Logo Epoch Times
„Verfassungsfeindliche Grundhaltung“

„Schlag gegen den TikTok-Islamismus“ - Innenministerium verbietet „Muslim Interaktiv“

Forderungen nach einem Kalifat, Israel-Feindlichkeit, Verachtung für Frauen und Minderheiten – warum das Innenministerium einen islamistischen Verein verbietet. Der Verein wird aufgelöst, das Vermögen beschlagnahmt.

top-article-image

In mehreren Bundesländern gab es Durchsuchungen bei den betroffenen Vereinen.

Foto: Annette Riedl/dpa

author-image
Artikel teilen

Lesedauer: 6 Min.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt hat den islamistischen Verein Muslim Interaktiv verboten. Zudem laufen gegen die Vereine Generation Islam und Realität Islam vereinsrechtliche Ermittlungen, wie das Ministerium mitteilte. Im Zusammenhang mit dem Verbot und den Ermittlungen untersuchten Polizeikräfte am frühen Morgen Objekte in Hamburg, Berlin und Hessen.
In Hamburg gab es demnach Durchsuchungen in sieben Objekten. Nach dpa-Informationen liegen sie in den Stadtteilen Neuallermöhe und Mümmelmannsberg. Zahlreiche Polizeikräfte waren im Einsatz. In Hessen sind nach Angaben einer Sprecherin des hessischen Innenministeriums vier Objekte betroffen. In Berlin liegt einer der Einsatzorte nach dpa-Informationen im Bezirk Neukölln.

„Verfassungsfeindliche Grundhaltung“

„Wer auf unseren Straßen aggressiv das Kalifat fordert, in unerträglicher Weise gegen den Staat Israel und Juden hetzt und die Rechte von Frauen und Minderheiten verachtet, dem begegnen wir mit aller rechtsstaatlichen Härte“, erklärte Dobrindt.
„Wir lassen nicht zu, dass Organisationen wie „Muslim Interaktiv“ mit ihrem Hass unsere freie Gesellschaft zersetzen, unsere Demokratie verachten und unser Land von innen heraus angreifen.“
Hamburgs Innensenator Andy Grote bezeichnete das Verbot als Schlag gegen „den modernen Tiktok-Islamismus“. „Mit dem heute vollstreckten Verbot von Muslim Interaktiv haben unsere Sicherheitsbehörden eine gefährliche und sehr aktive islamistische Gruppierung ausgeschaltet“, sagte der SPD-Politiker.
Im April 2024 hatte eine Kundgebung in Hamburg bundesweit für Empörung gesorgt, die offenbar von einem Mitglied von Muslim Interaktiv angemeldet worden war. Dabei hatten mehr als 1200 Menschen gegen eine angeblich islamfeindliche Politik Deutschlands demonstriert. Auf Schildern war dabei unter anderem „Kalifat ist die Lösung“ zu lesen. Seitdem wurden Forderungen laut, Organisationen wie Muslim Interaktiv zu verbieten.
Teilnehmer einer Islamisten-Demo hielten bei der Demonstration am 27. April unter anderem ein Plakat mit der Aufschrift «Kalifat ist die Lösung» in die Höhe.

Teilnehmer einer Islamisten-Demo hielten bei der Demonstration am 27. April unter anderem ein Plakat mit der Aufschrift „Kalifat ist die Lösung“ in die Höhe.

Foto: Axel Heimken/dpa

Der Leiter des Hamburger Verfassungsschutzes, Torsten Voß, sprach von einem starken Zeichen des Rechtsstaats gegen Islamismus in Hamburg. „Wir werden die Feinde unserer Demokratie auch künftig mit allen rechtsstaatlichen Mitteln bekämpfen“, erklärte Voß. „Das Verbot schützt auch die Religion, denn es richtet sich ausdrücklich nicht gegen Muslime, sondern gegen Verfassungsfeinde, die den Islam für ihre ideologischen Zwecke missbrauchen.“

