Publizist Eldad Beck zu Thüringen: „Israels Regierung sollte mit der AfD reden“

„Die AfD ist ein spannendes Phänomen in der deutschen Politik, ein Produkt der Eurokrise und der Flüchtlingskrise“, erklärt der bekannte israelische Journalist Eldad Beck. Die Regierung in Jerusalem sollte sich von Deutschlands Eliten nicht einreden lassen, dass die AfD eine nazistische Partei wäre. Die Rechte in Europa formiere sich neu und sei proisraelisch.
Der bekannte israelische Journalist Eldad Beck mahnt die Regierung in Jerusalem zur Zurückhaltung bei der Bewertung der Vorgänge in Thüringen.
Das israelische Parlamentsgebäude, bekannt als Knesset, liegt auf einem Hügel im Westen Jerusalems..Foto: iStock
Von 13. Februar 2020

Der bekannte israelische Journalist Eldad Beck, der unter anderen regelmäßig in Medien wie der auflagenstarken „Jedi’ot Acharonot“ (ynet) publiziert, hat in einem Kommentar für die konservative Zeitung „Israel Hayom“ die Regierung in Jerusalem zur Zurückhaltung bei der Bewertung der Vorgänge in Thüringen gemahnt. Zudem forderte er Israels Regierung auf, den Dialog mit der AfD zu suchen.
„Israel leidet seit zu langer Zeit an Deutschlands Einmischung in die israelische Politik“, schreibt Beck. „Deutsche Gelder fließen über verschiedene Kanäle in die Kassen feindlicher Vereine, die nichts weniger als Israels Vernichtung anstreben.“

Deutsche Regierung „zeichnet falsches Bild von der Wirklichkeit“, meint Eldad Beck

Die deutsche Bundesregierung mahne Israel, die „Einmischung in innere Angelegenheiten“ zu unterlassen, wenn Jerusalem etwa Manöver wie das Treffen des damaligen Bundesaußenministers Sigmar Gabriel mit ausschließlich antizionistischen Organisationen bei seinem Besuch im Jahr 2017 kritisiere.

„In einem Fall allerdings ist Israels Einmischung willkommen, ja ausdrücklich erwünscht: gegen die neue Rechte, die Berlin zunehmend zu schaffen macht. Da sollten die Juden gefälligst ihre Stimme gegen die ‚Nazis‘ erheben und den Anfängen eines Vierten Reichs wehren.“

Israel sollte, so Eldad Beck, Berlin diesen Gefallen nicht tun. Zum einen, weil man Einmischung in die eigenen Angelegenheiten nicht ablehnen und sich gleichzeitig selbst in Fremde mengen dürfe, zum anderen aber auch, weil das etablierte Deutschland ein Bild von der AfD zeichne, das nicht der Wirklichkeit entspreche.

Eldad Beck: „Rassisten und Antisemiten gibt es auch in allen anderen Parteien“

„Die AfD ist ein spannendes Phänomen in der deutschen Politik, ein Produkt der Eurokrise und der Flüchtlingskrise“, erklärt der Journalist Eldad Beck. „Sie als neo-nazistische Partei zu betrachten, wäre ein Fehler.

Da gibt es sehr problematische Strömungen, die versuchen, auf ihrem Erfolg mitzureisen, um den legitimen politischen Diskurs mit radikalen, rassistischen, antisemitischen und revisionistischen Ansichten zu versetzen. Doch solche finden sich, in dieser oder jener Form, in dieser oder jener Menge, auch in den anderen deutschen Parteien.“

Weder in Thüringen noch anderswo stehe das Vierte Reich vor der Tür, so Beck. Hingegen finde eine Neuformierung der Rechtsparteien in ganz Europa statt, nicht nur in Deutschland. Mit ausgesuchten Vertretern dieser Parteien, auch der proisraelischen AfD, solle Israel im eigenen Interesse das Gespräch suchen.

