SPD gewinnt Landtagswahl in Niedersachsen

Es ist die Überraschung zum Ende des Superwahljahres: Die SPD siegt in Niedersachsen - und deklassiert die in Umfragen lange führende CDU. Eine Fortsetzung von Rot-Grün ist aber nicht möglich. Das Ergebnis dürfte die Jamaika-Gespräche im Bund nicht einfacher machen.
Titelbild
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil: Für die SPD bedeutet das Ergebnis einen Riesenerfolg zum Ende des Superwahljahres.Foto: Julian Stratenschulte/dpa
Epoch Times16. Oktober 2017

Rot-Grün in Niedersachsen ist knapp abgewählt. Drei Wochen nach ihrer historischen Niederlage bei der Bundestagswahl hat die SPD die vorgezogene Landtagswahl in Niedersachsen zwar spektakulär gewonnen.

Wegen deutlicher Verluste der Grünen hat die rot-grüne Koalition aber keine Mehrheit mehr, wie das vorläufige amtliche Endergebnis in der Nacht zum Montag ergab. Die Koalition in Niedersachsen war das letzte rot-grüne Bündnis in einem Flächenland. Damit steht eine schwierige Regierungsbildung in Niedersachsen bevor.

Die SPD unter Ministerpräsident Stephan Weil legt deutlich zu und wird zum ersten Mal seit 1998 wieder stärkste Kraft. Die CDU fährt mit ihrem Spitzenkandidaten Bernd Althusmann ihr schlechtestes Ergebnis seit 1959 ein, obwohl sie in Umfragen lange vorn gelegen hatte. Die Grünen landen zwar vor der FDP auf Platz drei, erleiden aber starke Einbußen. Die AfD schafft den Einzug ins Parlament, die Linken scheitern.

Rechnerisch möglich sind nun eine große Koalition aus SPD und CDU, ein Ampel-Bündnis von SPD, FDP und Grünen sowie eine Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen, wie sie Kanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bund anstrebt. Die FDP hat eine Ampel-Koalition aber bereits ausgeschlossen. Die Grünen ließen ihre Haltung zu einer Jamaika-Koalition am Wahlabend zunächst offen.

Wahlsieger Weil kündigte an, er wolle mit allen Landtagsparteien außer der AfD sprechen. Er sprach von einem „fulminanten Erfolg“ für die SPD: „Wir können zum ersten Mal seit der letzten Landtagswahl mit Gerhard Schröder vor 19 Jahren wieder die stärkste Fraktion im Landtag werden, das ist großartig.“

Für Rückenwind sorgte aus seiner Sicht auch, dass sich die SPD im Bund unmittelbar nach der herben Schlappe bei der Bundestagswahl für die Opposition entschieden hatte. Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen geht der SPD-Sieg in Niedersachsen stark auf das hohe Ansehen Weils und auf Landesthemen zurück.

Die Sozialdemokraten verbessern sich nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis auf 36,9 Prozent, gut vier Punkte mehr als 2013. Die CDU kommt nur noch auf 33,6 Prozent, rund zweieinhalb Punkte weniger. Die Grünen rutschen fünf Punkte ab auf 8,7 Prozent. Die FDP landet bei 7,5 Prozent, ein Minus von 2,4 Punkten.

Die AfD schafft mit 6,2 Prozent den Einzug ins Parlament, bleibt aber hinter ihren jüngsten Wahlerfolgen zurück. Noch am Wahlabend verschickten Angehörige des Landesvorstandes ein Rundschreiben an die Mitglieder, in dem sie zur Einberufung eines Parteitages und zur Wahl einer neuen Landesspitze aufriefen. Die Linke scheitert mit 4,6 Prozent (3,1). Damit sind künftig fünf statt vier Parteien im Landtag vertreten. Die Wahlbeteiligung stieg auf 63,1 Prozent (59,4).

Die Sitzverteilung sieht mit Überhang- und Ausgleichsmandaten so aus: CDU 50 (2013: 54), SPD 55 (49), Grüne 12 (20), FDP 11 (14) und die AfD 9 (0). Rot-Grün kommt damit auf 67 Mandate. Die absolute Mehrheit liegt bei 69 Mandaten.