Zu den Verbotsgründen: Islam als alleiniges gesellschaftliches Ordnungsmodell

Muslim Interaktiv lehne das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip ab und weise damit eine verfassungsfeindliche Grundhaltung auf, teilt das Bundesinnenministerium mit. Der Verein verstoße gegen den Gedanken der Völkerverständigung, indem er das Existenzrecht Israels bestreite. Er werde aufgelöst und sein Vermögen beschlagnahmt.
Der Islam solle aus Sicht von Muslim Interaktiv als alleiniges gesellschaftliches Ordnungsmodell dienen und islamisches Leben staatlichen Entscheidungen vollständig entzogen sein.
Zum Beleg führte das Ministerium Zitate des Vereins auf wie „all unsere Ideen und Wertevorstellungen entspringen unserer islamischen Weltanschauung und sind unverhandelbar“. Die demokratische Gesellschaft entspreche demnach einer „Wertediktatur“.
Die Ablehnung von Demokratie und Rechtsstaat durch „Muslim Interaktiv“ werde auch in der ständigen Forderung des Vereins nach der Errichtung eines Kalifats deutlich.
Darüber hinaus missachte Muslim Interaktiv die Menschenrechte, so das Bundesinnenministerium. Die Gruppe richte sich insbesondere gegen die Gleichberechtigung der Geschlechter sowie gegen die Freiheit hinsichtlich sexueller Orientierung und geschlechtlicher Identität.
Demonstranten nehmen an einer Kundgebung der islamistischen Gruppierung Muslim Interaktiv in Hamburg teil.

Demonstranten nehmen an einer Kundgebung der islamistischen Gruppierung Muslim Interaktiv in Hamburg teil.

Foto: Gregor Fischer/dpa

Muslim Interaktiv agiere auch in der gesetzlich geforderten kämpferisch-aggressiven Weise gegen die verfassungsmäßige Ordnung. Man setze auf die massive Nutzung sozialer Medien und „Performances“ in der realen Welt. „Hierdurch soll eine möglichst große Gruppe von Menschen indoktriniert und so beständig Verfassungsfeinde geschaffen werden, um die verfassungsmäßige Ordnung fortlaufend zu untergraben.“
Der Verein verstoße gegen den Gedanken der Völkerverständigung, indem der Verein das Existenzrecht Israels bestreitet.

Weitere Ermittlungen

Das Ermittlungsverfahren gegen und die Durchsuchungen bei Generation Islam und Realität Islam seien geboten, da die Organisationen dringend verdächtig seien, die gleichen Verbotsgründe zu verwirklichen wie Muslim Interaktiv oder dessen Teilorganisationen zu sein, so das Innenministerium. In dem Ermittlungsverfahren sollten Erkenntnisse über „sämtliche inhaltliche, organisatorische, personelle und finanzielle Aspekte dieser Vereinigungen“ erlangt werden.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht bei den drei Vereinigungen, die sich mit ihren Aktionen und Social-Media-Aktivitäten vorwiegend an junge deutschsprachige Muslime richten, eine ideologische Nähe zur Islamisten-Gruppierung „Hizb ut-Tahrir“, für die in Deutschland seit 2003 ein Betätigungsverbot gilt.

Zielgruppe junge Muslime

Die Protagonisten der drei Vereinigungen rufen zu einer an einem archaischen Islam orientierten Lebensweise und zur Abkehr von der Mehrheitsgesellschaft auf. Sie warnen vor einer angeblich staatlich forcierten Anpassung und stellen Muslime generell als unterdrückte Minderheit dar. Das verfängt vor allem bei jungen Muslimen, die im Alltag aufgrund ihrer Religion Ausgrenzung erfahren haben.
Insbesondere die Gruppe Muslim Interaktiv sei „mit ihrer an der Popkultur orientierten Aufmachung und ihrem professionellen Auftritt in den sozialen Medien vor allem für Jugendliche attraktiv“, heißt es im Verfassungsschutzbericht 2024. Im vergangenen Jahr sei es ihr zudem gelungen, bei mehreren Demonstrationen, die sich auf den Nahost-Konflikt bezogen, teilweise mehr als 1.000 Teilnehmer zu mobilisieren.
Die drei Gruppierungen werden nicht dem dschihadistischen Spektrum zugeordnet. Das heißt, dass die Islamisten zur Durchsetzung ihrer politischen Ziele – anders als Gruppierungen wie Al-Kaida oder der sogenannte Islamische Staat (IS) – nicht auf Gewalt und Terrorismus setzen. (dpa/red)

Kommentare

Noch keine Kommentare – schreiben Sie den ersten Kommentar zu diesem Artikel.