Neue Studie der KKH: Starke Zunahme von Alkoholsucht

Gesundheitliche Kollateralschäden: Flucht in den Alkohol, besonders im Pandemie-Jahr 2021
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Symbolbild.Foto: Istock / Hartmut Kosig
Von 16. Dezember 2022

Die Zahl alkoholkranker Arbeitnehmer ist deutlich gestiegen. Das ergab eine Studie der Kaufmännischen Krankenkasse (KKH), die zehn Jahre lang von 2011 bis 2021 den Alkoholkonsum unter Angestellten untersuchte.

Hier das Desaster in nüchternen Zahlen: Im Zehn-Jahres-Vergleich sei die Zahl der KKH-versicherten Berufstätigen mit exzessivem Alkoholkonsum um rund ein Drittel (32 Prozent) gestiegen, in der Altersgruppe der 35- bis 39-Jährigen sogar um 88,5 Prozent.

Krankenstand höher denn je

Auch die Zunahme der Krankheitstage gebe Aufschluss über die aktuelle Entwicklung: Der Studie zufolge hat sich die Dauer der Krankheitstage alkoholkranker Beschäftigter im Jahr 2021 auf durchschnittlich 38 Tage erhöht. Das entspricht einer Steigerung um fast ein Viertel. Im Jahr 2018 und 2017 wurden im Schnitt 31 Krankheitstage gemeldet. Den höchsten Wert der vergangenen fünf Jahre verzeichnete die KKH im ersten Corona-Jahr mit fast 41 Krankheitstagen.

Ärzte diagnostizierten unter den 700.000 berufstätigen KKH-Versicherten im vergangenen Jahr rund 8.200 Patienten mit einer Alkoholsucht. Zudem trinke ein Drittel der Berufstätigen an mehreren Tagen pro Woche Alkohol, neun Prozent davon täglich.

Soweit zu dieser aktuellen Studie. Deren Umfrageergebnisse mögen sich erst einmal schockierend lesen ob der Steigerungen schwarz auf weiß. Aber Hand aufs Herz, oder besser etwas weiter rechts unten gleich auf die Leber, solche Zahlen überraschen wohl inzwischen niemanden mehr. Schon früh zeichneten sich diese Tendenzen in der Corona-Krise ab und Warnungen dazu gab es auch:

Psychiater und Psychologen schlugen bereits nach dem ersten Pandemie-Jahr Alarm wegen der Ergebnisse einer im Rahmen der pronova BKK (Zusammenschluss von Betriebskrankenkassen mit mehr als 650.000 Versicherten) im Oktober und November 2020 durchgeführten Befragung „Psychische Gesundheit in der Krise“.

Verlagerung des Problems nach Hause

154 Psychiater sowie Psychotherapeuten hatten an der Umfrage teilgenommen. Das Ergebnis: Sechs von zehn Therapeuten, also fast zwei Drittel, stellten bei ihren Patienten häufiger Alkoholprobleme fest als zuvor. Laut Studien-Ergebnis hatte sich das Trinken durch die Pandemie aus der Öffentlichkeit nach Zuhause verlagert.

Kollateralschaden von Lockdowns, Home-Office und Isolationspflicht?

Der Kummer wurde neben Alkohol und Nikotin oftmals auch mit Medikamenten betäubt, fassen die Experten der BKK provita zusammen. Auch der Konsum anderer Drogen wie Cannabinoide oder noch härteren Drogen wie Kokain oder Halluzinogene wurde von den psychologischen Fachkräften diagnostiziert. Und 73 Prozent rechneten schon zum Anfang der Pandemie damit, dass der Alkohol- und Drogenkonsum in den kommenden zwölf Monaten zunehmen wird.

„Eine erwartbare Folge der Krise“, kommentierte dazu Dr. Sabine Köhler, Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie in Jena. „Alkoholismus liegen häufig psychische Beschwerden wie Angsterkrankungen zugrunde. Zur Stressbewältigung greifen die Betroffenen zur Flasche.“

Gegen den Corona-Blues: „Nur einen winzigen Schluck“

Keine neue Erkenntnis: Gerade, wenn Sorgen, Einsamkeit oder Langeweile zunehmen, greifen immer mehr zur Flasche. Hinzukommt, dass die geläufigen Mittel der Stressbewältigung – Ausgehen oder Sport – oftmals wegfielen und die eine oder andere zusätzliche Verwerfung im Freundes- oder Familienkreis, das Auseinanderbrechen vieler Strukturen auch im privaten Bereich, viele zum tiefen Blick ins Glas im einsamen Kämmerlein bewegt haben mögen.

Deutschland Weltmeister im Lockdown-Schöntrinken

Eine Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) aus dem Jahr 2021 belegt, dass Deutschland einen Spitzenplatz beim Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol einnimmt. Laut des Reports gaben 43 Prozent der Befragten in elf OECD-Ländern während des ersten Lockdowns an, häufiger zu trinken als noch vor der Krise. Nur 26 Prozent gaben hier an, seltener zu trinken. Den höchsten Zuwachs gab es bei Frauen, Eltern von Kleinkindern, Besserverdienenden sowie Personen mit Angstzuständen und Depressionssymptomen.

Weltweite Corona-Flucht in den Alkohol

„Noch ein Corona gegen den Corona-Blues“ ist kein rein deutsches Phänomen, auch wenn wir hier Spitzenreiter sind.

Auch weltweit hat laut Global Drug Survey der Alkoholkonsum in der Pandemie signifikant zugenommen. Für die internationale Studie wurden im Mai und Juni 2020 insgesamt 58.811 Personen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Irland, Österreich, in den Niederlanden, der Schweiz, Australien, Neuseeland, Brasilien und in den USA befragt. Davon gaben 43 Prozent an, häufiger Alkohol getrunken zu haben und 36 Prozent gaben an, mehr Alkohol konsumiert zu haben.

Billiger Bölkstoff: Negativer Krisenverstärker oder Retter in der Not?

Jedenfalls ist hier in Deutschland für die auf den Geschmack gekommenen für vergleichsweise günstigen Nachschub gesorgt. Während sich laut Statistischem Bundesamt die Lebensmittelpreise für Obst, Gemüse und alkoholfreie Getränke im November 2022 um durchschnittlich 20 Prozent zum Vorjahresmonat (November 2021) steigerten, haben sich die Preise für Alkohol und Tabakwaren in diesem Zeitraum „nur“ um durchschnittlich 6,7 Prozent erhöht.

7,9 Millionen Menschen der 18- bis 64-jährigen Bevölkerung in Deutschland konsumieren Alkohol in gesundheitlich riskanter Form, schreibt das Bundesgesundheitsministerium auf seiner Seite. Ein problematischer Alkoholkonsum liegt bei etwa 9 Millionen Personen dieser Altersgruppe vor (ESA 2021).

Zu den vielen Bereichen, die im Zusammenhang mit Corona über die Bevölkerung verhängten Maßnahmen aufgearbeitet werden müssen, werden diese gesundheitspsychologischen Aspekte und ihre Auswirkungen gehören. Denn auch die lassen sich nicht schöntrinken.



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