Ohne Berlin erzielen 71,2 Prozent der Ostdeutschen deutlich weniger Einkommen als der Bundesdurchschnitt

Die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage des AfD-Abgeordneten René Springer machte deutlich, dass die Unterschiede in den Lebensverhältnissen zwischen Ost und West immer noch gravierend sind. Vor allem im Rentenalter wird sich dies in drastischer Weise auswirken.
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Abwanderung und geringe Geburtenzahlen machen vor allem dem Osten Deutschlands zu schaffen.Foto: Stefan Sauer/dpa
Von 5. März 2019

Von einer Angleichung der Lebensverhältnisse zwischen West- und Ostdeutschland kann mit Blick auf die aktuellen Einkommen und das zukünftige Rentenniveau auch fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung keine Rede sein. Dies ist das Fazit, das der Abgeordnete René Springer aus der Beantwortung seiner Kleinen Anfrage zu Drucksache 19/07630 zieht. Er wurde über die Brandenburger Landesliste der AfD in den Bundestag gewählt.

Springer, der Mitglied im Ausschuss Arbeit und Soziales ist, rechnet damit, dass ein erheblicher Anteil der heute in sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnissen stehenden Ostdeutschen im Alter mit einer Rente auskommen müssen, die das Grundsicherungsniveau nicht übersteigt.

Kein einziges DAX-Unternehmen aus dem Osten, nur eines aus dem MDAX

Im Jahr 2017, so zitiert Springer die Antwort der Bundesregierung zur Schriftlichen Frage unter der Arbeitsnummer 300, sei der durchschnittliche Bruttobedarf von Grundsicherungsempfängern im Alter, die außerhalb von Einrichtungen leben, zum Jahresende mit 814 Euro veranschlagt worden. Um nach 45 Jahren versicherungspflichtiger Beschäftigung eine Nettorente in dieser Höhe zu erreichen, wären 0,6551 Entgeltpunkte pro Jahr nötig. Bezogen auf die Werte des Jahres 2017 würde dies versicherungspflichtigem Jahresentgelt in Höhe von 24 289 Euro entsprechen.

Bezogen auf die durchschnittlichen Einkommenshöhen nach Berufsgruppen bedeute dies, so Springer:

„In Hinblick auf die Grundsicherung im Alter zeigt sich, dass in den neuen Bundesländern sieben Berufsgruppen und in den alten Bundesländern lediglich eine Berufsgruppe im Mittel unter dem Entgelt von 2.024 Euro im Monat liegen bzw. liegt. Damit haben diese Berufsgruppen eine Rentenerwartung auf Grundsicherungsniveau.“

Nicht berücksichtigt sind in dieser Betrachtung mögliche weitere Einkommensquellen im Alter und der jeweilige Haushaltskontext. Legt man allerdings für 45 Arbeitsjahre eine gleichbleibende Entgeltposition von jährlich 8576 Euro zugrunde, ergab sich zum 1. Juli 2018 eine Rentenanwartschaft von monatlich 333 Euro, bei 18 339 lag sie bei 713.

Die bitteren Aussichten mit Blick auf das spätere Rentenniveau sind eine Konsequenz aus den weit auseinanderklaffenden Einkommensverhältnissen. Nach wie vor seien es vor allem kleinere und mittlere Unternehmen, die im Osten ihren Sitz hätten. Kein einziger DAX-Konzern und nur ein MDAX-Unternehmen hätten ihren Hauptsitz außerhalb Westdeutschlands.

Mehr als 1000 Euro Unterschied zwischen Ost-Bundesländern und Hamburg

Das mit 2494 Euro Bruttomonatsgehalt höchste Medianeinkommen der neuen Bundesländer, über das zum Stichtag 31.12.2017 Sachsen-Anhalt verfügte, liegt immer noch um 464 Euro unterhalb des niedrigsten Medianeinkommens eines westlichen Bundeslandes – in diesem Fall Schleswig-Holsteins. Das durchschnittliche Monatsgehalt eines sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Mecklenburg-Vorpommern, als dem Land mit der geringsten Einkommenshöhe, liegt mit 2391 Euro gar um 1228 Euro hinter Spitzenreiter Hamburg.

Für Springer machen diese Zahlen deutlich:

„Fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung liegt das erzielte Einkommen im Osten 22 Prozent und damit fast ein Viertel unter dem Westniveau. Es kann nicht sein, dass Vollzeitbeschäftigte in allen ostdeutschen Bundesländern im Mittel 1000 Euro weniger verdienen als in Hessen oder Hamburg.“

Dass der Osten beim Einkommen abgehängt sei, lasse sich angesichts dieser Zahlen nicht mehr von der Hand weisen. Man dürfe sich nicht wundern, dass die Unzufriedenheit mit der Berliner Politik im Osten am größten sei.

Insbesondere für Hilfskräfte sei es schwierig, angesichts ihres Einkommensniveaus (Ost: 1848, West: 2262) jenes Niveau zu erreichen, das erforderlich wäre, um sich eine Rente oberhalb der Grundsicherungsgrenze zu sichern. Dies gelte insbesondere vor dem Hintergrund, dass Ende Juni 2018 allein 44 Prozent der 4,74 Millionen ausschließlich geringfügig Beschäftigten als Helfer angestellt waren. Deutlich geringer waren die Anteile der Fachkräfte, Spezialisten und Experten, die auf diese Beschäftigungsform zurückgriffen.

Branchenmäßig werden die niedrigsten Einkommen im Reinigungsdienst (Bundesmedian 1861 Euro) und Hotel und Gastgewerbe (1961) erzielt, die höchsten in den Bereichen Technische Entwicklung/Konstruktion/Produktsteuerung (4846) und Informatik (4926).

Massenabwanderung mittlerweile gestoppt

Das gesamtdeutsche Medianentgelt aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten lag zum Stichtag 31.12.2017 bei 3209 Euro. Differenziert nach Anforderungsniveau lag das Einkommen bei Helfern bei 2177 Euro (Ost: 1848, West: 2262), Fachkräften bei 2965 Euro (Ost: 2375, West: 3098), Spezialisten bei 4210 (Ost: 3316, West: 4407) und Experten bei 5302 Euro (Ost: 4482, West 5540). Die Differenz zwischen Helfern und Experten somit bei 3125 Euro (Ost: 2634, West 3278) und damit fast dem Zweieinhalbfachen.

Gegenüber den alten Bundesländern verdienen die Arbeitnehmer in den neuen Bundesländern über alle Anforderungsniveaus betrachtet somit deutlich weniger (Helfer -414 Euro, Fachkraft -723 Euro, Spezialist -1091 Euro, Experte -1058 Euro). Insbesondere im Bereich der „Spezialisten“, also im besonders hochqualifizierten Arbeitnehmerbereich, wird, wie aus den Daten der Bundesregierung hervorgeht, in den neuen Bundesländern mehr als ein Fünftel (-21,2 Prozent) weniger als der Bundesmedian bzw. ein Viertel (24,8 Prozent) weniger als in den alten Bundesländern verdient.

Klammert man Berlin aus, erzielen sogar 71,2 Prozent der Ostdeutschen ein Einkommen unterhalb des Bundesmedians, unterstreicht Springer, der die ostdeutschen Verdienstsummen ohnehin bereits beinhalte und dadurch gedrückt wird.

In der Zeit zwischen 1991 und 2013 waren etwa 1,8 Millionen Menschen von Ostdeutschland in den Westen abgewandert. Einzelne strukturschwache Regionen verloren in diesem Zeitraum bis zu 40 Prozent ihrer Einwohnerzahl. Seit 2016 ist dieser Trend Erhebungen des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung zufolge gestoppt und mittlerweile fällt der innerdeutsche Wanderungssaldo sogar zu Gunsten des Ostens aus. Allerdings profitieren hauptsächlich ostdeutsche Großstädte davon. In ländlichen Regionen ist von dem Trend noch wenig zu bemerken.



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