Das Verhältnis zwischen der nationalen Rechten in Europa und der Regierung in Israel sowie den jüdischen Gemeinden war in der Nachkriegszeit stets äußerst angespannt. Der Nationalismus der europäischen Moderne grenzte regelmäßig die jüdischen Gemeinden aus oder entwickelte – wie in Deutschland – sogar antisemitische Vernichtungsfantasien, die in der Zeit des Zweiten Weltkriegs auch in die Tat umgesetzt wurden.

Gespanntes Verhältnis in der Nachkriegszeit

Seit dieser Zeit fühlten sich die überlebenden Juden und deren Nachfahren dort, wo Kräfte regierten, die Multilateralismus und supranationale Zusammenschlüsse befürworteten, deutlich sicherer. Nationalkonservative Kräfte hingegen galten in den jüdischen Gemeinden als suspekt, zumal viele ein revisionistisches Geschichtsbild kultivierten.

Als die FPÖ von Jörg Haider in Österreich im Jahr 1986 – dem Jahr der Waldheim-Wahl – deutliche Gewinne bei der Nationalratswahl einfahren konnte, schrieben israelische Zeitungen, 16 Prozent der österreichischen Parlamentarier seien „Neo-Nazis“. In Frankreich goss der damalige Chef des Front National, Jean-Marie Le Pen, seinerseits durch verharmlosende Äußerungen zum Holocaust zusätzlich Öl ins Feuer. In Deutschland pflegten Republikaner-Chef Franz Schönhuber und die Vorsitzenden des Zentralrats der Juden, Heinz Galinski und sein Nachfolger Ignatz Bubis, öffentlich eine Intimfeindschaft.

Erst im Laufe der 1990er Jahren begannen sich erste Verschiebungen zu zeigen. In Italien wandelte Gianfranco Fini den neofaschistischen MSI in die moderne rechtskonservative Bewegung der „Alleanza Nazionale“ um, die sich klar proisraelisch positionierte und vom „Europa der Kathedralen und Synagogen“ sprach. Jörg Haider warb den jüdischen Publizisten Peter Sichrovsky als EU-Kandidaten und Generalsekretär an. Zwar endete die Zusammenarbeit nach mehreren Jahren im Zerwürfnis, Haiders Nachfolger Heinz-Christian Strache gestaltete die FPÖ jedoch zu einer klar proisraelischen Partei um.

Nationalkonservatismus-Konferenz als weiterer Meilenstein?

Auch in Frankreich und Belgien distanzierte sich die Rechte vom Antisemitismus, während in den jüdischen Gemeinden und in Jerusalem die Abneigung gegenüber der Rechten bröckelte – auch vor dem Hintergrund zunehmender muslimischer Einwanderung und einer immer stärker antizionistisch ausgerichteten Politik der europäischen Linken. Mehrfach haben auf private Einladung israelischer Politiker Vertreter der europäischen Rechten seither Israel besucht. Offiziell hält Israels Regierung zu vielen rechten Parteien jedoch immer noch Distanz, da diese in ihren Herkunftsländern häufig noch ein gespanntes Verhältnis zu Vertretern bedeutender jüdischer Vereinigungen aufweisen.

Die jüngst in Rom abgehaltene „Nationalkonservatismus-Konferenz“ könnte einen weiteren Meilenstein in der Normalisierung des Verhältnisses zwischen Europas Rechter und Israel sowie den jüdischen Gemeinden in Europa bedeuten. Neben dem ungarischen Premierminister Viktor Orban und Italiens rechten Parteiführern Matteo Salvini und Giorgia Meloni sprachen dort unter anderem auch Vertreter der britischen Konservativen und der Chef des Herzl-Instituts in Jerusalem, Yoram Hazony.

Dieser gilt als eine der zentralen Figuren bei der Entwicklung eines neuen Verständnisses von Nationalismus, das den Nationalstaat als „Maß des Menschlichen“ gegenüber der Anarchie der Stammesgesellschaften und dem Neo-Imperialismus supranationaler Akteure wie der UNO oder der EU abgrenzt. Auf der Konferenz, die unter dem Motto „Gott, Ehre, Vaterland“ stand, wurden Persönlichkeiten wie Ronald Reagan oder Papst Johannes Paul II. als geistige und politische Vorbilder einer neuen Rechten für Europa benannt.



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