SPD-Streit um „linke Identitätspolitik“ geht weiter – Willy Brandts Sohn wirft Parteispitze Versagen vor

Die Aussagen von Wolfgang Thierse zur Identitätspolitik haben zu heftigen Debatten innerhalb und außerhalb der SPD geführt. Eine weitere prominente SPD-Politikerin springt ihm bei - und kritisiert die SPD-Spitze deutlich.
Titelbild
Wolfgang Thierse im Herbst 2019 im Willy-Brandt-Haus in Berlin.Foto: Christoph Soeder/dpa/dpa
Epoch Times9. März 2021

In der Debatte in der SPD um den gesellschaftlichen Kurs gegenüber sexuellen und anderen Minderheiten erlebt der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse nach eigenen Worten „überwältigende Zustimmung“.

Zugleich bekräftigte er seine Kritik an der Gesprächs- und Debattenkultur einer sogenannten Identitätspolitik, weil diese nicht auf Versöhnung und konkrete Fortschritte ziele.

Auch die Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission, Gesine Schwan sparte nicht mit Kritik. Sie sagte an die Adresse der SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und des Parteivize Kevin Kühnert: „Ich möchte den beiden zeigen: So geht’s nicht. Das war ein Fehler, den ihr da gemacht habt“, sagte sie der Wochenzeitung „Der Spiegel“ (Sonntag). Sie halte „diese kollektiven Identitäten für die Pest“.

Mittelpunkt des Streits ist die „linke Identitätspolitik“

Vergangene Woche hatte der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ „linke Identitätspolitik“ kritisiert. Es mache sich eine Haltung breit, Diskussionen zu verweigern. Daraufhin war eine hitzige Debatte in den sozialen Medien hochgekocht.

Vorläufiger Höhepunkt war ein Schreiben Thierses an die SPD-Spitze, in dem der frühere DDR-Bürgerrechtler Zweifel geäußert hatte, ob sein Bleiben in der Partei weiterhin wünschenswert sei, wenn sich zwei Mitglieder der Parteiführung von ihm distanzierten. Dies war eine Anspielung darauf, dass Esken und Kühnert zuvor „Aussagen einzelner Vertreter*innen der SPD“ zur Identitätspolitik kritisiert hatten.

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz erinnerte in der ZDF-Sendung „Berlin direkt“ am Sonntagabend an Thierses Leistungen: „Wolfgang Thierse hat sich große Verdienste um die SPD, um unsere Land, um die Deutsche Einheit erworben. Er ist jemand, an dem wir noch ganz lange viel Freude in der SPD haben werden.“

Thierse machte im Magazin „Cicero“ am Samstag deutlich, dass eine öffentliche Distanzierung Eskens und Kühnerts nur ihm gegolten habe könne, da sich sonst aktuell niemand aus der Partei öffentlich zu den Fragen geäußert habe. Die Kritik sei zudem „unangemessen“. „Ich kann mich seit der Veröffentlichung dieses Essays kaum vor E-Mails retten. Ich hab zwischen 500 und 1000 Mails bekommen – neben dem Shitstorm. Es war eine überwältigende Zustimmung, nicht nur aus der eigenen Partei“, so Thierse.

Als linker Ostdeutscher könne er seine Lebensgeschichte ebenfalls als eine Folge von Minderheitserfahrungen beschreiben, sagte er dem „Spiegel“. „Mit denen muss man umgehen lernen, und nicht nur leidend und klagend. Da wird man klein und hässlich und bringt nichts zustande.“

Willy Brandts Sohn wirft Parteispitze Versagen vor

Das Verhalten von SPD-Chefin Saskia Esken und ihres Stellvertreters Kevin Kühnert gegenüber dem früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse stößt weiter auf scharfe Kritik innerhalb der Partei. Der Historiker und älteste Sohn des ehemaligen Bundeskanzlers und SPD-Vorsitzenden Willy Brandt, Peter Brandt, wirft in einem gemeinsamen Gastbeitrag mit dem Verleger und Vorsitzenden der Karl-Schiller-Stiftung, Detlef Prinz, Esken und Kühnert „Versagen“ vor.

Thierse habe sich um den Zusammenhalt des Gemeinwesens gesorgt und ein Angebot für einen Minimalkonsens innerhalb der Sozialdemokratie entwickelt, schreiben Brandt und Prinz nun ebenfalls in einem Gastbeitrag in der FAZ, die am Dienstag erscheint.

In normalen Zeiten hätte eine souveräne Parteiführung zu einer Diskussion auf neutralem Boden eingeladen und den Protagonisten eine durchaus streitbare Plattform geboten, sich darüber zivil auszutauschen, was eigentlich unser demokratisches Gemeinwesen zusammenhalte: nämlich die Bereitschaft, durch die Augen des jeweils anderen zu sehen.

