Rupert Scholz: Die Migrationspolitik ist verfassungswidrig - Das thematisiert bis jetzt nur die AfD
2015 entschied Bundeskanzlerin Angela Merkel syrische Flüchtlinge aus humanitären Gründen aufzunehmen. Für Verfassungsrechtler Rupert Scholz ist das ethisch-moralisch gesehen verständlich. Dennoch sieht er darin einen klaren Verfassungsbruch.

Der Staatsrechtler Rupert Scholz.
Foto: Screenshot youtube / N24
Der Verfassungsrechtler und Ex-Verteidigungsminister Rupert Scholz hat die Migrationspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) scharf kritisiert. „Die Migrationsentscheidung vom Herbst 2015 war verfassungswidrig und europarechtswidrig. Ein Zustand, der bis heute andauert“, sagte Scholz der „Welt“ (Montagsausgabe).
Leider habe dies bis heute keine Partei wirklich thematisiert, mit Ausnahme der AfD. Das Argument der Bundeskanzlerin, dass es sich um eine humanitäre Notlage gehandelt habe, lässt Scholz nicht gelten. „Moral ist aber wie Humanität keine eigene Rechtsquelle. Moral ist etwas Ethisches, und das ethische Bewusstsein des Einzelnen ist variabel.“
In einem Staat, in dem eine Gesellschaft zusammenlebe, könnten nur das Gesetz und die Verfassung die maßgebende Linie sein. „Keine sogenannte Moral darf sich darüber hinwegsetzen. Andernfalls ist der Rechtsstaat am Ende.“ Das Regelwerk von Dublin müsse angewendet werden, so Scholz.
Dublin wird nicht praktiziert
„Dublin funktioniert nicht, wenn es nicht praktiziert wird. Es gibt keine Humanität über der Verfassung oder gegen die Verfassung.“ Deutschland nehme nach wie vor jährlich mehr als 100.000 Menschen auf, die alle nach der beschriebenen Rechtslage keinen Anspruch auf Aufnahme hätten.
„Die Grundlage einer demokratischen rechtsstaatlichen Ordnung ist, dass wir uns an das Recht halten. Stelle ich eine von mir selbst definierte Humanität über die Verfassung, ist das ein eklatanter Verstoß gegen die demokratische Rechtsstaatlichkeit.“ Scholz legte seiner Partei nahe, auf längere Sicht den Kurs der klaren Abgrenzung zur AfD zu überdenken.
„Bei der AfD muss man abwarten, wie sich die Partei entwickelt. Ich teile nicht alle Positionen der AfD. Aber sie ist eine Partei, die nach ihrer Programmatik auf dem Boden des Grundgesetzes steht, sie ist nicht verfassungsfeindlich“, so Scholz. „Den einen oder anderen Ausreißer gibt es in jeder Partei.“
Die Politik gegenüber der AfD halte er für „hochproblematisch“. Denn es sei kein guter demokratischer und rechtsstaatlicher Stil, „die AfD durchweg als Populisten und Rassisten zu bezeichnen“. Heute halte er die Absage an eine Zusammenarbeit für richtig. „Aber die CDU muss weiterdenken.“
Verfassungsklage von Klimaaktivisten aussichtslos
Zudem hält Scholz die Klage von Klimaaktivisten vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe für aussichtslos. „Ich halte solche Verfassungsbeschwerden für unbegründet. Es gibt keinen subjektiv verletzten Einzelbürger oder Verband, wie es bei Grundrechten nötig ist“, sagte Scholz der „Welt“ (Montagsausgabe).
Der verfassungsrechtliche Kontrollmaßstab könne nur Artikel 20a Grundgesetz sein, der die natürlichen Lebensgrundlagen, die Umwelt schützt, wozu das Klima gehöre.
„Das ist eine Staatszielbestimmung, die ich selbst als Vorsitzender der gemeinsamen Verfassungskommission von Bund und Ländern nach der Wiedervereinigung formuliert habe. Demnach gibt es aber kein subjektives Recht des Einzelnen auf Umwelt- oder Klimaschutz. Das Staatsziel muss vom Gesetzgeber konkretisiert werden. Insofern halte ich solche Klagen für aussichtslos.“
Die Begründung des Anwalts der Kläger, wonach es sich beim Klimaschutz um Grundrechtsschutz handle, könne ebenfalls nicht herangezogen werden. „Es gibt das einklagbare Grundrecht aus Artikel 2 Absatz 2, das Recht auf Gesundheit und Leben. Der Klimaschutz ist etwas Präventives. Ein Grundrecht schützt nur repressiv gegen Verletzungen.“
Der Gesetzgeber habe bei allem einen hohen Beurteilungsspielraum, den er auch haben müsse. „Setzt er ein Klimaschutzgesetz in Kraft, ist das die konkret gültige Klimaregelung.“ Die Klimadebatte wertete Scholz als „zu hysterisch und zu polarisierend“. Politisch ausgewogene Debatten, gerade in einer pluralistischen Gesellschaft, müssten aber offen und kompromissfähig geführt werden.
„Das ist bei uns leider oft nicht mehr der Fall.“ Es sei doch völlig klar, dass Klimaschutz verfassungsrechtlich verhältnismäßig gestaltet werden müsse. „Alles von Wirtschaft über Energiesicherung bis Verbraucherschutz dem Klimaschutz unterzuordnen, geht nicht.“ (dts/nh)
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