Durch Störungen überschattet
Palmer und AfD-Landeschef Frohnmaier im Schlagabtausch vor großem Publikum
Während draußen über tausend Demonstranten protestierten, lieferten sich die beiden Politiker in der Hermann-Hepper-Halle einen scharf geführten Schlagabtausch zu Demokratie, Migration, Klimapolitik und Energiekrise.

Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer (Parteilos, l.) kommt zu seiner Diskussionsrunde mit dem AfD-Landesvorsitzenden Markus Frohnmaier zum Austragungsort, der Hermann-Hepper-Halle, vor der eine Demonstration der Linken gegen die AfD stattfindet.
Foto: Christoph Schmidt/dpa
In Kürze:
- Oberbürgermeister Palmer und AfD-Landeschef Frohnmaier debattieren öffentlich in der Hermann-Hepper-Halle
- Mehr als 1.000 Demonstranten vor der Halle, rund 800 Zuhörer im Saal
- Heftige Auseinandersetzungen über Demokratie, Migration, Klima- und Energiepolitik
- Experten: Kaum inhaltliche Bewegung – die Debatte blieb ohne größere Wirkung
Am Freitag, 5. September, erlebte Tübingen eine Premiere. In der Hermann-Hepper-Halle fanden sich der parteilose Oberbürgermeister Boris Palmer und AfD-Landeschef Markus Frohnmaier zu einer Podiumsdiskussion ein. Die Veranstaltung kam durch einen Kompromiss zustande.
Im Juli wollte die AfD durch die Stadt marschieren – die nicht zu ihren Hochburgen gehört. Es waren tausende Gegendemonstranten angekündigt, und die Händler fürchteten Beeinträchtigungen beim Sommerschlussverkauf. Sie baten Palmer, Kontakt aufzunehmen. Die AfD erklärte sich bereit, auf die Kundgebung zu verzichten, wenn der OB im Gegenzug einer öffentlichen Debatte zustimme.
Palmer musste Machtwort sprechen
Die Gesprächsbereitschaft stieß nicht überall auf ungeteilte Zustimmung. Auch am Freitag demonstrierten mehr als 1.000 Personen vor der Halle. In dieser wollten etwa 800 Interessierte die Debatte verfolgen. Störversuche von Teilen des Publikums sorgten für Unterbrechungen.
Versammlungsleiter Joachim Knape, ein Rhetorikprofessor, drohte zu Beginn des Gesprächs sogar an, den „Plan B“ in Kraft zu setzen. Dieser hätte darin bestanden, das Podium in einen Nebenraum zu verlegen – was nur noch ein mittelbares Verfolgen der Debatte ermöglicht hätte.
Nach einer halben Stunde sah sich Palmer selbst dazu gezwungen, in seiner Eigenschaft als Oberbürgermeister zu intervenieren. Er berief sich auf sein Hausrecht und forderte alle Anwesenden, die den Meinungsaustausch nicht billigten, dazu auf, den Saal zu verlassen.
AfD-Landeschef Frohnmaier: „Extremistische Aussagen würden nicht geduldet“
Frohnmaier dankte Palmer und der Veranstaltungsregie dafür, die Debatte organisiert zu haben. Er kritisierte den Zustand der Demokratie und der Redefreiheit in Deutschland. Dabei verwies er auf Hausdurchsuchungen bei Rentnern wegen des Verdachts auf Politikerbeleidigung und auf den Ausschluss von AfD-Kandidaten von Oberbürgermeisterwahlen.
Palmer betonte die Wichtigkeit eines zivilisierten Austauschs. Zugleich hielt er Frohnmaier gleich in seiner ersten zusammenhängenden Wortmeldung mehrere Zitate von AfD-Funktionären mit eindeutig extremistischem und teilweise gewaltverherrlichendem Inhalt vor. Die meisten davon stammen aus den 2010er-Jahren und einige ihrer Urheber gehören der Partei nicht mehr an.
Frohnmaier betonte daraufhin, solche Aussagen würden in seinem Landesverband nicht geduldet. „In aller Deutlichkeit“ stellte der Spitzenkandidat der AfD in Baden-Württemberg klar, dass er „solche Leute nicht haben“ wolle und diese aus der Partei geworfen würden.
