Niedersachsen: Angespannte Personalsituation im öffentlichen Dienst – Gewalt gegen Beamte nimmt zu

In den nächsten sechs Jahren geht knapp ein Drittel der derzeitigen Beamten Niedersachsens in den Ruhestand. Der Beamtenbund stellt daher gemeinsam mit dem Richterbund drei zentrale Forderungen an die Landespolitik.
Titelbild
Ein gewalttätiger Demonstrant schlägt einen Polizeibeamten nieder. Immer wieder werden Polizisten, Feuerwehrmänner und Sanitäter bei ihren Einsätzen attackiert.Foto: Carsten Rehder/Archiv/dpa
Von 14. Februar 2020

Der Beamtenbund und der Richterbund Niedersachsens erwarten von ihrer Landesregierung mehr Initiativen zu Neueinstellungen im Öffentlichen Dienst. Die Personalsituation sei sehr angespannt und die Gewaltbereitschaft gegenüber den Angestellten des öffentlichen Dienstes nähme zu. Die Verbände forderten daher am 12. Februar, mehr Beamte zu gewinnen. In den nächsten sechs Jahren gehen nach Angaben des Niedersächsischen Beamtenbundes (NBB) knapp ein Drittel der aktuell ca. 170.000 Beamtinnen und Beamten in den Ruhestand.

Daher müssen in den kommenden fünf Jahren etwa 45.000 Beamtinnen und Beamte für den öffentlichen Dienst gewonnen werden, um den Personalverlust auszugleichen. Auf Bundesebene geht man derzeit sogar von etwa 300.000 benötigten Mitarbeitern aus.

Ruhestand bedeutet Verlust von Fachwissen

Mit dem Ausscheiden der Beamten ist ein erheblicher Verlust von Fachwissen in allen Bereichen und Ressorts verbunden. Die Voraussetzungen für eine Neubesetzung der offenen Stellen mit geeigneten Nachwuchskräften sieht derzeit schlecht aus. Dies gilt auch im Bereich der Justiz.

Ein anderes Thema ist die Besoldung, die sich nachteilig auf die Nachwuchsgewinnung auswirkt. Besonders eklatant sei, nach Einschätzung des NBB, die Situation in den unteren und mittleren Einkommensbereichen, insbesondere in den Besoldungsgruppen zwischen A 6 und A 11. Hier nimmt Niedersachsen im Bund-Länder-Vergleich nahezu durchgängig einen der hintersten Plätze ein.

Hintergrund dafür sei die Entwicklung der Besoldung der vergangenen Jahre in Niedersachsen. Urlaubs- und Weihnachtsgeldes fielen weg, es gab zwei Nullrunden für den öffentlichen Dienst.

Laut NBB spart der niedersächsische Landeshaushalt seit dem Wegfall der Sonderbezüge ungefähr 700 Mio. Euro Personalkosten pro Jahr ein. Der NBB will das nicht hinnehmen und sagt: „Niedersachsen könnte angesichts einer insgesamt guten finanziellen Situation hier was ändern.“

Beamtenbund und Richterbund stellen drei zentrale Forderungen an die Landespolitik

Der NBB und der Niedersächsische Richterbund (NRB) stellen im Zusammenhang mit der wachsenden Gewaltbereitschaft drei zentrale Forderungen an die Landespolitik:

  1. Die Situation in den Dienststellen muss deutlich und nachhaltig zum Schutze der Beschäftigten verbessert werden. Denkbar wären hier Zugangskontrollen, bessere Alarmsysteme und Notfallpläne.
  2. Straftaten müssen konsequent strafrechtlich verfolgt werden. Straftaten gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes sollen grundsätzlich nicht aufgrund mangelnden öffentlichen Interesses eingestellt werden.
  3. Einführung eines landesweiten und optional auch bundesweiten Melderegisters für die Begehung derartiger Straftaten. Die Landesregierung wird aufgefordert, beispielsweise durch Schaffung einer Regierungskommission, die notwendigen rechtlichen Schritte einzuleiten, um das Dunkelfeld dieser Straftaten aufzuhellen und durch Bildung einer zentralen Stelle auf Attacken gegen Beschäftigte des öffentlichen Dienstes zu reagieren.

Beamten- und Richterbund rufen die Landesregierung zu geschlossenem Handeln auf

NBB und NRB rufen die Landesregierung zu einem gemeinsamen und geschlossenen Handeln im Interesse aller Beschäftigten des öffentlichen Dienstes auf. Sie regen die Bildung einer Regierungskommission zu den Problemstellungen an.

