Logo Epoch Times
plus-iconRechtsstreit um Verfassungstreue

Frist verstrichen: AfD klagt gegen Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ durch Verfassungsschutz

Nach Ablauf einer Frist am Montag hat die AfD Klage gegen ihre Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ durch den Verfassungsschutz des Bundes eingereicht. Die Partei bestreitet die Vorwürfe und wirft der Bundesregierung politische Einflussnahme vor. Der Fall liegt nun beim Verwaltungsgericht Köln.

top-article-image

Die Co-Vorsitzenden der AfD Alice Weidel (4R) und Tino Chrupalla (4L) stehen am 30. Juni 2024 mit Parteimitgliedern auf der Bühne auf dem AfD Parteitag in Essen.

Foto: Volker Hartmann/AFP via Getty Images

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 8 Min.

Am Montag, 5. Mai, endete eine Frist, die der Bundesvorstand der Alternative für Deutschland (AfD) dem Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) am Freitagnachmittag gesetzt hatte. Die Partei hatte den Inlandsgeheimdienst dazu aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Dieser hatte die AfD am Freitag als „gesichert rechtsextremistische Bestrebung“ eingestuft.
Da die in der Abmahnung geforderte Unterfertigung der Unterlassungserklärung unterblieb, hat die AfD eine Klage gegen diese Einstufung mit Eilantrag eingebracht. Diese ist Angaben der Partei zufolge bereits beim Verwaltungsgericht Köln eingereicht worden.

Was der AfD bisher vorgeworfen worden war

Bis vergangene Woche hatten lediglich die Landesämter in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt die dortigen Landesverbände als „gesichert rechtsextremistisch“ eingestuft.
Die Einstufung der AfD durch das BfV folgte einem mehrstufigen Verfahren, das im Jahr 2019 seinen Ausgang genommen hatte. Zu Beginn des Jahres 2019 hatte der Verfassungsschutz die Partei auf Bundesebene als Prüffall eingestuft. In dieser Phase durfte der Dienst ausschließlich öffentlich zugängliche Informationen auswerten – wie Parteiprogramme, öffentliche Äußerungen, Internetauftritte oder Presseerklärungen. Das Gutachten, auf das die Einstufung gestützt war, veröffentlichte das Portal „Netzpolitik“ im Januar 2019.
Im Februar 2021 stufte das Bundesamt die Partei zum Verdachtsfall im Bereich des Rechtsextremismus hoch. Von da an durfte es nachrichtendienstliche Mittel einsetzen, um das Innenleben der Partei zu durchleuchten. Der Verfassungsschutz war damit ermächtigt, Informanten anzuwerben, im Bereich der Finanzen zu ermitteln oder – nach Genehmigung – Kommunikation zu überwachen. Auch das Gutachten, auf das sich diese Einstufung stützte, veröffentliche „Netzpolitik“.

Verfassungsschutz will aktuelles Gutachten nicht veröffentlichen

Die AfD hatte gegen die Hochstufung zum Verdachtsfall geklagt. Das Verwaltungsgericht Köln und das Oberverwaltungsgericht NRW in Münster hatten im März 2022 und Mai 2024 die Einstufung jedoch als zulässig bewertet.
In einer Presseerklärung vom 2. Mai heißt es vonseiten des Bundesamts, man sei „nach intensiver und umfassender gutachterlicher Prüfung“ zu der Einschätzung gelangt. Die jüngste Einstufung als „gesichert rechtsextremistisch“ sei erfolgt, nachdem der Verfassungsschutz zu der Auffassung gelangt sei, dass die Verdachtsmomente sich weiter verdichtet hätten. Der Inlandsgeheimdienst habe aufgrund der Inhalte eines weiteren mehr als 1.000 Seiten starken Gutachtens keinen Zweifel mehr am Vorliegen extremistischer Bestrebungen vonseiten der AfD.
Dem gesetzlichen Auftrag folgend habe man „das Agieren der Partei an den zentralen Grundprinzipien der Verfassung zu messen“ gehabt – die da „Menschenwürde, Demokratieprinzip und Rechtsstaatsprinzip“ seien. Das Gutachten selbst sei jedoch nur für den internen Dienstgebrauch und nicht zur Veröffentlichung gedacht. Ein Leak zu „Netzpolitik“ oder anderen Plattformen ist bislang noch nicht erfolgt.

Gutachten lag nach dreijähriger Prüfung vor

Der Presseerklärung des Verfassungsschutzes deutet darauf hin, dass vor allem jene Einschätzungen, die alle vorangegangenen Prüfschritte gekennzeichnet hatten, auch der aktuellen Einstufung zugrunde liegen. Diese gehen vor allem davon aus, dass Programmatik und Gebaren der AfD gegen die Menschenwürde, das Demokratieprinzip und das Rechtsstaatsprinzip verstießen.
Vizepräsident Sinan Selen und Vizepräsidentin Silke Willems erklärten dazu, die gutachterliche Prüfung habe drei Jahre in Anspruch genommen. Dabei seien Aussagen und Positionen hochrangiger Parteivertreter aus dem gesamten Bundesgebiet und „neueste organisatorische Entwicklungen“ mit einbezogen worden.
Maßgeblich für die Bewertung sei ein die Partei prägendes „ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis“. Dieses sei mit einer Abwertung ganzer Bevölkerungsgruppen in Deutschland verbunden und werde in einer Art und Weise politisch genutzt, um deren Menschenwürde zu verletzen. Dieses Volksverständnis konkretisiere sich „in einer insgesamt migranten- und muslimfeindlichen Haltung der Partei“.

