Paritätischer warnt vor zunehmender Armut – und fordert Tempo bei Kindergrundsicherung

Der Paritätische Wohlfahrtsverband beziffert die Zahl von Armut Betroffener in Deutschland auf 14 Millionen. Er fordert Tempo bei der Kindergrundsicherung.
Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 die staatlichen Leistungen für Familien und Kinder bündeln.
Die Kindergrundsicherung soll ab 2025 die staatlichen Leistungen für Familien und Kinder bündeln.Foto: Peter Kneffel/dpa
Von 7. April 2023

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Angesichts des bevorstehenden Osterfestes hat der Paritätische Wohlfahrtsverband auf die zunehmende Armut in Deutschland aufmerksam gemacht. Die anhaltende Inflation bringe immer mehr Menschen unter die Armutsgrenze. Mittlerweile sei deren Zahl auf 14 Millionen zu beziffern – Tendenz steigend. Die Ampelregierung bringe jedoch ihre eigenen Projekte wie die Kindergrundsicherung nicht zügig genug voran.

Als „arm“ gelten in Deutschland Personen, deren Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens beträgt. Bei allein lebenden Personen wären das 15.000 Euro im Jahr, bei einer Familie mit zwei Kindern liegt die Grenze bei 31.500 Euro.

Schneider spricht vor langen Schlangen vor den Tafeln

Gerade an Feiertagen wie Weihnachten und Ostern zeige sich die Bedeutung von Armut in einem reichen Land, äußerte Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. Betroffene seien „von all dem ausgeschlossen […], was für den Rest der Gesellschaft völlig selbstverständlich ist“, erklärte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Dazu gehörten etwa ein festlicheres Essen, kleine Geschenke oder auch Süßigkeiten für die Kinder.

Derzeit trieben die explodierenden Preise viele Menschen „in schiere Verzweiflung“. Die Tafeln verzeichneten wieder lange Menschenschlangen. Eine Entlastung könnten eine Anpassung von Bürgergeld und Altersgrundsicherung sowie die Umsetzung der Kindergrundsicherung bringen.

Diese bleibt jedoch innerhalb der Koalition ein Streitthema. Ursprünglich waren sich SPD, Grüne und FDP einig, mithilfe der Kindergrundsicherung die Kinderarmut systematisch bekämpfen zu wollen. Die genaue Ausgestaltung der geplanten Leistung ist aber noch strittig – und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) sieht derzeit auch keinen Spielraum. Schneider fordert den Minister angesichts der Lage jedoch dazu auf, sein Veto zurückzuziehen.

Kindergrundsicherung soll Förderungen zugänglicher und unbürokratischer machen

Nachdem das Bürgergeld das ungeliebte „Hartz IV“-System ersetzt hat, soll die Kindergrundsicherung nach dem Willen der Ampel der zweite Schritt zu dessen Überwindung sein. Ab 2025 soll diese eine Vielzahl von Leistungen bündeln und systematisieren, die bislang isoliert voneinander gewährt wurden.

Zudem soll die Kindergrundsicherung das bestehende System entbürokratisieren und den Zugang zu Leistungen einschätzbarer machen. Derzeit gibt es neben dem Kindergeld etwa 150 individuelle Fördermöglichkeiten, die Familien in Anspruch nehmen könnten. Einige sind aber Ermessensleistungen, wie jene aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Andere sind vielen potenziell Berechtigten gar nicht bekannt.

Dazu gehört neben Leistungen im Rahmen der Grundsicherung auch der seit Beginn des Jahres verfügbare Kinderzuschlag für Familien mit geringem Einkommen. Dieser ist für Familien gedacht, deren Einkommen sehr gering ist, aber dennoch jenseits der Anspruchsgrenze für den Bezug von Bürgergeld liegt.

Er beträgt maximal 250 Euro pro Kind und ist zusätzlich zum Kindergeld beantragbar. Anspruchsberechtigte sind Alleinerziehende ab einem Monatsbrutto von 600 und Paare ab Monatseinkünften von 900 Euro. Eine feste Höchsteinkommensgrenze gibt es nicht. Ob und in welcher Höhe ein Kinderzuschlag zusteht, hängt von Faktoren wie Einkommen, Wohnkosten, Familiengrenze oder Alter der Kinder ab. Die Höchsteinkommensgrenze setzt sich aus dem elterlichen Bedarf im Sinne der Regelungen zum Arbeitslosengeld II und dem prozentualen Anteil an den Wohnkosten (Bemessungsgrenze) sowie dem Gesamtkinderzuschlag zusammen.

Derzeit beziehen nur etwa 800.000 Kinder diese Leistung – etwa ein Drittel aller mutmaßlich Bezugsberechtigten.

Details harren nach wie vor der Klärung

Die Kindergrundsicherung soll künftig unter anderem das bisherige Kindergeld und den Kinderzuschlag in einer Leistung vereinen. Dabei soll es einen fixen Grundbetrag in Höhe von monatlich 250 Euro geben – was dem derzeit bezahlten Kindergeld entspricht.

Darauf soll es einen Zuschlag geben, der wiederum von der Einkommenshöhe der Familie abhängig sein soll. Die Ampelparteien sind sich nicht einig darüber, welche bisherigen Leistungen in das neue System eingepreist werden sollen – und in welcher Weise. In jedem Fall soll die Kindergrundsicherung auch eine Pauschale für Bildung und Teilhabe und eine Kinderwohnkostenpauschale umfassen.

Die Kindergrundsicherung soll eine bedarfsabhängige Leistung darstellen und anders als „Hartz IV“ nicht an Bedingungen geknüpft sein. Die Ampel ist sich jedoch auch noch nicht darüber einig, ab welcher Einkommenshöhe kein Anspruch mehr auf den Zuschlag bestehen soll.

Von Kindergrundsicherung könnten etwa zwölf Millionen Kinder profitieren

Berechnungen der Bertelsmann Stiftung zufolge (PDF) wächst mehr als jedes fünfte Kind in Deutschland in Armut auf. Das entspreche 2,8 Millionen Kindern und Jugendlichen unter 18 Jahren. Dazu kämen fast drei Millionen Kinder und über 1,5 Millionen junge Erwachsene, die von Armut bedroht seien. Besonders hoch sei das Armutsrisiko für junge Menschen in Familien mit alleinerziehenden Eltern oder mit mehr als zwei Kindern.

Laut einer Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) würden etwa zwölf Millionen Kinder von der Kindergrundsicherung profitieren. Die SPD geht von einem Finanzierungsbedarf in Höhe von zwölf Milliarden Euro für die Kindergrundsicherung aus.

(Mit Material von AFP)



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