Ostbeauftragter widerspricht: Wirtschaftlich schwache Gebiete im Osten sollten nicht aufgegeben werden

Sollte man wirtschaftlich schwache Gebiete im Osten aufgeben? Der Ostbeauftragte der Bundesregierung hält das für ökonomisch falsch und politisch völlig inakzeptabel.
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Ein verlassenes Krankenhaus in Beelitz bei Potsdam.Foto: iStock
Epoch Times4. März 2019

Der Ostbeauftragte der Bundesregierung, Christian Hirte (CDU), hat dem Präsidenten des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Reint Gropp, widersprochen, der gefordert hatte, Fördergeld künftig vor allem in Städte und an besonders produktive Unternehmen fließen zu lassen.

„Ich halte die Idee, wirtschaftlich schwache Gebiete im Osten aufzugeben, für ökonomisch falsch und politisch völlig inakzeptabel“, sagte Hirte dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“. Denn:

Anders als Wirtschaftsinstitute muss Politik auch andere, gesamtgesellschaftliche Parameter im Blick behalten.“

Hirte sagte, die Struktur sowie das Produktivitätsniveau der ostdeutschen Wirtschaft seien zwar in weiten Teilen unverändert anders als in den westdeutschen Bundesländern. „Und es dauert eben, bis der Osten auf dieses Niveau kommt. Aber wir sind auf dem richtigen Weg“, so der CDU-Politiker weiter.

„Wir dürfen den Osten und den ländlichen Raum nicht links liegen lassen. Das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse im ganzen Land zu erreichen, bleibt nachdrücklich bestehen.“

Geringere Produktivität im Osten

Gropp hatte am Montag in Berlin eine Studie mit dem Titel: „Vereintes Land –- drei Jahrzehnte nach dem Mauerfall“ vorgestellt. Die Untersuchung des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) zeigt auch ein Süd-Nord- oder Stadt-Land-Gefälle.

Als einen zentralen Befund nennen die Experten die immer noch geringere Produktivität in Ostdeutschland. Diese lag 2017 in den neuen Ländern einschließlich Berlin bei durchschnittlich 82 Prozent des Westniveaus. Kein ostdeutsches Flächenland reicht bislang an das westdeutsche Schlusslicht, das Saarland, heran.

Dies liegt aus Sicht der IWH-Ökonomen nicht nur an fehlenden Konzernzentralen. So haben 464 der 500 größten deutschen Unternehmen ihren Sitz im Westen. Ostdeutsche Betriebe haben allerdings in jeder Größenklasse eine mindestens 20 Prozent niedrigere Produktivität. Die Experten bringen dies auch mit staatlichen Subventionen in Verbindung. Seien diese an die Bedingung geknüpft, Arbeitsplätze zu erhalten oder zu schaffen, könne das einer Erhöhung der Arbeitsproduktivität im Weg stehen.

Produktivitätsunterschiede gehen auch mit Lohndifferenzen einher. Das mittlere Einkommen liegt in Ostdeutschland bei 81 Prozent des Bundesdurchschnitts. Im Westen wiederum existiert, abgesehen von Hamburg und einigen Regionen Nordrhein-Westfalens, ein deutliches Süd-Nord-Lohngefälle. In Ingolstadt und in Erlangen etwa liegt der mittlere Lohn bei 144,4 Prozent des Bundesdurchschnitts – in Cloppenburg bei 81,3 Prozent. In Ostdeutschland reicht die Spanne, abgesehen von Berlin, von 68 Prozent in Görlitz bis 95,5 Prozent in Jena.

Wenn sich die Wirtschaftskraft in Ost und West weiter annähern soll, müssen IWH-Präsident Reint Gropp zufolge vor allem die Städte gestärkt werden. Dort entstünden jene hochwertigen Dienstleistungen, die die Wirtschaft mehr und mehr bestimmten.

Man kann nicht die Mehrheit der Menschen und Regionen ausklammern

Die Forderung nach einer bevorzugten Förderung der Städte stießen allerdings auf Widerspruch. Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) hält die Konzentration auf Metropolen für „falsch“. Man könne nicht die Mehrheit der Menschen und Regionen ausklammern. „Das ist undemokratisch, unsozial und politisch unhaltbar“, kritisierte Haseloff.

Wie aus der Studie weiter hervorgeht, wird der bundesweite Fachkräftemangel im Osten durch zusätzliche Faktoren verschärft. So hatte Ostdeutschland bis Anfang der 2000er Jahre noch einen größeren Anteil hochqualifizierter Beschäftigter als der Westen. Dieser Vorsprung ging mittlerweile aber fast überall verloren. Zudem schrumpft die Zahl der Menschen im erwerbsfähigen Alter im Osten künftig deutlich schneller.

Auch sind die Schulabbrecherquoten im Osten höher als in Westdeutschland. Nicht zuletzt ziehen hochqualifizierte Zuwanderer, die zum Beispiel eine sogenannte blaue Karte der Europäische Union haben, viel eher in west- als in ostdeutsche Regionen. Nur Berlin zieht überdurchschnittlich viele von ihnen an. (dts/afp)



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