Erste Gespräche mit Vertretern der Landesregierung und der Fraktionen zu dieser Forderung hätten bereits in eine vielversprechende Richtung gezeigt, berichten beide Vereinigungen.

Insbesondere Beschäftigte in der Steuer- und Kommunalverwaltung, den Agenturen für Arbeit und den Sozialversicherungsbereichen berichten von Respektlosigkeiten und Beleidigungen. Auch tätliche Angriffe kommen vor.

Häufig würden selbst besonders intensive Sachverhalte nicht angezeigt. Deshalb sei es wichtig, dass es nach einem relevanten Vorkommnis zur Erstattung einer Strafanzeige kommt, so der Hessische Beamtenbund.

CDU-Politiker: „Hemmschwelle für Beleidigungen und Gewaltandrohungen sinkt landesweit“

Zu den Forderungen des Niedersächsischen Beamten Bundes (NBB) erklärt der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Landtagsfraktion Uwe Schünemann:

Angesichts zunehmender Gewalt gegen Amtsträger, Einsatzkräfte und Ehrenamtliche in Niedersachsen hat auf Initiative der CDU-Landtagsfraktion der niedersächsische Landtag bereits im letzten Jahr einen 5-Punkte-Plan gegen Beleidigungen, Drohungen, Hass und Gewalt auf den Weg gebracht.“

In einem Entschließungsantrag der Regierungsfraktionen forderten diese die Landesregierung unter anderem auf, Straftaten konsequent zu verfolgen, die Einführung eines Opferbeauftragten zu prüfen und die gewaltverhindernden Potenziale organisatorischer wie baulicher Maßnahmen in Behörden zu untersuchen. Schünemann sagt:

Die Hemmschwelle für Beleidigungen und Gewaltandrohungen sinkt landesweit. Ob Bürgermeister, Feuerwehrleute, Rettungssanitäter, Vereinsvorsitzende oder Menschen, die sich bei der Tafel engagieren. All diesen Menschen müssen wir den Rücken stärken und gemeinsam mit Ihnen zusammen Hass und Hetze entschlossen entgegentreten.“

Die CDU-Landtagsfraktion hatte bei ihrer Klausurtagung im letzten Jahr bereits die Schaffung einer Sonderlaufbahn für IT- und technische Berufe gefordert. Zusätzlich sollten 500 Beförderungsmöglichkeiten in der Finanzverwaltung eingerichtet werden. Und im Justizvollzug und in der Polizeiverwaltung sollte eine Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf geschaffen werden. Zusätzlich fordert man eine Reihe von Qualifizierungs- und Gesundheitsmaßnahmen für die Angestellten. Davon seien die ersten Maßnahmen bereits angelaufen, so Schünemann.

Grünen-Politiker: „Sparen der Landesregierung hat fatale Folgen“

Für Christian Meyer, Fraktionsvize von Bündnis 90/Die Grünen und Sprecher für Verwaltungsreform, hat das Sparen der Landesregierung schwerwiegende Folgen nach sich gezogen.

„Der öffentliche Dienst in Niedersachsen liegt im Ländervergleich weiterhin gerade bei den unteren Besoldungsgruppen im öffentlichen Dienst weit hinten und ist deshalb unattraktiv. Das Sparen der Landesregierung bei Lehrern, Polizisten, Erzieherinnen, Feuerwehrleuten und anderen öffentlich Bediensteten hat fatale Folgen: Es fehlt an Nachwuchs, auch weil viele in attraktivere Bundesländer abwandern.“

Eine Maßnahme wäre ein deutlich höheres Weihnachtsgeld gerade für niedrige und mittlere Einkommen. Dafür hätte man bereits einen Antrag vorgelegt, der allerdings abgelehnt worden wäre. Das wäre eine wichtige Wertschätzung für die geleistete Arbeit und auch ein Schritt gegen den Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst.

Völlig untragbar wären für den Grünen-Politiker die Angriffe auf die Beschäftigten im öffentlichen Dienst.

Hetze und Bedrohungen zu bekämpfen, ist eine gemeinsame Aufgabe aller demokratischen Kräfte im Landtag.“

Der Niedersächsische Beamtenbund zählt rund 70.000 Mitgliedern, ausschließlich aus dem öffentlichen Dienst und den privatisierten Dienstleistungsbereichen. Er wird bei wichtigen Entscheidungen für den öffentlichen Dienst in Niedersachsen eingebunden. Dem Niedersächsischen Richterbund gehörten 2017 insgesamt 1.708 Richter und Staatsanwälte, davon 340 Pensionäre an.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion