Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts zur Pegida-Debatte:„Man sollte die demokratischen Rechte der Bürger achten“

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Pegida-Demo am 12.01.2015.Foto: Sean Gallup/Getty Images
Epoch Times18. Januar 2015

+++ BREAKING-NEWS zu PEGIDA: Pegida-Demo am Montag 19.01.2015 abgesagt: Terrordrohung soll der Grund sein (Details) +++

Der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, äußerte sich heute in einem Interview mit der Zeitung „Welt“ ausführlich über das Phänomen Pegida aus verfassungsrechtlicher Sicht.

Die 12. Großdemonstration von Pegida hatte am Montag abend in Dresden geschätzte 25.000 Teilnehmer und war die größte Demonstration der neuen Bürgerbewegung, die in den vergangenen Wochen in den deutschen Medien vehement beschimpft wurde und dadurch immensen Zulauf verzeichnete. Kritiker werfen der Bewegung bisher Orientierungslosigkeit, Rechtsextremismus, Populismus und "versteckten Rassismus" vor. Weil die Pegida-Demonstranten den Ruf „Lügenpresse“ häufig verwenden, wurde dieser zum Unwort des Jahres 2014 gekürt.

Man sollte die demokratischen Rechte der Bürger achten"

Ein geflügeltes Wort wurde jedoch auch der Satz von Justizminister Heiko Maas (SPD), der gesagte hatte: „Pegida ist eine Schande für Deutschland“.

Diese „Wortwahl“ wurde nun von Ex-Verfassungsrichter Papier in Interview mit der „Welt“ kritisiert: Ich persönlich würde solche Bezeichnungen, wie sie der Justizminister verwendet hat, nicht benutzen“, so Papier. „Es steht ja außer Frage, dass viele der Teilnehmer solcher Bewegungen wirklich aus der Mitte des Volkes kommen.“ Er halte „die Parolen von Pegida für falsch. Aber deswegen würde er sich nicht anmaßen, „diese Demonstrationen als schandhaft zu bezeichnen“, so Papier.

In Deutschland herrsche Versammlungsfreiheit und Meinungsfreiheit, so der Ex-Verfassungsrichter. „Man sollte auch irrige Meinungen, jedenfalls solange sie nicht gegen die Gesetze verstoßen, doch als Wahrnehmung von Grundrechten zur Kenntnis nehmen und tolerieren. Man kann Pegida natürlich kritisieren. Aber bei der Wortwahl sollte man vielleicht doch die demokratischen Rechte der Bürger achten.“

Thema Meinungsfreiheit: Wie sieht er die Mohammed-Karikaturen?

Papier wurde im Interview indirekt gefragt, ob seiner Ansicht nach in Deutschland Mohammed-Karikaturen wie die im Magazin Charlie Hebdo, als Blasphemie einzustufen seien. „Gegen den Blasphemie-Paragrafen verstößt, wer nicht nur eine Glaubensrichtung diffamiert, sondern dabei auch den öffentlichen Frieden gefährdet“, erklärte er.

Man könne sich nicht davon leiten lassen, dass einzelne Kriminelle diese Karikaturen als Ansporn nähmen, aktiv zu werden. „Wenn wir zentrale Freiheitsrechte hier zurückstehen lassen, sind wir in einer schwierigen Lage.“ Seiner Einschätzung nach würden die deutschen Gerichte bei der Veröffentlichung von Mohammed-Karikaturen der Meinungs- und gegebenenfalls der Kunstfreiheit den Vorrang geben – und diese nicht als Blasphemie verurteilen.

Den Einsatz der Bundeswehr zum Zweck der Terrorismusabwehr hält der Ex-Verfassungsrichter „weder für rechtlich zulässig noch für erwägenswert“: „Wenn wir über einen Einsatz der Bundeswehr im Inland nachdenken, beflügeln wir etwas, auf das der Terrorismus hinauswill: sein mörderisches Handeln als kriegerisches Handeln auszugeben. Der Terrorismus will die betroffenen Staaten dazu zwingen, mit militärischen Mitteln zu antworten, er will sie in einen Krieg zwingen.“

Präventionsmaßnahmen zweifelhaft

Den Entzug des Personalausweises potentieller Terroristen, um diese an der Ausreise in Bürgerkriegsgebiete zu hindern, hält Papier für „ein eher schwaches Instrument“.

Auf die Frage nach der Vorratsdatenspeicherung sagte Papier: „Es gibt klare Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts. Die anlasslose, verdachtsunabhängige Speicherung aller Telekommunikationsdaten der gesamten Bevölkerung ist ein sehr schwerwiegender Grundrechtseingriff, der nur unter engen Voraussetzungen mit sehr strikten Einschränkungen vertretbar ist.“

Ich empfehle den Parteien, sich auf ein Zuwanderungsgesetz zu verständigen.“

Bein Thema Zuwanderung und Asyl bezog Papier eine klare Position: „Ich empfehle den Parteien, sich auf ein Zuwanderungsgesetz zu verständigen. Zuwanderung begründet ein Gegenseitigkeitsverhältnis. Sie bedeutet auch, dass der aufnehmende Staat nicht nach Zufallskriterien, sondern nach rationalen, auch in seinem Interesse liegenden Kriterien entscheidet.“(rf)

Mehr Hintergründe:

EPOCH TIMES Kommentar:

"PEGIDA: Warum das Medientheater das eigentliche Problem ist"

Was wollen die Pegida-Macher? Hier geht es zum Positionspapier der Pegida



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