Das hätte der Auftakt zu einer Debatte – initiiert durch die SPD – werden können, schreiben Brandt und Prinz, bei der nicht die Ausgrenzung im Sinne der sogenannten „Cancel Culture“ im Mittelpunkt stehe, sondern die Frage, was Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten eigentlich gegenüber denen verbinde, die diese Demokratie wirklich bedrohten.

Dass eine Parteivorsitzende und ihr Stellvertreter es so weit hätten kommen lassen, statt sich einfach zu entschuldigen, weil sie sich in ihrer „Scham“ gegenüber Thierse eigentlich von einem erheblichen Teil der SPD-Mitglieder distanziert hätten, weise auf den Kern des überflüssigen Streits hin. Und es zeige, dass der SPD der politische Kompass fehle, kritisieren Brandt und Prinz. Die Partei sei nicht in der Lage, einen Debatten-Konflikt politisch zu managen.

Hamburgs Bürgermeister stärkt Thierse den Rücken

Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher hat seinem Parteifreund, Ex-Bundestagspräsident Wolfgang Thierse, in der SPD-internen Debatte über „linke Identitätspolitik“ den Rücken gestärkt.

„Die Leute interessieren sich derzeit mehr dafür, wie wir die Pandemie bekämpfen und ob wir eine Vorstellung haben, wie es danach weitergeht“, sagte Tschentscher dem „Redaktionsnetzwerk Deutschland“ (Montagsausgaben). Die SPD stehe für die Zukunftsthemen Klimaschutz und Digitalisierung sowie für Arbeitsplatzsicherung und faire Bezahlung.

Tschentscher sagte zu der parteiinternen Debatte: „Sie ist für den Wahlkampf kein entscheidendes Thema.“ Aber natürlich führe die SPD Debatten über gesellschaftliche Fortschritt und damit auch über gendergerechte Sprache. Sprache dürfe nicht diskriminieren und sei zugleich ein Kulturgut, das bewahrt werden müsse.

„Daraus entsteht ein Spannungsfeld, das nicht ganz leicht zu bewältigen ist.“ Klar sei: „Wolfgang Thierse ist eine besondere Persönlichkeit und gehört zur SPD. Wir wollen ihn nicht verlieren.“

Thierse hatte in der FAZ „linke Identitätspolitik“ kritisiert und seine Distanz zu einer gegenüber sexuellen Minderheiten differenzierten Sprache deutlich gemacht, woraufhin SPD-Chefin Saskia Esken und Vize Kevin Kühnert Aussagen einzelner Vertreter der SPD kritisierten. Im Anschluss hatte Thierse Zweifel geäußert, ob sein Bleiben in der Partei gewünscht sei. (dpa/dts)



Unsere Buchempfehlung

Es ist einfach, die Zusammenhänge zwischen Feminismus und Sozialismus zu erkennen. „Demokratie und Sozialismus haben nichts gemeinsam, außer einem Wort: der Gleichheit. Aber beachte den Unterschied: Während die Demokratie die Gleichheit in der Freiheit anstrebt, strebt sie der Sozialismus in Zwang und Knechtschaft an“, sagte Alexis de Tocqueville, französischer Diplomat und Politikwissenschaftler.

Bewusste Versuche, Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu beseitigen, laufen dem gesunden Menschenverstand zuwider. Sie verhindern, dass sowohl Männer als auch Frauen ihre Potenziale ausschöpfen können. Familien werden systematisch zerstört.

Der moderne Feminismus zwingt die Gesellschaft in eine geschlechtslose Zukunft, indem er die psychologischen Eigenschaften von Männern und Frauen angreift, die ihr jeweiliges Geschlecht prägen. Dies hat besonders schwerwiegende Auswirkungen auf Kinder und Jugendliche, die sich in der Wachstumsphase befinden und wo es bei einer immer größer werdenden Anzahl zu erwarten ist, dass sie homosexuell, bisexuell oder Transgender werden.

Das Gespenst des Kommunismus interessiert sich nicht für die Rechte der Frauen. Genau darum geht es im 7. Kapitel des Buches „Wie der Teufel die Welt beherrscht“ mit dem Titel: „Die Zerstörung der Familie“. Hier mehr zum Buch.

Jetzt bestellen - Das dreibändige Buch ist sofort erhältlich zum Sonderpreis von 50,50 Euro im Epoch Times Online Shop

Das dreibändige Buch „Wie der Teufel die Welt beherrscht“ untersucht auf insgesamt 1008 Seiten historische Trends und die Entwicklung von Jahrhunderten aus einer neuen Perspektive. Es analysiert, wie der Teufel unsere Welt in verschiedenen Masken und mit raffinierten Mitteln besetzt und manipuliert hat.

Gebundenes Buch: Alle 3 Bände für 50,50 Euro (kostenloser Versand innerhalb Deutschlands); Hörbuch und E-Book: 43,- Euro.

Weitere Bestellmöglichkeiten: Bei Amazon oder direkt beim Verlag der Epoch Times – Tel.: +49 (0)30 26395312, E-Mail: [email protected]

Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion