Oppermann: Abstimmung über Wahlrechtsreform sollte ohne „Fraktionszwang“ erfolgen

Im Bemühen den deutschen Bundestag nicht noch weiter zu vergrößern muss der Bundestag rasch handeln, wenn eine Wahlrechtsreform noch vor den kommenden Wahlen Gesetzeskraft erlangen soll. Auch vom "Fraktionszwang" der verfassungsrechtlich bedenklich ist, wollen viele Politiker dabei absehen.
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Sie haben zwei Stimmen: Was danach kommt ist höhere Mathematik. Durch zahlreiche Überhangs- und Ausgleichsmandate wird der Bundestag immer größer.Foto: Patrick Pleul/dpa
Epoch Times31. Januar 2020

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) bringt im festgefahrenen Streit um die Wahlrechtsreform eine Abstimmung ohne Fraktionszwang ins Spiel, um ein weiteres Aufblähen des Bundestags zu verhindern. „Wenn die Groko keinen eigenen Vorschlag für eine Obergrenze macht, muss die Abstimmung freigegeben werden“, sagte Oppermann dem „Spiegel“. Oppositionspolitiker unterstützen diesen Ansatz.

Für eine Reform des Wahlrechts noch vor der nächsten Bundestagswahl wird die Zeit knapp. Seit Monaten ringen die Fraktionen vergeblich um eine Reform, die eine weitere Vergrößerung des Bundestags nach der nächsten Wahl bremsen soll. Aktuell hat das Parlament 709 Mitglieder, die Regelgröße liegt bei 598 Mandaten.

Oppermann kündigte an, bei einer Freigabe der Abstimmung über verschiedene Reformansätze möglicherweise gegen die eigene Fraktion zu stimmen. „Ich behalte mir vor, dann für den Antrag der Opposition zu stimmen“, sagte der SPD-Politiker dem „Spiegel“.

Kompromissfähige Vorschläge gesucht

Von deren Vertretern kommt Unterstützung für eine Abstimmung ohne Fraktionszwang. „Der Vorstoß von Bundestagsvizepräsident Oppermann ist mutig und vernünftig“, sagte FDP-Wahlrechtsexperte Stefan Ruppert der Nachrichtenagentur AFP. „Da es keinen eigenen Vorschlag von Union und SPD gibt und weiter blockiert wird, wäre das eine gute Lösung.“

„Falls es zwischen den Fraktionen keine Verständigung gibt, steht der Weg offen, dass Abgeordnete über Fraktionsgrenzen hinweg Gruppenanträge initiieren“, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann dem „Spiegel“. Auch der Justiziar der Linksfraktion, Friedrich Straetmanns, findet die Idee „charmant“: „Wenn es dem Guten dient, warum nicht?“

Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus kritisierte im „Spiegel“ eine fehlende Kompromissbereitschaft der Fraktionen. „Ich finde es sehr bemerkenswert, wie da jeder nur um seine Interessen kämpft“, sagte der CDU-Politiker. Die eigene Fraktion nahm er von Kritik nicht aus: „Wir werden im Bundestag nur eine echte Lösung finden, wenn alle ein Stück weit verzichten und wenn wir mutig sind.“

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe vom Freitag, er werbe „intensiv für guten Willen auf allen Seiten“, um die „gegenseitige Blockade“ aufzulösen. „Zumindest in der CDU wächst die Einsicht, dass man aufeinander zugehen muss.“

Komplexes Rechenverfahren zur Wahrung von Stimmenverhältnissen

Grund für den übergroßen Bundestag sind Überhang- und Ausgleichsmandate. Überhangmandate entstehen, wenn eine Partei mehr Direktkandidaten in den Bundestag bringt, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis eigentlich zustehen würden. Damit die Überhangmandate das Zweitstimmenergebnis nicht verzerren, bekommen die anderen Parteien dafür Ausgleichsmandate.

FDP, Grüne und Linke hatten im Oktober einen gemeinsamen Reformvorschlag vorgestellt. Sie schlugen unter anderem vor, die Zahl der Wahlkreise von 299 auf 250 zu verringern, konnten aber die Koalitionsfraktionen nicht von dem Konzept überzeugen.

Ende Dezember hatte eine Gruppe von Unionsabgeordneten einen Reformvorschlag vorgelegt, der insbesondere den Erststimmen mehr Gewicht verleihen würde, mit denen die Direktkandidaten in den Wahlkreisen gewählt werden. Da die Union traditionell besonders viele Direktmandate holt, wäre diese Regelung für sie vorteilhaft – bei der Opposition fiel der Vorschlag durch.

Ein Vorschlag der die vollkommen separate Berücksichtigung von Direkt- und Listenstimmen ins Spiel bringt ist, nach vorliegenden Informationen, nicht bekannt. Dies würde für die Direktmandate das Mehrheitswahlrecht wie bisher festschreiben und die Listenstimmen davon komplett entkoppeln. Strikt angewendet könnte ein solches Verfahren zur Einhaltung der eigentlich vorgesehenen zahl von 598 Abgeordneten führen.(afp/al)

 



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