Nur Beate Zschäpes Finger verraten ihre Anspannung bei der Urteilsverkündung

Beate Zschäpe sitzt starr auf ihrem Stuhl. Der Rücken gerade, das Gesicht reglos. Alleine ihre Finger verraten, dass die gerade verhängte Höchststrafe sie getroffen haben muss.
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Die Angeklagte Beate Zschäpe im Gerichtssaal im Oberlandesgericht in München.Foto: Peter Kneffel/dpa
Epoch Times11. Juli 2018

Beate Zschäpe sitzt starr auf ihrem Stuhl. Der Rücken gerade, das Gesicht reglos. Alleine ihre Finger verraten, dass die gerade von Richter Manfred Götzl verhängte Höchststrafe sie getroffen haben muss. Fest verschränkt, fast verkrampft hält Zschäpe ihre Hände gefaltet zusammen, ihre Daumen bearbeiten die Handgelenke. Erhält Götzls Urteil Rechtskraft, wird die 43-Jährige wohl erst ab dem Jahr 2030 auf eine Rückkehr in Freiheit hoffen können.

In dem mehr als fünf Jahre dauernden NSU-Prozess gab es wenig Zweifel, dass Richter Götzl die Angeklagte nach der Forderung der Bundesanwaltschaft verurteilen wird. Tatsächlich verurteilt Götzl sie wie angeklagt als zehnfache Mörderin, außerdem wegen der Bombenanschläge und Raubüberfälle des NSU noch in einer Vielzahl von Fällen wegen versuchten Mordes, Körperverletzungsdelikten sowie Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung.

Haarklein erzählt der im Prozess stets äußerst sachkundig, für manche penibel aufgetretene Götzl die Geschichte des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU). Angefangen in den Jahren nach der Wende in Jena, wo Zschäpe auf Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos traf.

Mundlos und Böhnhardt hätten offen rechtsextreme Positionen vertreten, beide Männer trugen etwa SA-Uniformen nachempfundene Anzüge, so berichtet der Richter. „Die Angeklagte Zschäpe übernahm die rechtsradikalen Ansichten ihres Umfelds.“

Ab 1996 habe sich das Trio dann entschieden, dass ihnen Propagandadelikte wie das Aufhängen einer von Zschäpe genähten Puppe mit Judenstern an einer Autobahnbrücke nicht mehr ausreichten.

Schon im Jahr 1998 sei dies nach dem Untertauchen des Trios durch den ersten bewaffneten Raubüberfall erkennbar geworden. Im Jahr 2000 folgte dann der Mord am Nürnberger Blumenhändler Enver Simsek aus fremdenfeindlichen Motiven – der Beginn der Mordserie des NSU.

Zschäpe gab im Prozess an, immer stets im Nachhinein von den von den Männern verübten zehn Morden informiert worden zu sein. Götzl glaubt ihr das nicht. Sie „töteten im bewussten und gewollten Zusammenwirken“, sagt der Richter über jede einzelne Mordtat und meint damit Zschäpe und die beiden Männer.

Manchen Juristen galt es im Vorfeld als gewagt, Zschäpe als Mittäterin zu verurteilen, da sie an keinem der Tatorte der Morde war – der Richter sieht dies anders.

Umgehend kündigen die Verteidiger von Zschäpe Revision an – „das Urteil ist falsch. Die Verurteilung wegen Mittäterschaft ist juristisch nicht haltbar“, sagt ihr Vertrauensverteidiger Mathias Grasel.

Von den Hinterbliebenen der Mordopfer zeigt Gamze Kubasik, die Tochter des 2006 in Dortmund von Böhnhardt und Mundlos erschossenen Mehmet Kubasik, gemischte Gefühle. „Mein Vater wird dadurch nicht wieder lebendig“, sagt Kubasik über das Urteil „Aber es ist ein erster und sehr wichtiger Schritt.“

Die Angehörige hofft nun darauf, dass die Bundesanwaltschaft die weiteren NSU-Helfer ermittelt. Allerdings verrät das Urteil auch die engen Grenzen der Strafbarkeit möglicher Helfer. Der Richter bleibt bei drei von vier Helfern zum Teil deutlich unter der Strafmaßforderung der Bundesanwaltschaft.

Dies sorgt zu Beginn der Urteilsverkündung ausgerechnet unter einer Gruppe Rechtsradikaler für Jubel. So kann der frühere NPD-Funktionär Ralf Wohlleben, der wegen des Beschaffens der Tatwaffe für die Morde an neun Migranten, zehn Jahre Haft erhält, auf seine baldige Freilassung hoffen.

Wohlleben sitzt schon über sechseinhalb Jahre in Untersuchungshaft – an der Seite seiner Frau lächelt er nach dem Urteil zufrieden in Richtung seiner Neonazi-Freunde auf der Besuchertribüne.

Noch deutlicher zeigt André E. seine Freude. Für ihn hatte die Bundesanwaltschaft ebenso wie für Wohlleben zwölf Jahre Haft gefordert – doch das Gericht verurteilt ihn nur zu zweieinhalb Jahren.

Dass das NSU-Urteil bei den Angehörigen für neuen Schmerz sorgt, zeigt Ismael Yozgat. Der Vater des Kasseler NSU-Opfers Halit Yozgat steht plötzlich unvermittelt während der Urteilsbegründung auf und schreit seine Trauer und Wut in den Saal – erst als ihm der Richter droht, ihn des Saals zu verweisen, beruhigt er sich wieder. (afp)



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