SPD-Vize Scholz geht mit seiner Partei in Grundsatzpapier hart ins Gericht

In der Debatte über die Neuausrichtung der SPD hat der Hamburger Bürgermeister und Parteivize Olaf Scholz in einem Grundsatzpapier scharfe Kritik an seiner Partei geübt.
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Hamburger Bürgermeister und SPD-Vize Olaf Scholz.Foto: ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images
Epoch Times27. Oktober 2017

„Schonungslose Betrachtung der Lage“: Der Hamburger Bürgermeister und SPD-Vize Olaf Scholz hat sich mit einem scharf formulierten Grundsatzpapier in die Debatte um die Neuausrichtung seiner Partei eingeschaltet. Nach der historischen Pleite bei der Bundestagswahl rief Scholz die Sozialdemokraten auf, nicht länger „Ausflüchte“ zu suchen, sondern sich den „strukturellen Problemen“ zu stellen.

Weder die „fehlende Mobilisierung“ der eigenen Anhänger, noch ein mangelnder Fokus auf soziale Gerechtigkeit tauge zur Erklärung für das Rekordtief von 20,5 Prozent bei der Bundestagswahl, schrieb Scholz in dem sechsseitigen Papier, das der Nachrichtenagentur AFP vorliegt.

Die SPD habe „vorbildlich mobilisiert“ und tausende neue Mitglieder gewonnen. Außerdem habe der Wahlkampf „ganz im Zeichen der sozialen Gerechtigkeit“ gestanden.

Weitere Ausflüchte, die Scholz nicht gelten lassen möchte, sind demnach die „fehlende Machtoption“ der SPD sowie die wachsende Konkurrenz durch Parteien wie Grüne, Linke und neuerdings auch die AfD. Stattdessen seien die Probleme der SPD „grundsätzlicher“, konstatierte der Parteivize, der als potenzieller Gegenspieler von SPD-Chef Martin Schulz gilt.

„Fortschritt und Gerechtigkeit in pragmatischer Politik“ verbinden

In Zeiten von Digitalisierung und Globalisierung müsse es der SPD gelingen, „Fortschritt und Gerechtigkeit in pragmatischer Politik“ zu verbinden, schrieb Scholz. Dabei werde wirtschaftliches Wachstum „eine zentrale Voraussetzung sein, um eine fortschrittliche Agenda zu verfolgen“.

Dies kann als Absage an einen stärkeren Linkskurs verstanden werden, wie ihn Schulz anzustreben scheint. „Wir müssen wieder Mut zur Kapitalismuskritik fassen“, hatte der Parteichef kürzlich in einem Interview mit der „Zeit“ gesagt.

SPD muss sich als progressive Volkspartei präsentieren – neue Erfolge bei BTW gewiss

Direkte Kritik an Schulz übt Scholz in seinem „Keine Ausflüchte! Neue Zukunftsfragen beantworten! Klare Grundsätze!“ betitelten Papier nicht. Der Hamburger Bürgermeister mahnte aber an, dass die SPD in allen wichtigen Politikfeldern aus Bürgersicht „im höchsten Maße kompetent“ sein müsse.

„Stellt die SPD sich als progressive Volkspartei so auf, dass große Teile der Wählerschaft ihr das Land und die Führung der Regierung anvertrauen mögen, wird sie bei Bundestagswahlen auf neue Erfolge hoffen können.“

Scholz spielt in diesem Zusammenhang auf die nach der Nominierung von Schulz zum Kanzlerkandidaten rasant gestiegenen und später ebenso jäh abgestürzten Umfragewerte für die SPD an. Das kurze Umfragehoch „war eine hoffnungsvolle Projektion der Wählerinnen und Wähler, die erneut möglich ist, wenn sie es plausibel finden, dass die SPD diese Erwartungen erfüllt“.

Schulz: SPD steht vor „größten Herausforderungen der jüngeren Parteigeschichte“

Schulz hatte nach der Bundestagswahl eine inhaltliche, organisatorische und personelle Erneuerung der SPD angekündigt. In einem am Freitag veröffentlichten Interview mit der Parteizeitung „Vorwärts“ sagte er, die Sozialdemokraten stünden „vor einer der größten Herausforderungen der jüngeren Parteigeschichte“. An dem Erneuerungsprozess wolle er „so viele Menschen wie möglich beteiligen“.

Am Samstag in Hamburg und am Sonntag in Leipzig hält die SPD die ersten von insgesamt acht Regionalkonferenzen ab, bei denen Schulz bis zum Parteitag Anfang Dezember mit der Basis in einen Dialog treten will.

Zuletzt hatte sich in der SPD Kritik an den Personalentscheidungen des Parteichefs geregt, insbesondere weil zu wenige Frauen bei der Vergabe von Spitzenposten berücksichtigt wurden. (afp)



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