Reiseführer rät Innensenator Geisel: Lieber nicht in die Shisha-Bar

In Neukölln konzentrieren sich sozialpolitische Herausforderungen, vor denen viele andere Großstädte auch stehen.
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Shisha-Bar. Symbolbild.Foto: iStock
Epoch Times13. Oktober 2018

Ganz langsam rollt der Kleinbus mit Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) an Bord an dem berüchtigten Café in Neukölln vorbei. Neugierig blickt Geisel am Freitagabend auf die Shisha-Bar „Eternal“ (Name geändert) in der Sonnenallee. Einfach einmal anhalten und reingehen, davon rät Geisels Reiseführer Thomas Böttcher, Leiter des Polizeiabschnitts 53, lieber ab: „Man würde uns nichts antun, aber wüst beschimpfen.“

Im „Eternal“ habe der Anfang September in aller Öffentlichkeit erschossene Schwerstkriminelle Nidal R. regelmäßig Hof gehalten, sagt der Sicherheitskoordinator des Bezirks, Christian Bärmann. Wer auf U-Bahnhöfen in R.s Einflussbereich Drogen verkaufen wollte, konnte hier Lizenzen erwerben. 40 Euro sollen die Standorte am Tag gekostet haben, sagt eine Neuköllner Beamtin mit Clan-Expertise.

Der Tod von Nidal R. hatte bundesweit für Schlagzeilen gesorgt und das öffentliche Bild von Berlin-Neukölln als Hochburg arabisch geprägter Clan-Kriminalität scheinbar bestätigt. Auf Einladung der Neuköllner Abgeordneten Nicola Böcker-Giannini (SPD) tourt Geisel durch den Norden Neuköllns, um sich ein Bild von der Lage zu machen.

Auch nach R.s Tod brummt das Geschäft im gut besuchten „Eternal“. „Die nehmen den gesamten Bürgersteig ein“, sagt Bärmann. Böttcher sagt: „Diese Leute glauben, Sie sind hier der Ordnungsfaktor.“ Wenn die Polizei oder das Ordnungsamt einschritten, heiße es oft „Verpisst euch, das ist unsere Straße“.

Nie sei die Polizei hier ohne Schutzwesten und schwere Bewaffnung unterwegs, kein Funkwagen fahre allein zu einem Einsatz in der vor allem von Zuwanderern aus dem arabischen Raum bewohnten Gegend um die Sonnenallee, sagt Böttcher. Selbst die Aufnahme einfacher Verkehrsunfälle eskaliere schnell in Zusammenrottungen von 60 Anwohnern, die die Beamten bedrängten und beschimpften.

Als der Kleinbus dann doch in Sichtweite zum „Eternal“ zum Stehen kommt und Geisel und seine Reiseführer aussteigen, beobachten junge muskulöse Männer aufmerksam die Besucher aus der Ferne. An den Fenstern einiger Mietshäuser, die nach Bärmanns Angaben von arabischen Clans erworben wurden, schauen Bewohner auf die fremden Anzugträger. Geisels Personenschützer bilden einen weiten Kreis um die Gruppe.

Geisel war einmal Bürgermeister des Ostberliner Arbeiterbezirks Lichtenberg, er wohnt im bürgerlichen Stadtteil Karlshorst. Seit bald zwei Jahren ist er Innensenator und hat sich schon einmal nachts von Mitarbeitern des Landeskriminalamts Berlin durch die Sonnenallee fahren lassen. „Da ist mir manche Illusion abhanden gekommen, über das, was ich früher für Folklore hielt“, sagt er.

In Neukölln konzentrieren sich sozialpolitische Herausforderungen, vor denen viele andere Großstädte auch stehen. Der Bezirk, in dem im Frühjahr Martin Hikel die heutige Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (beide SPD) als Bürgermeister abgelöst hat, versucht hierin auch eine Chance zu begreifen und experimentiert mit neuen Lösungsansätzen.

Im Zentrum steht dabei die Vernetzung von Behörden. Die Polizei arbeitet eng mit Schulen und dem Bezirksamt zusammen. Der Bezirk diene über die Gewerbeaufsicht oft als Türöffner für die Polizei, die keine Möglichkeit habe, anlasslos einschlägig bekannte Lokale zu kontrollieren, sagt Böttcher. Außerdem hat der Bezirk seit einem Jahr einen eigenen Staatsanwalt, um Intensivtäter schneller zu bestrafen.

Böttcher möchte zusätzlich die Agentur für Arbeit einbeziehen, um Transfergeldbeziehern, die mit Bargeld Luxusautos und Eigentumswohnungen erwerben, schneller beizukommen. Doch selbst erfolgversprechende Strategien sind langwierig. Derweil rollen auf den Bezirk mit hoher Geschwindigkeit neue Probleme zu. Seit einiger Zeit werben arabische Clans gezielt junge Geflüchtete an, oft Minderjährige und noch öfter selbst drogensüchtig.

„Vieles, was ich heute gesehen habe, macht mich total nachdenklich und ich habe keine schnellen Antworten“, sagt Geisel nach der abschließenden U-Bahnfahrt durch Nordneukölln, während er Drogenverkäufer und Konsumenten auf U-Bahnhöfen begegnen.

Der 52-jährige Geisel mag keine schnelle Abhilfe zusagen: „Die Ursachen der Probleme sind sozialpolitisch und gesundheitspolitisch zu lösen, nicht von der Polizei.“ (afp)



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