Nach Pilotprojekt auf der A9: Automatisierte Kolonnen-Lkw sparen weniger Sprit als gedacht

Sie fahren auf Autobahnen mit einem Abstand von nur wenigen Metern, sollen den Güterverkehr effizienter machen und dabei noch den Beruf des Kraftfahrers aufwerten: Digital vernetzte Lkw-Kolonnen bergen nach Angaben der Beteiligten eines Pilotprojektes große Potenziale.
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LKWsFoto: iStock
Epoch Times10. Mai 2019

Digital vernetzte Lkw-Kolonnen auf deutschen Autobahnen bergen nach Angaben der Beteiligten eines Pilotprojektes große Potenziale. „Die Mobilität der Zukunft ist automatisiert und vernetzt“, erklärte Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU).

Mit dem Begriff Platooning sind Fahrzeugkolonnen gemeint, bei dem mindestens zwei Lkw auf der Autobahn mit Hilfe von technischen Fahrassistenz- und Steuersystemen in geringem Abstand hintereinander fahren können. Das führende Fahrzeug gibt dabei den Takt vor und steuert die nachfolgenden Trucks mit.

Platooning gilt als einer der Entwicklungsschritte auf dem Weg zu selbstfahrenden Lastwagen, die den Gütertransport auf der Straße günstiger und sicherer machen sollen. Das Verkehrsministerium fördert das Projekt mit fast 1,9 Millionen Euro.

Insgesamt ziehen die Projektpartner ein positives Testfazit. Praxisreif in Serie gehen könnte das Platooning nach Einschätzung von Alexander Doll, Bahn-Vorstand für Güterverkehr, Logistik und Finanzen, Mitte oder Ende der 2020er-Jahre.

Während des Tests im Jahr 2018

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Für den siebenmonatigen Praxistest fuhren Berufskraftfahrer in zwei digital gekoppelten Fahrzeugen auf der A9 in Bayern hin und her. Dabei legten sie insgesamt 35.000 Kilometer zurück. Forscher der Hochschule Fresenius, die ebenso wie der Lkw-Hersteller MAN und die Bahn-Logistiktochter DB Schenker an dem Projekt beteiligt waren, erhoben zudem zahlreiche Daten, etwa zu den Blickbewegungen und Hirnaktivitäten der Fahrer, die in einem Abstand von 15 bis 21 Metern fuhren.

Vor den Tests habe es bei den Fahrern zahlreiche Bedenken auch bezüglich der Sicherheit gegeben, berichtete Sabine Hammer von der Hochschule Fresenius. Die Fahrer sorgten sich demnach etwa um die Bremswege, die Gefahr von Hackerangriffen oder darum, dass sie langfristig durch die Automatisierung ersetzt werden könnten. Nach Abschluss des Tests sei das Ergebnis ungleich positiver gewesen – die Befragten lobten demnach auch das Sicherheitsempfinden.

Scheuer betonte, dem Fahrer komme eine „Schlüsselrolle“ zu. „Im Digital-Truck wird er zur modernen Logistikfachkraft“, erklärte er. Dadurch erhalte der Beruf „neue Zukunftsperspektiven“.

Automatisierte Kolonnen-Lkw sparen weniger Sprit als gedacht

Das Fahren mit automatisierten Kolonnen-Lkw spart neuen Testergebnissen zufolge weniger Kraftstoff als erwartet. Rund 3 bis 4 Prozent weniger Sprit verbrauchten Lkw unter den Testbedingungen beim sogenannten Platooning, wie der Lkw-Hersteller MAN in Berlin mitteilte. Erhofft hatte man sich eine Einsparung von rund 8 bis 10 Prozent.

In dem Test mit Diesel-Lkw verbrauchte der vordere Laster verglichen mit normal fahrenden Lkw 1,3 Prozent weniger Kraftstoff. Der folgende Lkw sparte wegen des Windschattens 3 bis 4 Prozent ein. Die Kolonne erzeuge insgesamt andere Windwirbel als ein einzelner Lkw und werde dadurch weniger abgebremst, erklärte ein MAN-Mitarbeiter.

MAN-Chef Joachim Drees glaubt aber, dass im Praxisbetrieb höhere Spriteinsparungen möglich sind. Im Test habe es Auflagen gegeben, die den Verbrauch erhöht hätten, etwa regelmäßiges Entkoppeln der Kolonne oder kein Einsatz bestimmter spritsparender Systeme. Außerdem sei die Teststrecke – die A 9 bei München und Nürnberg – sehr stark befahren.

Einmal pro 2000 Kilometer musste ein Fahrer aktiv eingreifen

Bahn-Finanzvorstand Alexander Doll verwies darauf, dass die Platooning-Technik großflächig im Logistiknetz eingesetzt werden könne. Etwa 40 Prozent der gefahrenen Kilometer im europäischen Transportnetzwerk von Schenker ließen sich grundsätzlich in Platoons durchführen. Hierfür seien allerdings noch weitere Tests und die entsprechenden gesetzlichen Rahmenbedingungen notwendig.

Der Test zeigte nach Angaben von MAN, dass das in den Lkw verbaute Platooning-System zu 98 Prozent reibungslos arbeitete. Nur einmal pro 2000 Kilometer musste demnach vom Fahrer aktiv eingegriffen werden – dies sei deutlich seltener als erwartet gewesen.

Kritik: Nach 15 Minuten wird es Fahrern langweilig

Im Platooning droht für die nachfolgenden Fahrer, dass sie nach 15 Minuten in ihrer Aufmerksamkeit nachlassen und „abschalten“, kritisieren Unfallforscher. Eine weitere Schwierigkeit besteht, wenn sich andere Fahrzeuge zwischen die Lkw – zumindest an Auffahrten der Autobahnen – einfädeln müssen. Damit kann das Signal abreißen.

Kritik äußerten die Grünen und die Allianz pro Schiene, die vor einer weiteren Verlagerung von Güterverkehr auf die Straße warnten. Es sei „sehr zweifelhaft, ob Lkw-Platooning tatsächlich dem Klimaschutz dient“, kritisierte der Geschäftsführer der Allianz pro Schiene, Dirk Flege, in der „Augsburger Allgemeinen“ vom Freitag.

Zudem stelle sich die Frage, ob das Lkw-Platooning bei den Autofahrern auf Akzeptanz stoße. „Für alle Pkw-Nutzer würde sich das Problem der Enge vor allem auf den Autobahnen weiter verschärfen“, mahnte er. Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte, die Bundesregierung solle besser dafür sorgen, dass der Güterverkehr auf der Schiene verdoppelt werden könne.

Bahn-Vorstand Doll betonte indes mit Blick auf den Schienengüterverkehr, dass es den „Platoon auf der Schiene schon seit 180 Jahren“ gebe. Es handele sich um „sich ergänzende Systeme“, die angesichts steigender Transportmengen nötig seien. (afp/dpa/ks)



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