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Arbeitgebertag in Berlin

Reiche schlägt Rentenalter wie in Skandinavien vor - Junge Union und Wirtschaftsverbände warnen

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche bringt erstmals offen die Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung ins Gespräch – und verschärft damit die Spannungen innerhalb der Koalition. Das geplante Rentenpaket, das Kanzler Merz noch 2025 verabschieden will, steht dadurch auf wackeligen Beinen. Wirtschaftsverbände, Ökonomen sowie die Junge Gruppe in der Union fordern inzwischen einen Kurswechsel.

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Die deutsche Wirtschafts- und Energieministerin Katherina Reiche spricht am 25. November 2025 beim Jahreskongress des Bundesverbands der Deutschen Arbeitgeberverbände in Berlin.

Foto: Carsten Koall/Getty Images

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Lesedauer: 5 Min.


In Kürze:

  • Reiche bringt ein höheres Renteneintrittsalter nach skandinavischem Vorbild ins Spiel.
  • Junge Gruppe der Union kündigt Widerstand gegen das Rentenpaket an.
  • Wirtschaftsverbände und Ökonomen fordern eine Verschiebung der Reform.
  • Die SPD pocht auf Vertragstreue – Merz drängt auf einen schnellen Beschluss.

 
Mit einem neuen Vorstoß versucht Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche, den Konflikt um das Rentenpaket innerhalb der Koalition zu entschärfen. In einer Rede vor dem Arbeitgebertag am Dienstag, 25. November, in Berlin brachte sie erstmals eine Erhöhung des Renteneintrittsalters konkret ins Spiel.
Wie das „Handelsblatt“ berichtet, orientierte sich Reiche dabei an Modellen aus Dänemark und Schweden. In ihrem Redebeitrag erklärte sie, es gebe „ökonomisch sinnvolle Vorschläge, wie wir das gesetzliche Renteneintrittsalter an die Entwicklung der Lebenserwartung koppeln können“. Zuvor hatte sie nur allgemein über eine längere Lebensarbeitszeit gesprochen.

Reiche will Kritik am Rentenpaket abfedern

Derzeit steigt das reguläre Renteneintrittsalter bis 2031 schrittweise auf 67 Jahre. Danach seien weitere Reformen unvermeidlich, betonte die Ministerin. Bundeskanzler Friedrich Merz will das bereits im August vom Bundeskabinett beschlossene Rentenpaket noch in diesem Jahr durch den Bundestag bringen. Im Anschluss soll eine Kommission eingesetzt werden, die weitreichende Vorschläge zur langfristigen Sicherung der Rente erarbeitet.
Die Initiative von Reiche zielt auf eine langfristige Stabilisierung des Rentensystems ab. Die sogenannte Junge Gruppe von Abgeordneten in der CDU/CSU-Fraktion sieht dieses durch das geplante Rentenpaket gefährdet und kündigt daher an, im Bundestag dagegen zu stimmen. Ohne Unterstützung von Grünen und Linken würde die Vorlage voraussichtlich scheitern – und mit ihr möglicherweise die Koalition selbst.
Rückenwind erhält die Junge Gruppe von Wirtschaftsverbänden und Ökonomen. Jüngst haben 22 Ökonomen, darunter ifo-Chef Clemens Fuest, IW-Präsident Michael Hüther sowie mehrere aktive und ehemalige „Wirtschaftsweisen“, eine Verschiebung des Rentenpakets gefordert. Sie empfehlen, zunächst die Einschätzung der Rentenkommission abzuwarten, die jedoch bislang noch nicht zusammengestellt wurde.

Dulger fordert Ende der abschlagsfreien Rente

Mittlerweile hat sich auch Arbeitgeberpräsident Rainer Dulger mit der Jungen Gruppe und ihren Anliegen solidarisiert. Am Dienstag erklärte er, Kabinettsbeschlüsse könnten geändert werden, und fügte hinzu: „Wenn sie falsch sind, muss das Parlament sie ändern.“
Dulger lehnt das gesamte Rentenpaket ab. Seiner Ansicht nach würde der Politik in dieser Situation „vielleicht eine Denkpause helfen, um danach klug zu entscheiden“. Er betonte, dass es nicht nur nötig sei, die Regelaltersgrenze schrittweise anzuheben, sondern erneuerte auch seine Forderung, die abschlagsfreie Altersrente nach 45 Beitragsjahren abzuschaffen – angesichts des Fachkräftemangels.
Die Junge Gruppe betrachtet bereits die vereinbarte Stabilisierung des Rentenniveaus bei 48 Prozent bis 2031 als Herausforderung. Besonders problematisch hält sie die Regelung, nach der das Rentenniveau auch nach 2031 um etwa einen Punkt höher gehalten werden soll, als es nach geltendem Recht vorgesehen wäre.

Junge Union fordert erst Kommission, SPD pocht auf Kabinettsbeschluss

Dieser Passus im Koalitionsentwurf würde laut der Jungen Gruppe nicht nur Mehrkosten von 120 Millionen Euro verursachen, sondern ist auch im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Der Vorsitzende der Jungen Union, Johannes Winkel, betonte, Regierungsfähigkeit bedeute immer Kompromissbereitschaft.
Gleichzeitig forderte er, zunächst im Einklang mit der Rentenkommission eine langfristige Stabilisierung des Rentensystems anzustreben und erst danach über das Rentenpaket abzustimmen. Die Junge Gruppe habe ihre Einwände „nicht fünf vor zwölf, sondern bereits im Juni dieses Jahres“ vorgebracht – zunächst „intern in jedem denkbaren Gremium“. Der von Kanzler Merz vorgeschlagene unverbindliche Entschließungsantrag reiche den jungen Abgeordneten nicht aus.
Die SPD besteht auf der vollständigen Umsetzung des Rentenpakets, so wie es im Kabinett auch von den Unionsministern beschlossen wurde. Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas erklärte am Arbeitgebertag, sie erwarte, dass „diese Verlässlichkeit und Vertragstreue für alle gilt“. Eine langfristige Reform des Rentensystems sei jedoch über das laufende Jahr hinaus notwendig.

Klingbeil: Kabinettsbeschluss unverändert

Auch Vizekanzler Lars Klingbeil betonte, am Kabinettsbeschluss nichts ändern zu wollen: „Ich bin sehr klar darin, dass wir dieses Gesetz jetzt beschließen sollten, wie wir es vorgelegt haben.“
Über mögliche Reformen werde anschließend in der Rentenkommission gesprochen: „Da kommt alles auf den Tisch.“
Am Donnerstag wird die Rentenpolitik zudem beim Treffen der Fraktionsspitzen im Koalitionsausschuss Thema sein. Innerhalb der Union gebe es „intensive Gespräche“, um die internen Kritiker einzubinden, erklärte Parlamentsgeschäftsführer Steffen Bilger.
Reinhard Werner schreibt für Epoch Times zu Wirtschaft, gesellschaftlichen Dynamiken und geopolitischen Fragen. Schwerpunkte liegen dabei auf internationalen Beziehungen, Migration und den ökonomischen Folgen politischer Entscheidungen.

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