Politiker zu Wahl von Brinkhaus: „Aufstand gegen Merkel“ – Merkel ist „massiv geschwächt“ – Politisches Erdbeben

Die Unionsfraktion ist traditionell die Machtbasis jeder Kanzlerschaft – und gerade die haben die Kritiker von Merkel erobert. Dass sich der Anti-Merkel-Flügel so klar durchgesetzt habe, sei ein Alarmzeichen für die Unionsführung und werde lange Nachwirkungen haben.
Epoch Times25. September 2018

Bundestagsvizepräsident Thomas Oppermann (SPD) sieht die Wahl von Ralph Brinkhaus (CDU) zum neuen Chef der Unionsfraktion im Bundestag als Schlappe für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). „Das ist ein Aufstand gegen Merkel“, erklärte Oppermann am Dienstag im Kurzbotschaftendienst Twitter.

Brinkhaus war zuvor zum Nachfolger des von Merkel unterstützten bisherigen Fraktionschefs Volker Kauder (CDU) gewählt worden. Der seit 13 Jahren amtierende Kauder musste sich erstmals einem Herausforderer stellen. Brinkhaus bekam 125 Stimmen, Kauder nur 112. Im Vorfeld war mit einer Wiederwahl Kauders gerechnet worden.

Stegner: Ein mächtiger Schlag für Frau Merkel

Als Alarmzeichen für die Unionsführung hat SPD-Bundesvize Ralf Stegner die Ablösung Volker Kauders an der Spitze der Bundestagsfraktion gewertet. „Das ist für Frau Merkel als Bundeskanzlerin und Vorsitzende der CDU schon ein mächtiger Schlag ins Kontor“, sagte der schleswig-holsteinische SPD-Landesvorsitzende am Dienstag der Deutschen Presse-Agentur.

Dass gegen ihren ausdrücklichen Willen und gegen ihr Werben ihr langjähriger Vertrauter und Fraktionsvorsitzender Kauder klar abgewählt wird, das zeigt schon, wie groß die Machterosion innerhalb der Union geworden ist.“

„Das ist für Frau Merkel sicher auch eine Konsequenz aus den letzten Wochen und Monaten“, sagte Stegner.

Was dies für die Stabilität der Koalition mit der SPD in Berlin bedeute, könne man so schnell nicht beurteilen. Dass sich der Anti-Merkel-Flügel so klar durchgesetzt habe, sei ein Alarmzeichen für die Unionsführung und werde lange Nachwirkungen haben.

Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende im Bundestag und Chef der NRW-Landesgruppe in der SPD-Fraktion, Achim Post, gratulierte dem CDU-Abgeordneten aus dem ostwestfälischen Wiedenbrück.

„Glückwunsch an Ralph Brinkhaus. Nordrhein-Westfalen wird jetzt in Berlin noch wichtiger“, sagte Post. „Das war eine demokratische Wahl der Unionsfraktion. Für mich hat das keine Auswirkungen auf die Koalition.“

Die Stimmung wurde unterschätzt

Die überraschende Wahl des neuen Unionsfraktionschefs Ralph Brinkhaus kann aus Sicht des Ostbeauftragten der Bundesregierung einen „positiven Schwung“ für die Regierung und die Union geben.

Wirtschaftsstaatssekretär Christian Hirte (CDU) schrieb am Dienstag auf Twitter:

Wir haben in den letzten Jahren und Monaten bei Stimmungen im Land mitunter nicht immer richtig hingehört. Das gilt offenbar auch für die Stimmung in Partei und Fraktion.“

Zeichen für einen neuen Aufbruch

Der CSU-Abgeordnete Hans Michelbach sieht in der Abwahl des bisherigen Fraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU) keine Niederlage für Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Die Wahl des neuen Fraktionschefs Ralf Brinkhaus sei lediglich das „Zeichen für einen neuen Aufbruch“, sagte Michelbach am Dienstag dem Fernsehsender „Welt“.

Die Kanzlerin wird sich sehr schnell mit ihm arrangieren.“

Der stellvertretende Vorsitzende der CSU-Landesgruppe erklärte, Brinkhaus habe viele Abgeordnete überzeugt, indem er in seiner Rede einen Aufbruch und mehr Teilhabe an der Regierungsarbeit versprach.

Lindner: Respekt, Herr Brinkhaus!

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Lindner hat die Wahl von Ralph Brinkhaus zum neuen Unionsfraktionschef als „Signal der Unzufriedenheit und Erneuerung zugleich“ gewertet.

Die Fraktion „denkt nun die nächste Wahlperiode voraus“, schrieb Lindner am Dienstag bei Twitter.