Die Neuwahl wurde nötig, weil die Grünen-Abgeordnete Elke Twesten Anfang August von den Grünen zur CDU gewechselt war. Die seit 2013 regierende rot-grüne Koalition verlor damit ihre Ein-Stimmen-Mehrheit, die Stimmung zwischen SPD und Grünen auf der einen und der CDU auf der andere Seite gilt seither als vergiftet.

Für die SPD bedeutet das Ergebnis einen Riesenerfolg zum Ende des Superwahljahres. Neben der Bundestagswahl verlor die Partei in diesem Jahr auch alle drei bisherigen Landtagswahlen. Die Wahl in Niedersachsen könnte auch SPD-Chef Martin Schulz Auftrieb geben, der sich trotz seiner gescheiterten Kanzlerkandidatur im Dezember zur Wiederwahl stellen will. Er hatte unmittelbar nach der Bundestagswahl angekündigt, die SPD in die Opposition zu führen.

Schulz erklärte, was Weil in den letzten Wochen geleistet habe, sei „einzigartig in der Wahlkampfgeschichte der Bundesrepublik Deutschland“. Er hoffe, dass die SPD auch bundesweit davon profitiere. SPD-Vize Ralf Stegner wertete den Erfolg als Beleg dafür, dass Schulz die Partei sehr erfolgreich führe. Er werde den Erneuerungsprozess in Richtung einer linken Volkspartei einleiten, „die sich deutlich gegen die Union stellt“.

Großer Verlierer ist die CDU. Mitte August hatte sie in Umfragen noch bei rund 40 Prozent gelegen. Der CDU-Wirtschaftsrat gab Merkel eine Mitschuld. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer wertete die Niederlage als „erneutes Alarmsignal“ für die gesamte Union. Er kündigte eine klare Kante der CSU in den anstehenden Sondierungsgesprächen über ein Jamaika-Bündnis auf Bundesebene an. Der Grünen-Politiker Jürgen Trittin befürchtet, dass die CDU-Pleite die Verhandlungen erschwert.

CDU-Spitzenkandidat Bernd Althusmann führte die Verluste auch auf einen negativen Bundestrend zurück: „Es war am Ende eher ein bisschen mehr Gegenwind.“ Er sieht dennoch einen Auftrag zum Mitregieren: „Auch wir, in welcher Konstellation auch immer, haben einen klaren Gestaltungsauftrag für Niedersachsen“. Dies ginge rechnerisch in einer Jamaika-Koalition mit FDP und Grünen oder als Juniorpartner der SPD in einer großen Koalition. (dpa)

Die Freude ist groß: Die SPD siegt in Niedersachsen. Foto: Michael Kappeler/dpa

Die Freude ist groß: Die SPD siegt in Niedersachsen. Foto: Michael Kappeler

SPD-Anhänger jubeln nach den ersten Hochrechnungen: Die Partei hat überraschend klar gewonnen. Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

SPD-Anhänger jubeln nach den ersten Hochrechnungen: Die Partei hat überraschend klar gewonnen. Foto: Hauke-Christian Dittrich

Großer Verlierer der Wahl sind die CDU und Herausforderer Althusmann. Foto: Bernd Von Jutrczenka/dpa

Großer Verlierer der Wahl sind die CDU und Herausforderer Althusmann. Foto: Bernd Von Jutrczenka

Der SPD-Parteivorsitzende, Martin Schulz, spricht in Berlin im Willy-Brandt-Haus nach der ersten Hochrechnung zur Landtagswahl in Niedersachsen. Foto: Kay Nietfeld/dpa

Der SPD-Parteivorsitzende, Martin Schulz, spricht in Berlin im Willy-Brandt-Haus nach der ersten Hochrechnung zur Landtagswahl in Niedersachsen. Foto: Kay Nietfeld

Niedersachsen wählt: eine Wahlkabine in Herzberg. Foto: Swen Pförtner/dpa

Niedersachsen wählt: eine Wahlkabine in Herzberg. Foto: Swen Pförtner

Plenarsaal des niedersächsischen Landtags in Hannover. Foto: Holger Hollemann/dpa

Plenarsaal des niedersächsischen Landtags in Hannover. Foto: Holger Hollemann



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion