jähriger alleinreisender unbegleiteter Minderjähriger vorstellte. Man glaubte ihm leichtfertig – ein tödlicher Fehler.

Parallelen zwischen Korfu und Freiburg

Der Anklagevertreter sieht mehrere Parallelen zwischen dem versuchten Mord auf Korfu und dem Freiburger Mordfall Maria: zwei junge Frauen ähnlicher Konstitution, keine Täter-Opfer-Kommunikation, sofortige Überwältigung, beide Taten geschahen bei Vollmond, nahe am Wasser, das Bestreiten sexueller Motive für die Tat, Erklärungsversuche mit nicht bestehender Alkoholisierung – „Diese Parallelitäten deuten auf ein Handlungsmuster hin.“

Statt Strafminderung besondere Schwere der Schuld

Nach Ansicht von Eckart Berger wäre es unangemessen, wenn Hussein K. bereits nach 15 Jahren freikäme.

Der Oberstaatsanwalt konnte keine entlastenden Momente für den Angeklagten feststellen: Das Geständnis sei wenig nutzwertig, zeuge von keiner Reflexion der Tat, Reue sei nicht zu erkennen. Er sei zwar haftempfindlich, aber auch hafterfahren. Er spreche Deutsch und habe die lange Trennung von seiner Familie selbst gewählt. Auch sein angeblich schweres Schicksal konnte als Lüge widerlegt werden, als der damit verknüpfte angebliche Tod des Vaters widerlegt wurde.

Trotz bester Integrationsvoraussetzungen, die vielen anderen Flüchtlingen verwehrt bleiben, ging Hussein K. einen anderen Weg:

Sie haben die Tat ohne jede Not begangen, in einer fantastischen persönlichen Lebenssituation.“

(OStA Berger)

Es sei ihm jede Betreuung angedeihen lassen worden. Die Pflegefamilie und das Jugendamt hatten nach einem Beruf geschaut. Dies sei eine Situation, die er in seinem Leben so nie mehr antreffen werde.

„Die besondere Schwere der Schuld ist festzustellen“, beurteilt der Anklagevertreter all diese Betrachtungen.

Sicherungsverwahrung

Berger hält den jungen Flüchtling zum jetzigen Zeitpunkt als „für die Allgemeinheit gefährlich“ und es bestehe „ein großes persönlichkeitsverankertes Risiko, derartige Straftaten wieder zu begehen.“

Zweimal habe er die Tötungshemmung überwunden, schwere Straftaten begangen, unter ähnlichen äußeren Bedingungen. Eine psychiatrische Erkrankung, eine Persönlichkeitsstörung, eine Entwicklungsstörung, eine Sucht oder eine Traumafolgestörung würden nicht vorliegen.

Khavari zeige Lernfähigkeit und gutes soziales Anpassungsvermögen, was der Gutachter Dr. Pleines „eindrücklich dargelegt“ habe, ebenso wie den „fehlenden emotionalen Resonanzraum“. In seiner Persönlichkeitsstruktur sei sexuelle Devianz (Abnormalität) eingegliedert. Dies sei auch durch die aufgefundene Pornografie bestätigt: Frauen mit Bisswunden usw.

Es gibt keine Instanzen, die ihn dort bremsen.“

(OStA Berger)

Nach Aussagen des Gutachters Dr. Pleines sei Khavari auch kein jugendlicher Delinquent, Möglichkeiten der erzieherischen Beeinflussung oder schlummernde positive Kräfte seien bei ihm nicht erkennbar. Es sei nicht zu erwarten, dass seine fehlende Empathie und starke Frauenfeindlichkeit sich ändern würden.

Die Merkmale des Mordes

Für die Staatsanwaltschaft steht fest, dass zwei Mordmerkmale erfüllt werden: Maria sei arg- und wehrlos gewesen. „Eine Verdeckungstat lag nicht vor.“

Bereits am vorangegangenen Prozesstag hatte ein Gutachter Hussein K. als schuldfähig und rückfallgefährdet eingestuft. Für Berger steht offenbar auch fest, dass der Afghane besser für immer von der Straße verschwindet:

Ich beantrage, ihn wegen Mordes und schwerer Vergewaltigung zu lebenslanger Haft zu verurteilen. Ich beantrage die Feststellung der besonderen Schwere der Schuld. Ich beantrage, die Sicherungsverwahrung anzuordnen.“

(OStA Berger für die Staatsanwaltschaft)

Sollte es zu diesem Urteil kommen, würde das für Hussein Khavari bedeuten: „25 Jahre normale Haft, dann würde die Sicherungsverwahrung beginnen“, so dessen Anwalt Sebastian Glathe. Eine Entlassung aus der Sicherungsverwahrung könnte nur  geschehen, wenn ein Gutachter den Gefangenen als nicht mehr gefährlich einstufen würde. Laut Glathe zeige die Praxis aber, dass das „in ganz seltenen Fällen“ vorkomme.

24. Prozesstag: Verteidigung versucht zu widerlegen

Ob Hussein K. nun in den kriegsähnlichen Verhältnissen in Afghanistan zwischen 1995 und 2005 geboren wurde oder im Iran aufwuchs, wo es systematische Diskriminierung afghanischer Flüchtlinge gibt, so der Verteidiger am nächsten Prozesstag, am 12. März, vor Gericht:

Wir können sicher festhalten, dass in beiden Varianten traumatische Erfahrungen zu erwarten seien.“

(Sebastian Glathe, Verteidiger)

Bei der Altersberechnung sei man nicht von einer Fehleinschätzung frei, auch wenn diese mit einer Sicherheit von 99,9 Prozent angegeben ist. Man könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit feststellen, dass Khavari älter als 21 ist. In diesem Zusammenhang plädierte der Anwalt auf Einordnung des Angeklagten als Heranwachsenden, wie die „Badische Zeitung“ weiter berichtet. Seine Erfahrungen hatten demnach ein Erwachsenwerden verzögert, im Iran oder in Afghanistan, auch seine Flucht. Eine Reifeverzögerung liege vor.

Er nahm zudem das Medikament Risperdal ein – laut „Wikipedia“ ein Neuroleptikum zur Behandlung von Shizophrenie.

Stattdessen wendet er sich noch einmal dem Alter des Angeklagten zu, argumentiert für eine Einordnung als Heranwachsender. Er habe Erfahrungen gemacht, die ein Erwachsenwerden verzögert hätten: das Aufwachsen im Iran oder in Afghanistan, die Flucht, Aussagen gegenüber seiner Pflegemutter in Freiburg und die Einnahme des Medikaments Risperdal, dessen Dosis verdoppelt werden müsste. Daher läge eine Reifeverzögerung vor.

Dann versuchte Glathe eine starke Alkoholisierung des Angeklagten in der Tatnacht zu belegen. Er sprach mehrere Zeugen an, die des Angeklagten Konsum von Drogen und Alkohol bestätigt hatten. Ein Zeuge hatte gar ausgesagt, dass sich Hussein K. auch betrunken gut kontrollieren könne, sodass man ihm den Konsum nicht direkt anmerke. Auch in der Tatnacht, als er in der Schwulenbar trank, sei er als stark alkoholisiert beschrieben worden, der Wirt habe ihm dann nichts mehr ausgeschenkt.

An der Dreisam sei Khavari dann wohl „weggedämmert oder eingeschlafen“ so dessen eigene Aussage dazu.. Auch das manuell ausgeführte Sexualdelikt sei ein Indiz auf eine Alkoholisierung, da er wegen einer Dysfunktion keinen Beischlaf ausführen konnte. Wäre er dazu in der Lage gewesen, hätte er nach Aussagen des Verteidigers dies nach dem Würgen getan.

Das Fließen der Dreisam könnte dann auch die Atemgeräusche übertönt haben. Außerdem führte der Verteidiger Gerichtsurteile an, wonach auch nach hoher Alkoholisierung noch grobmotorische Fähigkeiten durchführbar seien.

Allein zum Tatbestand des Mordes und der Mordmerkmale wollte sich der Verteidiger nicht äußern.

Jedoch wollte er die Tat in Griechenland als Raub sehen. Zudem müsse geklärt werden, ob ausländische Urteile zur Bewertung des Strafmaßes herangezogen werden können. Das Urteil biete keine Annahme einer sexuellen Motivation des Angeklagten. Dass die griechische Studentin dies heute anders sieht, sei egal. „Sie bewerte es nur anders“, so Glathe, es handele sich lediglich um eine andere Interpretation.

Der Angeklagte habe keine Reue gezeigt, warf die Staatsanwaltschaft vor. Dafür hatte der Anwalt kein Verständnis. Verständnis hatte er jedoch für den Angeklagten: „Der Angeklagte hat ein umfassendes Geständnis abgelegt.“ Und: „Möglicherweise war die Einlassung meines Mandaten von Selbstmitleid geprägt, das schließt aber nicht das Vorliegen von Reue aus.“

Dies sei möglicherweise durch die Haft-Erfahrungen geprägt: keinerlei Unterstützung, keine Kontakte nach außen.

Bei der Gesamtwürdigung komme ich zum Ergebnis, dass keine besondere Schwere der Schuld vorliegt.“

(Sebastian Glathe, Verteidiger von Hussein K.)

Und die Frage der anschließenden Sicherungsverwahrung? Nein, auch da sieht Glathe keinen Anlass. Zwar habe sich Gutachter Dr. Pleines „wesentlich zur Gefährlichkeit des Angeklagten geäußert“, jedoch müsse der Hang zu Straftaten von der Gefährlichkeit differenziert betrachtet werden.

Der Staatsanwaltschaft warf er vor: „Aus Ihrer Sicht, Herr Oberstaatsanwalt, ist auszuschließen, dass positive Wirkungen bei meinem Mandaten erreichbar sind.“ Das könne man jedoch nicht einfach ausschließen. In der wohl langen Haft sei ein Ziel des Strafvollzugs das Einwirken auf den Straftäter, seine Veränderung, auch mit der Sozialtherapie. Dies gelte auch für lebenslänglich Verurteilte und Sexualstraftäter.

Am Ende des Plädoyers erklärte der Anwalt, dass „eine Jugendstrafe in einem hohen Bereich festzustellen wäre“ oder alternativ eine „Freiheitsstrafe, ohne Feststellung der besonderen Schwere der Schuld und ohne Anordnung der Sicherungsverwahrung“.

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