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Hohe Sozialleistungen treiben die Staatsquote in Deutschland an die 50-Prozent-Grenze

Das Statistische Bundesamt hat die Staatsquote für 2024 veröffentlicht. Sie stellt dar, wieviel Geld der Staat ausgibt im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt, das von den Bürgern erwirtschaftet wird.

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Das Bürgergeld gehört zu den staatlichen Leistungen, die dazu beitrugen, dass die Staatsquote im vergangenen Jahr erneut gestiegen ist.

Foto: Carsten Koall/dpa

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Mehr Sozialleistungen sind der Treiber beim Anteil der Staatsausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftskraft Deutschlands. So lag nach Berechnungen des Statistischen Bundesamtes die sogenannte Staatsquote im vergangenen Jahr bei 49,5 Prozent. Das sind 1,1 Prozent mehr als 2023.

Mehr Ausgaben für Renten, Pflege oder Krankenhausbehandlungen

Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilt, sind neben den deutlich gestiegenen Sozialleistungen (Rente, Pflege- oder Bürgergeld) höhere soziale Sachleistungen wie für Klinikbehandlungen oder Pflege die Gründe für den Anstieg.
Den höchsten Wert seit 1991 erreichte die Staatsquote im Jahr 1995 mit 55,2 Prozent. Dieser Höchststand war laut Destatis hauptsächlich auf die Übernahme der Schulden der Treuhandanstalt durch das wiedervereinigte Deutschland zurückzuführen.
Weitere Höchstwerte wurden während der Corona-Pandemie mit 51,1 Prozent im Jahr 2020 und 50,7 Prozent im Jahr 2021 verzeichnet. Damals ließen etwa Kauf und Durchführung von COVID-19-Tests und Impfungen sowie Wirtschaftshilfen die Staatsausgaben steigen. Die niedrigsten Werte der Staatsquote gab es in den Jahren 2007 (43,5 Prozent), 2008 (44,4 Prozent) sowie 2014 und 2015 (je 44,5 Prozent).
Die Staatsquote (oder auch „Staatsausgabenquote“) bezeichnet das Verhältnis zwischen den Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden sowie aller staatlichen Sozialkassen zum Bruttoinlandsprodukt (BIP), also dem, was die Bürger erwirtschaften. Beträgt das BIP zum Beispiel innerhalb eines Jahres 2 Milliarden Euro, von denen der Staat 1 Milliarde Euro ausgibt, so liegt die Staatsquote 50 Prozent.

1880 lag die Staatsquote bei 10,3 Prozent

Erste Versuche, den Einfluss staatlicher Aktivitäten auf die Wirtschaft zu benennen, gab es bereits im späten 19. Jahrhundert. Historische Daten zeigen, dass die Staatsausgaben in Deutschland im Jahr 1880 etwa 10,3 Prozent im Verhältnis zum damaligen BIP ausmachten. Der deutsche Ökonom Adolph Wagner (1835–1917) formulierte bereits 1863 erstmals das „Gesetz der wachsenden Staatsausgaben“. Durch dieses zeige sich absolut und relativ zum Nationaleinkommen
„eine deutliche Tendenz zur Ausdehnung der öffentlichen bzw. Staatstätigkeiten mit dem Fortschritt der Volkswirtschaft und Kultur“.
Die Staatsquote ist ein kontrovers diskutiertes Thema in der Wirtschaftspolitik, weil sie direkte Auswirkungen auf das Wirtschaftswachstum und die staatliche Einflussnahme hat. Einer der zentralen Aspekte ist etwa, dass eine hohe Staatsquote auf einen starken Sozialstaat hinweisen könnte. Hingegen wird eine niedrigere Staatsquote oft mit einem liberalen Wirtschaftssystem in Verbindung gebracht. Eine niedrigere Staatsquote lasse mehr Raum für unternehmerische Freiheit und Innovation. Das wiederum könne dem Wachstum zu Aufschwung verhelfen. So sorgen sich wirtschaftsliberale Kreise, „dass ein wachsender Staat Zivilgesellschaft und Wirtschaft zusehends einschränke und behindere“, heißt es auf der schweizerischen Plattform „Die Volkswirtschaft“.

