Recyclingfirma haftet nicht für Millionenschaden durch detonierte Weltkriegsbombe

Als "zufällig und schicksalhaft" bezeichnet das Bundesverfassungsgericht die Detonation einer Bombe in einem Recyclingunternehmen. Damit trifft die Firma weder Schuld noch eine Haftung, die die Erstattung eines Schadenersatzes rechtfertigen würden.
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Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden: Wenn eine Weltkriegsbombe in einer Recyclingfirma detoniert, haftet sie nicht für die entstandenen Schäden auf Nachbargrundstück (Symbolbild).Foto: Frank Hormann/dpa
Epoch Times8. Juli 2019

Wer einen Schaden verursacht, der muss dafür aufkommen. So sieht es grundsätzlich die Regelung im Bundesgesetzbuch vor. Doch hin und wieder gibt es Ausnahmen, wie im Fall einer Schadenersatzforderung, die die Gebäudeversicherung von einem benachbarten Recyclingunternehmen begehrten.

Im Januar 2014 kam es bei Schredderarbeiten in einem Recyclingunternehmen zu einer Katastrophe. Bei der Zerkleinerung von Bauschutt mit einem Zangenbagger detonierte eine Sprengbombe aus dem Zweiten Weltkrieg, die in einem Betonteil einbetoniert war. Bei der Explosion kam der Baggerfahrer ums Leben, zwei Mitarbeiter des Unternehmens wurden schwer verletzt.

Aufgrund der Explosion entstanden an den auf den angrenzenden Grundstücken stehenden Gebäuden und baulichen Anlagen streitige Schäden, die deren Gebäudeversicherung reguliert hat. Laut Urteil des OLG Köln wurde der Schaden mit 953.863,73 Euro beziffert. Hinzu kamen Sachverständigenkosten in Höhe von 54.085,46 Euro.

Aus übergegangenem Recht verlangte die Versicherung eine Erstattung dieser Beträge von dem Recyclingunternehmen, das als Erstbeklagte aufgeführt ist, sowie deren Grundstücksmiteigentümerin. Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen, auch eine Berufung scheiterte. Schlussendlich endschied auch der Bundesgerichtshof zu den Aktenzeichen V ZR96/18 und 108/18, dass das Recyclingunternehmen die Detonation der Bombe nicht zu verschulden hat und lehnte die Revision ab. In der Entscheidung heißt es:

Zu Recht hat das Oberlandegerichts eine Haftung des Erstbeklagten verneint. Ein Bauschutt recycelndes Unternehmen verstößt nicht gegen die im Verkehr erforderliche Sorgfalt, wenn in seinem Betrieb Betonteile, die nicht bekanntermaßen aus einer Abbruchmaßnahme stammen, bei der mit Bomben im Beton gerechnet werden muss, vor ihrer Zerkleinerung nicht unter Einsatz technischer Mittel auf Explosivkörper untersucht werden.“

Die Wahrscheinlichkeit, dass in den zu recycelnden Betonteilen Bomben enthalten sind, sei sehr gering, urteilte der Bundesgerichtshof. Daher könnte man nicht eine generelle Untersuchung der Betonteile des Bauschutts auf Sprengstoffe durch ein Recyclingunternehmen verlangen. Außerdem müsse – falls eine Untersuchungspflicht vorhanden wäre – diese bereits vor Abtransport des Bauschutts erfolgen. Dies halte der Bundesgerichtshof aber für überzogen. Die Urteilsbegründung lautet:

„Ein nachbarrechtlicher Anspruch gegen den Erstbeklagten scheitert aber daran, dass die Regelung in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf Beeinträchtigungen nicht entsprechend anwendbar ist, die durch die – unverschuldete – Explosion eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg verursacht werden. Wenn die Explosion eines Blindgängers aus dem Zweiten Weltkrieg – wie hier – nicht in der Nutzung des Grundstücks angelegt ist, stehen der Eigentümer oder Besitzer des Grundstücks, auf dem ein Blindgänger explodiere, dem verwirklichten Risiko nicht näher oder ferner als die übrigen Beteiligten. Die Explosion ist dann nicht mehr Ausdruck der Situationsbezogenheit des Grundstückseigentums oder Folge der in dem Zustand oder in der Nutzung des Grundstücks angelegten Risiken. Sie trifft die Beteiligten gleichermaßen zufällig und schicksalhaft. Ihre Folgen lassen sich generell und gerade auch in dem hier gegebenen Fall einer Verlagerung des Explosionsrisikos mit dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nicht sachgerecht bewältigen. Die entsprechende Anwendung der in § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB bestimmten verschuldensunabhängigen Haftung des Eigentümers oder des Besitzers des beeinträchtigenden Grundstücks auf solche Beeinträchtigungen überschritte die Grenzen richterlicher Gestaltungsmacht; eine solch weitgehende Haftung könnte nur durch den Gesetzgeber angeordnet werden.“

(sua)



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