Der @rbrinkhaus hatte den Mut, gegen das eigene Establishment, ganz allein und gegen manchen bösen Kommentar zu kandidieren – Respekt.“

Seehofer ist überrascht

CSU-Chef Horst Seehofer hat sich von der Wahl von Ralph Brinkhaus zum neuen Vorsitzenden der Unionsfraktion überrascht gezeigt. Brinkhaus setzte sich am Dienstag in einer Kampfabstimmung gegen den bisherigen Amtsinhaber Volker Kauder durch.

Seehofer sagte nach der Abstimmung, das Ergebnis sei nun zu respektieren. Er hatte vor der Wahl der Unionsabgeordneten für Kauder geworben, ebenso wie Kanzlerin Angela Merkel und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt.

Auf die Frage, ob er die Situation in der Fraktion falsch eingeschätzt habe, sagte Seehofer, man müsse jetzt mit den Abgeordneten reden.

Fraktionsvize Hans Michelbach argumentierte, die Mehrheit der Abgeordneten habe sich dafür entschieden, einen „neuen Aufbruch“ zu wagen, wie ihn Brinkhaus versprochen habe.

Es habe sich aber hier nicht um eine Kanzlerwahl gehandelt, sagte er auf die Frage, ob das Ergebnis als Misstrauensvotum für Merkel zu werten sei. Allerdings sei mit einer neuen Haltung der Fraktion gegenüber dem Kanzleramt zu rechnen.

Brinkhaus: Nun gehe es darum, wieder an die Arbeit zu kommen

Brinkhaus zeigt sich dann ohne Triumph, sagt nüchtern: „Ich freue mich riesig über das Wahlergebnis.“ Nun gehe es darum, ganz schnell wieder an die Arbeit zu kommen. Die Fraktion habe anspruchsvolle Projekte vor sich, ergänzt er noch, bevor er in den Saal zurückgeht, um bei der Wahl der restlichen Fraktionsführung dabei zu sein.

Dann sind wir morgen auch wieder dabei, das zu tun, was die Menschen von uns erwarten: nämlich an der Sache zu arbeiten.“

Auch für Kauder hat Brinkhaus noch ein gutes Wort: Vor dessen Leistung habe er großen Respekt. Der lang anhaltende Beifall für seinen Vorgänger in der Fraktion habe auch gezeigt, welch‘ hohes Ansehen Kauder genieße. „Jetzt schauen wir gemeinsam nach vorne und freuen uns auf die nächsten Wochen.“ Punkt.

Nicht einmal der in ihren 13 Jahren Kanzlerschaft bislang einzigartige Schritt Merkels vom Montag hatte Kauder noch helfen können. Sie hatte am Montag öffentlich bedauert, sie habe bei der Bewältigung der jüngsten Regierungskrise um Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen nicht ausreichend daran gedacht, was die Menschen im Land bewege. Sie mag gehofft haben, so dem Ärger der Parlamentarier ein Ventil zu geben. Verpufft.

Zieht Merkel für sich Konsequenzen?

Dass Merkel aus dem miserablen Ergebnis für Kauder – wie manche ihrer Kritiker womöglich hoffen – Konsequenzen zieht und hinwirft, galt in der Union vor der Wahl als nahezu ausgeschlossen.

Doch für die Kanzlerin ist das Wahlergebnis mehr als nur ein schmerzhafter Denkzettel. Die Unionsfraktion ist traditionell Machtbasis jeder Kanzlerschaft. Kann sich Merkel nicht mehr auf den breiten Rückhalt in der Fraktion verlassen, dürfte jede halbwegs kniffelige Abstimmung im Plenum des Bundestages für sie künftig zur Zitterpartie werden.

Linke: Merkel ist „massiv geschwächt“

Linken-Chef Bernd Riexinger sieht Bundeskanzlerin Angela Merkel nach der Wahl von Ralph Brinkhaus (beide CDU) zum neuen Chef der Unionsfraktion im Bundestag „massiv geschwächt“. Die Abwahl des bisherigen Fraktionschefs Volker Kauder (CDU) sei „ein Aufstand“ gegen Merkel, erklärte Riexinger am Dienstag im Kurzbotschaftendienst Twitter.

„Die Bundesregierung versinkt im Chaos, die Unionsfraktion rückt weiter nach rechts“, fügte er hinzu.

Grüne hoffen, dass die Union sich berappelt

Grünen-Chefin Annalena Baerbock, wie durcheinander die Union ist. Baerbock sagte der Deutschen Presse-Agentur in Berlin: „Ich kann nur hoffen, dass sie sich berappelt und ihren Job macht. Das Land muss ein Jahr nach der Wahl endlich mal regiert werden.“

In diesen Zeiten sei politische Führung mehr denn je gefragt. „Angesichts der weltweiten Krisen und Umbrüche muss Politik das Heft des Handelns in die Hand nehmen. Seit Monaten erleben wir aber ein Taumeln der großen Koalition von einem Ausnahmezustand zum nächsten.“

(dpa/afp)



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