Neue Zürcher Zeitung: Die vergiftete Saat der Flüchtlingskrise

„Die Versäumnisse der Vergangenheit rächen sich mit Verzögerung. Extreme Ereignisse wie die Flüchtlingskrise ziehen extreme Reaktionen nach sich, manchmal erst nach Jahren." NZZ-Kommentator Eric Gujer analysiert einen rauer gewordenen Ton und eine härter gewordene Politik in Deutschland.
Titelbild
Menschen schwenken im Flüchtlingslager in Idomeni an der Grenze zwischen Griechenland und Mazedonien eine Deutschlandfahne und rufen dabei "Mama Merkel".Foto: Kay Nietfeld/dpa
Epoch Times25. Juli 2018

Die Politik ist härter geworden, der Ton rauer. So zumindest empfindet der Schweizer Kommentator Eric Gujer die aktuelle Situation in Deutschland. Unter dem Titel „Die vergiftete Saat der Flüchtlingskrise“ stellt er fest, dass die Zahl der Asylbewerber in Deutschland zwar abnehme, die Polarisierung der Gesellschaft jedoch zunehme.

Als Beispiel führt er die Abschiebung des Islamisten Sami A. an, wobei Seehofer die Richter seiner Meinung nach ausmanövriert habe. Geschehe das zu oft, werde die Justiz bald Spielball von Politik und Verwaltung.

Das zweite Beispiel befasst sich mit dem auflebenden Journalisten-Bashing in Deutschland. Da musste eine Redakteurin der „Zeit“ einen Shitstorm über sich ergehen lassen, weil sie die Hilfsorganisationen vor der Küste Libyens als Teil des Schleppergeschäfts bezeichnete.

Diese beiden Fälle würden laut dem NZZ-Autor zeigen, „wohin sich Deutschland mit seiner unbedachten Entscheidung, Neuankömmlinge an der Grenze zu Österreich unkontrolliert ins Land zu lassen, manövriert hat.“ Die Propheten der Willkommenskultur würden nicht wahrhaben wollen, dass eine solche Völkerwanderung Folgen für die Gesellschaft haben würde, die weit über die Frage hinausgehe, wie man eine Million Menschen unterbringen und verköstigen solle, so Gujer.

Da sei zudem das Beispiel von Uwe Tellkamp, der mit seinem Kollegen öffentlich und  ohne jegliche Provokation über Migration diskutierte und vor Überfremdung warnte. Sofort geriet er ins „Fadenkreuz selbsternannter Sittenwächter“, der Begriff Shitstorm sei in diesem Fall noch verharmlosend. Die Debattenkultur leide im Allgemeinen, geduldiges Zuhören und Respekt für die abweichende Meinung seien heute Mangelware.

Gujer sieht das alles als Folge der unkontrollierten Grenzöffnung 2015. Er schreibt:

Da die Bundesregierung 2015 blind gegenüber den Folgen ihres Tuns war, muss sie nun heute umso härter reagieren, um Glaubwürdigkeit und Zustimmung bei den Wählern wiederherzustellen. Asylpolitische Softies von einst haben sich längst in Hardliner verwandelt.“

Die Gemütlichkeit einer fast „stillgelegten Republik“ sei vorbei, inzwischen erodiere sogar das Parteiensystem, fährt Gujer fort. Die Stabilität desselben sei stets ein Pluspunkt in der Bundesrepublik gewesen, und am liebsten würde man immer noch glauben wollen, „dass Kontinuität und politische Vernunft zum unveräusserlichen Kernbestand des deutschen Modells gehören.“ Die Realität sieht anders aus.

Gujer:

Die Versäumnisse der Vergangenheit rächen sich mit Verzögerung. Extreme Ereignisse wie die Flüchtlingskrise ziehen extreme Reaktionen nach sich, manchmal erst nach Jahren.“

Mit einer Gesellschaft verhalte es sich nicht anders als mit einem Organismus, wo Krankheiten manchmal eine lange Inkubationszeit hätten, bis sie ausbrechen würden. Was 2015 ins Werk gesetzt worden sei, habe sich längst verselbständigt und die Zauberlehrlinge würden allmählich begreifen, „welche Geister sie gerufen haben“, so Gujer.

(mcd)

Dieser Beitrag stellt ausschließlich die Meinung des Verfassers dar. Er muss nicht zwangsläufig die Sichtweise der Epoch Times Deutschland wiedergeben.


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