Nachbarschaft mit Missklängen – BGH klärt Streit um laute Trompete

Musik entspannt und tut der Seele gut - aber sie geht an die Nerven, wenn man unfreiwillig beschallt wird. Ein Trompetenspieler aus Augsburg liegt mit seinen Nachbarn seit Jahren im Clinch.
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Zwei bis drei Stunden Musik am Tag sind Nachbarn bisher normalerweise zuzumuten, Was wird der BGH entscheiden?Foto: iStock
Epoch Times28. September 2018

Musik entspannt und tut der Seele gut – aber sie geht an die Nerven, wenn man unfreiwillig beschallt wird. Ein Trompetenspieler aus Augsburg liegt mit seinen Nachbarn seit Jahren im Clinch. Der Streit hat sich so hochgeschaukelt, dass ihn nun die obersten Zivilrichter am Karlsruher Bundesgerichtshof (BGH) lösen müssen. Verhandelt wird an diesem Freitag. (Az. V ZR 143/17)

Was ist passiert?

Der Mann ist Berufsmusiker und probt zu Hause. Zwei Stunden in der Woche kommen außerdem Schüler zum Unterricht. Die Nachbarn im Reihenhaus eine Tür weiter stört das Trompetenspiel – vor allem wenn Tonleitern geübt werden. Radiohören und Fernsehen sei in normaler Lautstärke nicht mehr möglich. Mit einer Schlichtung ließ sich der Streit nicht lösen. Die Nachbarn verklagten den Musiker.

Wie viel Hausmusik ist erlaubt?

Niemand muss auf das Musizieren daheim komplett verzichten. Für die Gerichte ist es „Bestandteil eines sozial üblichen Verhaltens“ und gehört zur grundgesetzlich geschützten Entfaltung der Persönlichkeit. Weil sich kaum ein Instrument in Zimmerlautstärke spielen lässt, müssen allerdings die Ruhezeiten eingehalten werden. In vielen Bundesländern geht die Nachtruhe von 22 bis 6 Uhr. Ruhezeiten stehen oft auch in der Hausordnung oder im Mietvertrag. Dort kann außerdem festgelegt sein, wie lange am Tag höchstens gespielt werden darf.

Wie stark darf das Musizieren eingeschränkt werden?

Der BGH hat 1998 entschieden, dass eine Ruhezeit von 20 bis 8 und von 12 bis 14 Uhr „ausreichend Freiräume zum Musizieren“ lässt. Maßgebend seien aber die „tatsächlichen Gegebenheiten“: Die Bewohner einer Seniorenwohnanlage brauchen in der Regel mehr Ruhe als das junge Paar in seiner Eigentumswohnung. Es kommt darauf an, wie hellhörig das Gebäude ist und wie laut die Umgebung und welche Art von Musik gemacht wird. Auch wenn es – wie hier im eigenen Reihenhaus – keine Vorgaben gibt: „Es gilt das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme“, erläutert Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund. „Das Recht, Musik zu spielen, muss so schonend wie möglich ausgeübt werden.“

Was bedeutet das?

Zwei bis drei Stunden Musik am Tag sind Nachbarn normalerweise zuzumuten. Gerichte haben einzelnen Spielern aber auch schon strengere Auflagen gemacht, zum Beispiel maximal eineinhalb Stunden für ein Akkordeon. Beschränkungen der Lautstärke durch die Hausordnung darf es laut BGH nur bei „nicht mehr hinnehmbaren Störungen“ wie Schlagzeug-Übungen oder Band-Proben geben. Der Konzertpianist genießt gegenüber dem Anfänger keine Privilegien – auf die Qualität der Musik kommt es nicht an. Einzelne Profis haben vor Gericht allerdings schon sehr lange Spielzeiten durchgesetzt.

Was, wenn es ernsthaft zum Streit kommt?

Lässt der Nachbar nicht mit sich reden, müssen Mieter den Vermieter einschalten. Ein Musiker, der es trotzdem weiter übertreibt, riskiert eine Abmahnung. Wird ein Mieter ständig durch Musik gestört, ist das ein Grund, die Miete zu mindern – der Musiker muss dann damit rechnen, dass der Vermieter Schadenersatz will. Zerstrittenen Haus- und Wohnungseigentümern helfen Schlichter oder Mediatoren dabei, eine für alle akzeptable Lösung zu finden. „Wir können nur raten, das außergerichtlich zu klären“, sagt Julia Wagner, Referentin für Recht beim Eigentümerverband Haus & Grund Deutschland. Wenn ein Gericht entscheide, habe immer einer das Nachsehen – manchmal sogar beide.

Wie liegen die Dinge im Augsburger Trompeten-Streit?

Das Landgericht hat dem Musiker nach einem Ortstermin Auflagen gemacht. Er darf nur noch in einem Übungsraum unterm Dach spielen und nicht mehr als zehn Stunden unter der Woche, also von Montag bis Freitag. Proben am Wochenende sind nur vor schwierigen Konzerten erlaubt. Schüler unterrichten darf er daheim nicht mehr. Den Nachbarn reicht das immer noch nicht, der Trompeter will sich nicht „in den Dachboden sperren“ lassen. Jetzt hat der BGH das letzte Wort. Ob das Urteil direkt am Freitag oder erst später verkündet wird, ist unklar.



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