Palmer: „Redefreiheit von links und rechts bedroht“
Ebenfalls auf die Zitate gemünzt, die sich unter anderem gegen Homosexuelle und Einwanderer gerichtet hatten, verwies Frohnmaier auf die persönliche Lebensführung führender AfD-Exponenten. Er nannte nicht nur die in einer gleichgeschlechtlichen Ehe lebende Parteisprecherin Alice Weidel. Frohnmaier selbst sei in Rumänien geboren. In der AfD seien alle Menschen willkommen, die sich legal in Deutschland aufhielten, „mit anpacken, unsere Sprache sprechen und unsere Werte teilen“.
Während Palmer seinen Verdacht gegen die AfD, extremistische Umtriebe zu dulden, aufrechterhielt, kritisierte Frohnmaier dessen Positionierung in der Corona-Politik. Palmer hatte damals unter anderem „Beugehaft“ gegen Impfverweigerer vorgeschlagen. Zudem würde man Äußerungen, wie Palmer sie über Schwarze getätigt habe, in der AfD nicht dulden.
Der Tübinger OB seinerseits warf der AfD vor, Politikerbeleidigung gänzlich unsanktioniert lassen zu wollen. Er selbst habe übelste antisemitische Beleidigungen und Morddrohungen aus der rechtsextremen Ecke erhalten. Palmer erklärte, die Meinungsfreiheit sei von zwei Seiten in Gefahr: Einerseits komme diese von Linken, die „uns untersagen wollen, Wörter auszusprechen, die ihnen nicht gefallen“. Andererseits wollten Rechte „das Unsagbare sagbar machen“ oder den Nationalsozialismus verharmlosen. Dies sei „gefährlich, weil es Gegenreaktionen erzeugt“. Die Mitte müsse beides zurückweisen.
Klima und Migration als zentrale Themen
Bezüglich der Klimapolitik warf Palmer der AfD vor, durch Interventionen vonseiten des Landes bereits getätigte Investitionen in den Klimaschutz nutzlos machen zu wollen. Kommunale Förderungen von Windkraft und Solarparks zu unterbinden, stelle die kommunale Selbstverwaltung infrage.
Frohnmaier seinerseits verwies darauf, dass die hohen Energiekosten den Standort Deutschland zerstörten, während China ein Vielfaches dessen an Emissionen verursache, was Deutschland einsparen könne. Der Tübinger OB äußerte, die AfD gefährde selbst den Standort, indem sie einen Austritt aus der EU fordere, die immer noch Deutschlands wichtigster Exportmarkt sei.
In der Migrationsdebatte äußert Palmer, es treffe zwar zu, dass manche Bevölkerungsgruppen in der Kriminalitätsstatistik überrepräsentiert seien – die Gründe zu erklären, ließe die begrenzte Zeit nicht zu. Tatsächlich sei Deutschland jedoch heute sicherer als noch vor 25 Jahren. Der von der AfD erweckte Eindruck, man könne sich nicht mehr auf die Straße wagen, sei unzutreffend:
„Im vergangenen Jahr wurden 5,5 Millionen Straftaten erfasst, im Jahr 2.000 waren es noch 6,3 Millionen.“
Auf den Begriff der „Remigration“ angesprochen, betonte Frohnmaier, die AfD wolle lediglich Menschen abschieben, die sich „ohne Rechtsgrund“ in Deutschland aufhielten. Palmer erwiderte, in Tübingen seien dies gerade einmal 201 Personen. Dass sie ausreisepflichtig seien, sei keine „Remigration“, sondern geltendes Recht.
Kommunikationswissenschaftler sieht wenig konkrete Ergebnisse
Gegenüber der „Tagesschau“ äußerte Kommunikationswissenschaftler Frank Brettschneider von der Uni Hohenheim, Palmer sei es nur teilweise gelungen, inhaltliche Schwächen der AfD aufzuzeigen – was dieser zuvor als Ziel ausgegeben hatte. Wer diese bei Frohnmaier gesehen habe, habe diese auch zuvor schon gekannt. Die Diskutanten hätten „aneinander vorbeigeredet“. Bezüglich Frohnmaier habe es keine Punkte gegeben, die ihm geschadet hätten, so Brettschneider.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.
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