Seehofer kritisiert Presserat wegen „taz“-Kolumne: „Kritik darf Menschenwürde nicht absprechen“

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Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU).Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa/dpa
Epoch Times9. September 2020

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) hat die Entscheidung des Presserats zugunsten der umstrittenen Polizei-Kolumne der „taz“ scharf kritisiert. Dass das Gremium keinen Verstoß gegen den Pressekodex sehe und die Äußerungen für eine „Geschmacksfrage“ halte, sei eine „unerträgliche Verharmlosung“, erklärte Seehofer am Mittwoch. Der Presserat hatte den Text als „drastisches Gedankenspiel“ gewertet, erkannte aber keinen Verstoß gegen die im Pressekodex festgeschriebene Menschenwürde. Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) nannte Seehofers Kritik „unangemessen“.

Der Presserat sieht das Gedankenspiel der Autorin, dass bisherige Polizisten am besten auf einer „Mülldeponie“ als Arbeitsplatz aufgehoben seien, von der Meinungsfreiheit gedeckt. Das Gremium hatte 382 eingegangene Beschwerden gegen die im Juni von der Berliner „tageszeitung“ veröffentlichte Kolumne als unbegründet zurückgewiesen.

Presserat: Polizei muss sich gefallen lassen, kritisiert zu werden

Die Polizei als Teil der Exekutive müsse sich gefallen lassen, von der Presse scharf kritisiert zu werden, bewertete der Beschwerdeausschuss. Die Satire beziehe sich im Kern auf die gesellschaftliche Debatte über strukturelle Probleme bei der Polizei wie Rechtsradikalismus, Gewalt und Rassismus, so der Presserat.

Die Mitglieder des Rates kamen mit überwiegender Mehrheit zu dem Schluss, dass der Text nicht gegen die Menschenwürde von Polizisten nach Ziffer 1 des Pressekodex verstößt, da sich die Kritik auf eine ganze Berufsgruppe und nicht auf Einzelpersonen bezieht. „Die Polizei ist zudem eine gesellschaftlich anerkannte Berufsgruppe, die nicht unter den Diskriminierungsschutz nach Ziffer 12 des Pressekodex fällt, anders als etwa Angehörige von religiösen oder ethnischen Minderheiten“, äußert sich das Gremium.

Die Wortwahl „Mülldeponie“ als einziger Ort für die Polizei berührt aus Sicht des Presserats Geschmacksfragen, über die sich streiten lässt, die aber keine Grundlage für die ethische Bewertung sind. Die Interpretation einiger Beschwerdeführer, Polizisten würden mit Müll gleichgesetzt, ist aus Sicht des Gremiums nicht zwingend. „Es handelt sich hier um ein drastisches Gedankenspiel, das aber – wie aus der Kolumne hervorgeht – Raum für unterschiedliche Interpretationen bietet und daher noch unter die Meinungsfreiheit fällt.“

Seehofer: „Es geht nicht mehr um Geschmack, sondern um unser gemeinsames Wertesystem“

Seehofer verwies darauf, dass Polizisten in der Kolumne mit dem Titel „All cops are berufsunfähig“ öffentlich „als Müll bezeichnet“ würden. „Wenn eine ganze Berufsgruppe, die tagtäglich den Kopf für uns hinhält, in dieser brachialen Weise bewusst herabgesetzt und verunglimpft wird, geht es nicht mehr um Geschmack, sondern um unser gemeinsames Wertesystem“, so der Innenminister.

Er fügte hinzu: „Wenn man sagen darf, dass Menschen auf den Müll gehören, ist dieses Wertesystem ganz offenkundig aus den Fugen geraten.“ Solche Haltungen „wirken spaltend“, erklärte der CSU-Politiker mit Blick auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Die Polizei müsse scharfe Kritik aushalten, „aber Kritik darf niemandem die Menschenwürde absprechen“. Er werde „als Bundesinnenminister, als Mensch und als Christ“ eine solche Sprache „niemals akzeptieren“.

Zu einem ursprünglich geplanten Gespräch Seehofers mit Vertretern der „taz“ kommt es nach Angaben des Bundesinnenministerium nicht. Ein Ministeriumssprecher sagte, der eigentliche Gesprächszweck sei „entfallen“. Er verwies auf Äußerungen der „taz“-Chefredakteurin Barbara Junge. Diese hatte wenige Tage nach Erscheinen des Textes geschrieben: „Eine Kolumne, so satirisch sie auch gemeint gewesen sein mag, die so verstanden werden kann, als seien Polizisten nichts als Abfall, ist daneben gegangen. Das tut mir leid.“

DJV: „Geschmack und Werte nicht miteinander verwechseln“

Der DJV-Bundesvorsitzende Frank Überall erklärte am Mittwoch: „Horst Seehofer hat nicht nur Aufgaben als Polizeiminister, sondern ist als Verfassungsminister auch Hüter der Grundwerte.“ Einer dieser Grundwerte sei die Presse- und Meinungsfreiheit, „die der Innenminister in seiner Erklärung mit keinem Wort erwähnt“. Darüber hinaus solle der Minister „Geschmack und Werte nicht miteinander verwechseln“. (afp)



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