Papst Benedikt XVI. in Münchner Missbrauchsgutachten schwer belastet

Zwölf Jahre nachdem die Veröffentlichung eines Gutachtens zum Missbrauch im katholischen Erzbistum München und Freising gestoppt wurde, kommt nun eine Studie dazu heraus.
Martin Pusch (r.), Marion Westpfahl und Ulrich Wastl von der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl bei der Vorstellung des Gutachtens zu Fällen von sexuellem Missbrauch im katholischen Erzbistum München und Freising.
Martin Pusch (r.), Marion Westpfahl und Ulrich Wastl von der Münchner Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl bei der Vorstellung des Gutachtens zu Fällen von sexuellem Missbrauch im katholischen Erzbistum München und Freising.Foto: Sven Hoppe/dpa POOL/dpa
Epoch Times20. Januar 2022

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. ist in einem neuen Gutachten zum sexuellen Missbrauch im Erzbistum München und Freising schwer belastet worden. Benedikt habe als damaliger Münchner Erzbischof Joseph Ratzinger in vier Fällen nichts gegen des Missbrauchs beschuldigte Kleriker unternommen, teilten die Gutachter am Donnerstag in München mit. In einer Stellungnahme bestritt Benedikt demnach seine Verantwortung „strikt“, die Gutachter halten dies aber nicht für glaubwürdig, wie Rechtsanwalt Martin Pusch sagte.

In zwei der Fälle, bei denen die Gutachter ein Fehlverhalten des damaligen Münchner Erzbischofs sehen, sei es um Kleriker gegangen, denen mehrere begangene und auch von staatlichen Gerichten attestierte Missbrauchstaten vorzuwerfen seien. Beide Priester seien in der Seelsorge tätig geblieben, kirchenrechtlich sei nichts unternommen worden. Ein Interesse an den Missbrauchsopfern sei bei Ratzinger „nicht erkennbar“ gewesen.

Die Gutachter sind mittlerweile auch überzeugt, dass Ratzinger Kenntnis von der Vorgeschichte des Priesters Peter H. hatte, der 1980 aus dem Bistum Essen nach München kam. H. war als Pädophiler verurteilt und beging später im Erzbistum München weitere Missbrauchstaten.

Rechtsanwalt Martin Pusch sagte, Ratzinger habe bei der Erstellung des Gutachtens zunächst eine „anfängliche Abwehrhaltung“ gezeigt. Diese habe er aber später aufgegeben und ausführlich schriftlich Stellung genommen.

Mindestens 497 Opfer im Erzbistum München

Die neue Studie zu sexuellem Missbrauch im katholischen Erzbistum München und Freising listet mindestens 497 Opfer auf. Dabei handele es sich überwiegend um männliche Kinder und Jugendliche im Zeitraum zwischen 1945 und 2019, teilte die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) mit.

Sie hatte das Gutachten im Auftrag der Erzdiözese erstellt. Mindestens 235 mutmaßliche Täter gab es laut der Studie – darunter 173 Priester und 9 Diakone. Allerdings sei dies nur das sogenannte Hellfeld. Es sei von einer deutlich größeren Dunkelziffer auszugehen.

Weiter kommt die Studie zu dem Schluss, dass viele Priester und Diakone auch nach Bekanntwerden entsprechender Vorwürfe weiter eingesetzt worden seien. 40 Kleriker seien, ungeachtet dessen, wieder in der Seelsorge tätig gewesen beziehungsweise dies sei geduldet worden, teilte die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) mit.

Bei 18 davon erfolgte dies sogar nach „einschlägiger Verurteilung“, wie Rechtsanwalt Martin Pusch sagte. Insgesamt seien bei 43 Klerikern „gebotene Maßnahmen mit Sanktionscharakter“ unterblieben.

„Wunsch, die Institution Kirche zu schützen“

Das Gutachten stellt der katholischen Diözese ein schlechtes Zeugnis aus. Auch in jüngster Zeit habe kein „Paradigmenwechsel“ mit dem Fokus auf die Betroffenen stattgefunden, sagte Martin Pusch von der Anwaltskanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW), die das Gutachten im Auftrag des Bistums durchgeführt hat, am Donnerstag in München. „Bis in die jüngste Vergangenheit und teils auch heute noch begegnen Geschädigte Hürden.“ Ein aktives Zugehen auf die Opfer gebe es nicht. Die „Wahrnehmung der Geschädigtenbelange“ sei „auch nach 2010 unzulänglich“. Pusch sieht ein „generelles Geheimhaltungsinteresse“ und den „Wunsch, die Institution Kirche zu schützen“. (dpa/afp/red)



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