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Kommunalwahl am Sonntag

Hohe Verluste drohen: NRW-Kommunalwahl könnte für die SPD zum Scheideweg werden

Am Sonntag werden in Nordrhein-Westfalen kommunale Vertreter gewählt. Den Sozialdemokraten drohen in ihrer einstigen Hochburg herbe Verluste, profitieren könnte im Gegenzug die AfD.

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SPD-Logo (Archiv)

Foto: via dts Nachrichtenagentur

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Lesedauer: 4 Min.

Die SPD werde am Tag danach eine andere sein, glaubt der parteilose Kulturstaatsminister Wolfram Weimer – ernsthafter, kompromissbereiter in der Bundesregierung vor den Sozialreformen im Herbst. Und auch Fachleute sehen die SPD vor der Kommunalwahl in Nordrhein-Westfalen am Sonntag an einem Scheideweg. Den Sozialdemokraten drohen in ihrer einstigen Hochburg herbe Verluste, profitieren könnte im Gegenzug die AfD.

Was würde eine Wahlschlappe für die SPD und die Bundesregierung bedeuten?

Umfragen sprechen dafür, dass die SPD in NRW die nächste Wahlschlappe wird hinnehmen müssen. Eine „blaue Welle“ prognostizieren Experten im Ruhrgebiet, also reihenweise AfD-Siege bei Bürgermeisterwahlen. Ob das Ergebnis für die SPD mehr ist als ein Warnsignal, dürfte aber auch von der Schwere der Niederlage abhängen.
„Praktisch bedeutet ein schlechtes NRW-Ergebnis für die SPD-Bundespartei weniger kommunale Machtbasis, eine Schwächung des Parteiapparates, größere interne Spannungen und ein negatives Signal für die bundespolitische Stimmung“, sagte die Politologin Kristina Weissenbach von der Universität Duisburg-Essen der Nachrichtenagentur AFP.
„Schlechte Ergebnisse auf der kommunalen Ebene können auf die Stimmung und Umfragewerte auf Bundesebene durchschlagen“, fügte Weissenbach hinzu. Ihrer Analyse zufolge könnte ein schwaches Abschneiden auch Flügelkämpfe zwischen dem konservativen Seeheimer Kreis und dem linken Lager innerhalb der SPD entfachen. Es würde „zumindest Stück für Stück den Druck auf die Führungsebene der Bundespartei“ verschärfen und „mehr Raum für Konflikte zwischen den politischen Strömungen oder Fraktionen innerhalb der Partei“ geben.
Die SPD werde nach einer möglichen Wahlschlappe „ein anderes Bild“ abgeben, prognostizierte Kulturstaatsminister Weimer. Eine Niederlage würde den Druck untermalen: „Wir müssen substanzielle Reformen im Staat und im Sozialsystem hinbekommen“, sagte er der „Bild“.

Warum kann die SPD viele ehemalige Anhänger nicht mehr erreichen?

Dass einstige Arbeiterparteien an Rückhalt in Industrieregionen verlieren, ist keine rein nordrhein-westfälische Entwicklung. Die Gründe können unterschiedlich sein, das Bild aber gab es schon in Frankreich, Großbritannien und den USA. Umgekehrt ist die Unbeliebtheit der SPD kein Ruhrgebiets-Phänomen: Bundesweit schwächeln die Sozialdemokraten seit Langem, liegen in Umfragen deutlich hinter Union und AfD.
Für Politologin Weissenbach hängt die Unbeliebtheit der SPD auch mit „medialer Deutung und Wahrnehmung“ in klassischen und sozialen Medien zusammen. Die Unbeliebtheit sei „jedoch nicht zwingend etwas SPD-spezifisches“. Sie beobachte „insgesamt die Abkehr von Parteien hin zu anderen Formen der politischen Partizipation“.

Wie steht es denn um die SPD-Kernklientel?

Eine Insa-Umfrage in der „Bild“ zeigte im Sommer, dass 56 Prozent der Befragten die SPD nicht mehr als Arbeiterpartei ansieht. Nur 27 Prozent finden, dass sie sich genug für Arbeitnehmerinteressen einsetzt. Öffentlich tritt die SPD zwar bei klassischen Arbeitnehmer-Themen wie dem Mindestlohn und – wie im Fall von Co-Parteichef und Finanzminister Lars Klingbeil – mit Forderungen nach Steuererhöhungen für Wohlhabende in Erscheinung. Die aus Duisburg stammende Co-Parteichefin Bärbel Bas warnte auch wiederholt vor einem Abbau des Sozialstaats für Arbeitslose.
Politologin Weissenbach sieht aber vielmehr einen Wandel in der SPD-Kernklientel. „Das existiert in der alten Vorstellung nicht mehr: Frühere ‚Arbeiter‘ sind heute ‚Angestellte‘, und dadurch ist es für die Partei in den letzten Jahren und Jahrzehnten immer schwieriger geworden sich auf dem ‚Wählermarkt‘ zu orientieren und zu positionieren“, analysiert Weissenbach. „Die Sozialstruktur der SPD-Mitglieder deutet beispielsweise viel eher auf eine weitere Akademisierung der SPD und eine ‚Partei des öffentlichen Dienstes‘ hin, als auf eine Arbeiterpartei.“

Was bedeutet NRW für die SPD?

Das größte Bundesland mit seinen vielen Arbeiterstädten galt für die SPD einst als Kernland, besonders das Ruhrgebiet war jahrzehntelang eine Bastion. Und auch heute noch lebt von den rund 357.000 Mitgliedern jeder Vierte in Nordrhein-Westfalen. „NRW ist einer der wichtigsten Landesverbände der SPD“, betonte Weissenbach. Was hier am Sonntag passiert, dürfte im Willy-Brandt-Haus also besonderes aufmerksam verfolgt werden.(afp/red)

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