Der Staat greift immer mehr in Wirtschaft und Gesellschaft ein

Dort wird auch angemerkt, dass die bislang verwendeten Messungen von Staatswachstum veraltet seien. So gebe die Staatsquote das Wachstum in modernen Staaten nicht mehr ausreichend wieder. Es habe einen Wandel von umverteilenden zu regulierenden Staaten stattgefunden. Das bedeute, dass der Staat mehr und mehr in Wirtschaft und Gesellschaft eingreift. Seine Ausgaben müssten sich dadurch aber nicht zwangsläufig erhöhen.
Wie eine optimale Staatsquote auszusehen hat, hängt stark von politischen Ideologien ab. So befürworten sozialdemokratische Parteien oft eine höhere Staatsquote. Sie bringen diese mit der Gewährleistung von sozialer Sicherheit und öffentlichen Dienstleistungen in Verbindung. Hingegen sprechen sich liberale und konservative Parteien eher für eine Reduzierung der Quote aus, um die Wirtschaft zu entlasten.
„Bei einer Staatsquote von 50 Prozent beginnt der Sozialismus“, soll der frühere Bundeskanzler (1982–1997) Helmut Kohl (CDU, 1930–2017) einmal gesagt haben. Betrachtet man die aktuelle Auflistung der europäischen Statistikbehörde Eurostat, liegen die EU-Länder im Schnitt mit 49,2 Prozent nur knapp unter der 50-Prozent-Marke. Deutschland liegt leicht über dem Schnitt, Spitzenreiter ist Finnland (57,6 Prozent), gefolgt von Frankreich, das 2021 mit 59,2 Prozent schon an der 60-Punkte-Marke kratzte und in der aktuellen Erhebung auf 57,1 Prozent kommt. Auf Position drei rangiert Österreich (56,3 Prozent).
Auf den Rängen vier bis sechs stehen Belgien (54,5), Italien (50,6) und Schweden (50 Prozent). Die weiteren Länder liegen unter 50 Prozent. Die niedrigste Staatsquote hat Irland mit 23,5 Prozent. Das nordwesteuropäische Land hat als Sitz einiger bedeutender multinationaler Konzerne in den vergangenen zehn Jahren ein deutliches BIP-Wachstum verzeichnet.
Vergleichsweise niedrig sind auch die Staatsquoten von Malta (38,3 Prozent) und Litauen (39,5 Prozent).

Weidel: Hohe Quote zum Schaden der Bürger

Als Reaktion auf die gestiegene deutsche Staatsquote hat Alice Weidel (AfD) erklärt, dass die Quote „von den regierenden Parteien zum Schaden von Bürgern und Wirtschaft immer weiter nach oben getrieben“ werde. Weidel sprach von einer „alarmierenden Entwicklung“, deren Rechnung die Steuerzahler zu begleichen hätten. „Wirtschaftsfeindliche, grünsozialistische ‚Transformations‘-Träumereien, ein aufgeblähtes und für die halbe Welt offenstehendes Sozialsystem, stagnierende Produktivität und ein zunehmend dysfunktionaler Staat lassen unsere Wirtschaft zunehmend kollabieren“, meint sie. Wer mehr als die Hälfte der Wirtschaftsleistung „durch staatliche Umverteilung schleust, hat jeder ökonomischen Vernunft entsagt – und gefährdet die Wettbewerbsfähigkeit unseres Landes“.
FDP-Präsidiumsmitglied Christian Dürr kritisierte: „Während die Wirtschaft stagniert, wächst nur eines: die deutsche Staatsquote“. Der Staat beansprucht einen immer größeren Anteil am Bruttoinlandsprodukt, schreibt er auf der Internetseite der Liberalen. Steigende Ausgaben für Rente, Pflege und Bürgergeld treiben diese Entwicklung weiter voran: „Union und SPD werden diesen Trend mit ihrem Schulden-Dammbruch künftig noch verstärken“, warnt Dürr.
Für den FDP-Politiker führen diese Entwicklungen zwangsläufig in eine gefährliche Richtung: „Ohne tiefgreifende Strukturreformen schwächen wir unser Land auf Dauer – und stärken die politischen Ränder.“

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