Rassismus-Studie abgesagt: Seehofer nimmt Polizei in Schutz

"Wir haben seit Wochen eine ständige Kritik an der deutschen Polizei, zum Teil auch Verunglimpfungen", erklärt Innenminister Horst Seehofer. Dabei gebe es im öffentlichen Dienst und insbesondere bei der Polizei "null Toleranz" gegenüber Rassismus.
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Horst SeehoferFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times7. Juli 2020

Im Streit um eine Studie zu Rassismus in der Polizei hat Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) die Sicherheitskräfte gegen Vorwürfe in Schutz genommen. „Wir haben kein strukturelles Problem“ mit Rassismus in der Polizei, sagte Seehofer am Dienstag im ARD-„Morgenmagazin“. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung halte er im Moment für nicht erforderlich.

„Wir haben seit Wochen eine ständige Kritik an der deutschen Polizei, zum Teil auch Verunglimpfungen“, sagte er. Dabei gebe es im öffentlichen Dienst und insbesondere bei der Polizei „null Toleranz“ gegenüber Rassismus. Er selbst sei „ein entschiedener Gegner von Rassismus, von Antisemitismus und Extremismus“.

Bundesinnen- und -justizministerium hatten kürzlich eine solche Studie in Aussicht gestellt. Seehofer ließ sie dann aber am Wochenende für nicht nötig erklären. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) befürwortet die Studie aber weiter. Seehofer zeigte sich am Dienstag vor einem Videotreffen der EU-Innenminister bereit zu einem klärenden Gespräch mit Lambrecht: „Einem Kabinettskollegen, wenn er sprechen will, verwehrt man nie das Gespräch.“

Unterstützung erhielt Seehofer aus den eigenen Reihen und von der AfD. „Es gibt keinen Anlass für eine Studie zu Racial Profiling. Wir haben eine klare Rechtslage: Racial Profiling ist verboten“, sagte der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion Mathias Middelberg (CDU). „Der Generalverdacht, die deutsche Polizei sei strukturell rassistisch, ist schlicht abwegig.“

Gottfried Curio, innenpolitischer Sprecher der AfD-Fraktion, sagte, man müsse die Polizei vor einer „schon vom Ansatz her erwartbar ideologisierten Studie“ schützen. Andernfalls könnten Polizisten unter den Generalverdacht des Rassismus gestellt und gehemmt werden, „Ausländer zu kontrollieren und gegebenenfalls festzunehmen“.

FDP: „Unangebrachter Generalverdacht“

Der innenpolitische Sprecher der FDP im Bundestag, Konstantin Kuhle, räumte ein, der Vorwurf des latenten Rassismus gegen Beamte sei ein „unangebrachter Generalverdacht“. Doch auch bei der Polizei in Deutschland gebe es Extremismus und Rassismus.

„Horst Seehofer hätte jetzt die Gelegenheit ergreifen können, die Polizeibeamtinnen und -beamten mit wissenschaftlichen Ergebnissen vom Vorwurf des latenten Rassismus zu befreien.“

Kritik von SPD, Grünen und Linken

„Das Beste wäre, wenn eine umfassende Untersuchung zu dem Ergebnis käme, dass es keinen Anlass zur Besorgnis gibt“, erklärte der SPD-Vorsitzende Norbert Walter-Borjans der „Welt“ und kritisierte die Entscheidung, die Studie fallenzulassen. „Seehofers Ansatz ist aber: `Bloß nicht hingucken, damit man nichts sieht.` Aber nur genaues Hinschauen und in begründeten Fällen rasches Reagieren sichern das hohe Ansehen, das unser Rechtsstaat und unsere Sicherheitsbehörden genießen.“

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, zur Unterstützung derjenigen, die ihren Dienst verantwortungsvoll ausübten, müsse man wissen, wo gegengesteuert werden müsse. „Horst Seehofer leistet den Polizistinnen und Polizisten einen Bärendienst, weil sich die Gräben ohne eine solide Datenbasis nur weiter vertiefen.“

Seehofer müsse dieser „gefährlichen Entwicklung“ entgegentreten, statt vor Problemen die Augen zu verschließen. Die Bundestagsvizepräsidentin der Linkspartei, Petra Pau, sagte: „Wer eine sachliche Untersuchung ausschlägt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt, ist also eine Fehlbesetzung.“

Der Vorsitzende des Bundes Deutscher Kriminalbeamter, Sebastian Fiedler, sagte der „Welt“: „Womöglich möchte der Innenminister mit seiner Entscheidung sein Vertrauen in die Polizei herausstellen – darauf kommt es aber nicht an.“ Denn die Polizei sei auf das Vertrauen aller Menschen angewiesen.

„Außerdem gibt es keinen Grund sich zu verstecken: Entweder wir finden heraus, in welchen Sicherheitsbehörden und welchen Regionen es Probleme gibt und können diese angehen – oder wir können einen Verdacht entkräften.“ Kritisch sieht Fiedler allerdings, sich nur auf Racial Profiling zu beschränken. „Viel interessanter ist es, generell die Einstellungsmuster von Polizisten zu untersuchen, um auch rechtsextremistische Strukturen im Keim zu ersticken.“ (afp/dts/ks)



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