Messerangriffe in Schulen – Salzwedel und Baden: Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung?

Nach der Pause ging ein Schüler in Baden-Württemberg mit einem Messer bewaffnet auf einen Gleichaltrigen los. In Sachsen-Anhalt verletzte eine 14-Jährige einen Mitschüler mit einem Messer am Rücken. Sind die Taten ein Zeichen wachsender Gewalt unter Jugendlichen?
Titelbild
Einsatzfahrzeuge von Polizei und Rettungsdiensten stehen vor einer Schule in Östringen, an der ein 13-Jähriger einen Mitschüler attackierte.Foto: Julian Bucher/Einsatzreport 24/dpa/dpa
Epoch Times24. November 2020

Die Messerangriffe eines 13-Jährigen auf einen Mitschüler in Baden und einer 14-Jährigen auf einen Schüler in Sachsen-Anhalt sind aus Expertensicht Einzelfälle.

Bei einem Vorfall am Montag in einer Realschule in Östringen im Kreis Karlsruhe hatte ein Jugendlicher nach einer Pause mit dem Messer mehrfach auf den Oberkörper des gleichaltrigen Mitschülers aus einer anderen siebten Klasse eingestochen. Als Hintergrund der Messerattacke sieht die Polizei nach bisherigen Erkenntnissen monatelange Streitigkeiten zwischen den beiden deutsch-türkischen Schülern, die in verschiedene siebte Klassen der Schule gehen.

Der Angreifer soll nach der Pause ins Klassenzimmer des Opfers gekommen sein und dem Jugendlichen „mehrere Stichverletzungen am Oberkörper zugefügt haben“, so der Sprecher. Der verletzte 13-Jährige war am Dienstag aber außer Lebensgefahr. Die Teenager und ihre Familien würden eng durch das Jugendamt betreut.

Am selben Tag soll eine 14-Jährige in einer Schule im altmärkischen Salzwedel (Sachsen-Anhalt) einem gleichaltrigen Mitschüler ein Messer in den Rücken gestochen haben. Das Motiv für den Angriff war zunächst unklar. Nach Angaben der „Volksstimme“ soll der Mitschüler dabei schwer verletzt worden sein. Ein großes Aufgebot von Rettungskräften und Polizei war vor Ort. Die Polizei Salzwedel und das Landesschulamt bestätigten mittlerweile den Vorfall.

Jugendinstitut: Von „Brutalisierung der Jugendgewalt“ könne keine Rede sein

„Solche Fälle sind extrem selten“, sagte Matthias Schneider, Geschäftsführer der Lehrergewerkschaft GEW in Baden-Württemberg. Zahlen dazu seien schwer zu vergleichen, weil früher nicht jeder Fall in die Statistik eingegangen sei. Die tatsächliche Belastung der Schulen durch Gewaltexzesse sei deutlich geringer, als es oft den Eindruck mache, heißt es auch in einer Broschüre des Kultusministeriums in Stuttgart. Das Deutsche Jugendinstitut berichtet ebenfalls, dass von „Brutalisierung von Jugendgewalt“ keine Rede sein könne.

Der Chef der Deutschen Polizei-Gewerkschaft, Rainer Wendt, hingegen sagte dpa: „Schule ist kein geschützter Raum mehr. Da sitzen Jungs, die finden es toll, dass sie ein Messer dabei haben.“ Lehrer sollten auch ohne gerichtlichen Beschluss die Taschen der Schüler durchsuchen dürfen, forderte er. Und sie müssten etwa wissen, wenn ein Schüler in der Freizeit wegen Gewaltbereitschaft auffalle. Dass die Lehrkräfte darüber informiert würden, verhindere im Moment aber der Datenschutz, so Wendt.

Jugendgewalt ereigne sich meist unter männlichen Jugendlichen, so das Deutsche Jugendinstitut. Zwar gebe es nach einem längeren Rückgang von körperlicher Gewalt einen Anstieg in einzelnen Schulformen – vor allem an Hauptschulen, schreiben die Fachleute in einer Analyse von Daten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung. Die Zahl der erfassten Knochenbrüche bei „Raufunfällen“ an Schulen sei aber „seit Jahren auf einem nahezu gleichbleibenden, sehr niedrigen Niveau“.

Gewalt als Mittel zur Konfliktlösung

Auch wenn derartige Gewaltausbrüche selten vorkommen, erregen sie immer wieder Aufsehen. 2018 beispielsweise hatte ein Schüler im nordrhein-westfälischen Lünen einen Mitschüler auf dem Flur einer Gesamtschule erstochen. Ein Gericht verurteilte den 16-Jährigen zu sechs Jahren Jugendstrafe wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Als mögliche Ursachen für Jugendgewalt zählt die Polizei unter anderem auf, dass man zu Hause in der Familie Gewalt als Mittel der Konfliktlösung erlebt habe. Konsum entsprechender Medien, Perspektiv- und Orientierungslosigkeit könnten weitere Faktoren sein.

Was deutlich zunehme, sei verbale Gewalt etwa in Form von Cybermobbing, sagte Gewerkschafter Schneider. Aus seiner Sicht muss die Sozialarbeit an den Schulen ausgebaut werden. „Sozialarbeiter gibt es an vielen Schulen, aber nicht an allen. Das sollte Standard sein.“ Die Fachleute hätten eine andere Rolle als Lehrer, müssten Schüler zum Beispiel nicht benoten. Das schaffe ein anderes Verhältnis. Zudem brächten sie eine andere Expertise mit. (dpa)



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