Verfassungsschutz muss fachliche Fragen abseits von Weisungen beurteilen

Die Partei selbst streitet dies ab. Sie sieht in der Einstufung eine Maßnahme, die von der geschäftsführenden Bundesinnenministerin Nancy Faeser „offenbar im Alleingang vorgenommen“ worden sei. Formal ist die Ministerin gegenüber dem BfV weisungsbefugt, da sie die Dienstaufsicht über das Amt innehat.
Aufgrund gesetzlicher Vorgaben ist der Verfassungsschutz jedoch verpflichtet, fachliche Entscheidungen wie die Einstufung einer Partei als „gesichert rechtsextremistisch“ selbst zu treffen. Die Einrichtung betont, keine Anordnung durch die Ministerin erhalten zu haben, sondern sich in ihrer Beurteilung ausschließlich auf das Gutachten gestützt zu haben.
Die AfD bestreitet zudem, dass der Verfassungsschutz tatsächliche Anhaltspunkte benennen könne, die „Gewissheit“ bezüglich einer verfassungsfeindlichen Prägung der Partei belegen würden. Erst recht gelinge es dem Inlandsgeheimdienst nicht, einen entsprechenden Gesamtcharakter oder eine Beherrschung der Partei durch eine die freiheitliche demokratische Grundordnung ablehnende Grundtendenz nachzuweisen.

AfD weist Einschätzungen des Bundesamtes zurück

Die Partei bestreitet, einen verfassungsfeindlichen Volksbegriff zu vertreten. Relevant sei für sie ausdrücklich der Volksbegriff im Sinne des Artikel 116 Grundgesetz. Der Verfassungsschutz sieht jedoch ein ethnisch-abstammungsmäßiges Volksverständnis als prägend für die Partei ab. Dieses ziele darauf ab, „bestimmte Bevölkerungsgruppen von einer gleichberechtigten gesellschaftlichen Teilhabe auszuschließen“ und ihnen einen „rechtlich abgewerteten Status zuzuweisen“.
Vonseiten der AfD heißt es zudem, es liege ihrerseits keine „ausländer- oder islamfeindliche Agitation“ vor. Stattdessen werde die Partei „mittlerweile zu einem nicht unwesentlichen Teil durch immer mehr deutsche Staatsbürger mit Migrationshintergrund sowohl unterstützt als auch gewählt“. Inwieweit die Partei Muslimen religiöse Rechte zugesteht, lässt sie in ihrer Erklärung offen. Der Verfassungsschutz wirft ihr vor, Forderungen aufzustellen, die gegen deren gleichberechtigte Religionsausübung gerichtet seien. Diese Annahme sah auch das OVG NRW als durch ein belastbares Tatsachensubstrat gestützt.
Aussagen, die beispielhaft als Beleg für eine verfassungsfeindliche Ausrichtung der Partei aufgeführt seien, kritisierten lediglich „in vollkommen zulässiger Weise konkrete gesellschaftliche Phänomene“. In ähnlicher Weise brächten sie die von vielen Bürgern „als unzureichend wahrgenommene politische Reaktion“ darauf zum Ausdruck. Sie seien „in jeder Hinsicht durch die Meinungsfreiheit gedeckt“. Die gesetzliche Zulässigkeit einer Aussage ist jedoch nicht automatisch gleichbedeutend mit einer verfassungsschutzrechtlichen Irrelevanz.

Ramelow und Republikaner hatten mit Klagen Erfolg – nach langem Kampf

Bezüglich der Erfolgsaussichten einer Klage gegen die Einstufung als extremistische Bestrebung und die damit verbundene Beobachtung gibt es unterschiedliche Erfahrungen. Im Jahr 2013 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die jahrelange Beobachtung des damaligen thüringischen Landesabgeordneten der Linken Bodo Ramelow rechtswidrig war.
Nicht bis zum Bundesverfassungsgericht, sondern nur bis zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg ging eine Klage der Republikaner bezüglich eines Verfassungsschutzberichts aus den 1990er-Jahren. Im April 2006 bekam die Partei dort Recht. Ihr wurde attestiert, dass ein ausdrückliches Bekenntnis der Partei zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung vorgelegen habe. Die Aufnahme in den Bericht sei daher nicht gerechtfertigt gewesen. Seit 1993 hatten Verfassungsschutzbehörden die Partei als rechtsextremistisch eingestuft.
Das Land Brandenburg hatte die Entscheidung nicht angefochten. In Verfassungsschutzberichten über das Jahr 2006 waren die Republikaner nicht mehr erwähnt. Allerdings hatte das Verfahren lange Zeit in Anspruch genommen. Politisch war die 1983 gegründete Partei, der 1989 der Einzug ins Europaparlament gelungen war, in der Zwischenzeit bedeutungslos geworden.
Reinhard Werner schreibt für die Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

Aktuelle Artikel des Autors

Kommentare

Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.