Staatsrechtler zu Karlsruher EZB-Urteil: Bedingungen “nicht hieb- und stichfest”

Die Verfassungsklage gegen unbeschränkte Anleihenkäufe durch die EZB wurde heute in Karlsruhe abgewiesen. Beschwerdeführer Gauweiler ist mit dem OMT-Urteil unzufrieden, ein berühmter Staatsrechtler ebenso.
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Staatsrechtler Christoph Degenhart und die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin, zwei der BeschwerdeführerFoto: YouTube-Screenshot Mehr Demokratie
Epoch Times21. Juni 2016

Die Karlsruher Richter billigten am Dienstag im Grundsatz, dass die Europäische Zentralbank (EZB) klamme Euro-Staaten im Ernstfall durch Staatsanleihenkäufe in großem Stil stützt, wie DPA berichtete. Der Kauf von Staatsanleihen senkt indirekt die Zinslast eines Landes und es bleibt zahlungsfähig. Das Urteil ist ein bedeutender Pfeiler für die Euro-Rettungsstrategie der EZB. 

Das Gerichtsurteil folgt damit im Wesentlichen den Maßgaben durch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von 2015. Die Karlsruher Verfassungsrichter hatten Anfang 2014 zunächst schwerwiegende Bedenken gegenüber den massiven Anleihenkäufen gehabt und dann das EuGH-Urteil abgewartet.

Der Senat sehe sich an die Luxemburger Rechtsprechung gebunden, sagte Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle in Karlsruhe. Die europäische Rechtsgemeinschaft gehe aus dem Verfahren gestärkt hervor.

Die Bedenken in Bedingungen umgesetzt

Karlsruhe äußerte dennoch Bedenken, die sich in gesonderten Bedingungen im Urteilstext niederschlugen: Die EZB muss sich beim Anleihenkauf an bestimmte Regeln halten. Die Karlsruher Richter verpflichten Bundesregierung und Bundestag, die Umsetzung des Programms dauerhaft zu überwachen und bei Verstößen einzugreifen. Dabei müssen sie auch darauf achten, ob einmal gekaufte Anleihen später zu einem Risiko für den Bundeshaushalt werden könnten. Das berichten die “Deutschen Wirtschafts Nachrichten” (DWN).

Staatsrechtler: Bedingungen “nicht hieb- und stichfest”

Relevant sei das Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG)  laut Staats- und Verwaltungsrechtler Christoph Degenhart für die aktuellen Staats- und Unternehmensanleihen-Käufe der EZB. Er sieht darin ein “Zurückweichen des BVerfG vor dem EuGH”, wie er gegenüber den “DWN” erklärte. „Ich hätte erwartet, dass sich das Bundesverfassungsgericht etwas dezidierter gegen den EuGH positionieren würde. Aber es hat den Konflikt gescheut.“

Degenhart traut den vom BVerfG genannten Bedingungen für den Anleihenkauf nicht, er hält sie für “nicht hieb- und stichfest”. In Krisenzeiten kämen diese Bestimmungen schnell unter die Räder. Er hält die Regeln vielmehr für ein Beruhigungsmittel für die Bevölkerung.

Kritik von Beschwerdeführer Gauweiler (CSU)

Von einem der Beschwerdeführer, dem früheren CSU-Vize Peter Gauweiler, kam ebenfalls noch einmal scharfe Kritik: Der EuGH hätte bereits evident rechtswidrig entschieden und nun folgten die Karlsruher Richter mit ihrem OMT-Urteil, weil sie nicht den Mut hätten, sich dem EuGH entgegenzustellen. Stattdessen versuchten sie, das Gesicht zu wahren, indem sie einschränkende Bedingungen für die Durchführung des OMT-Programms in das EuGH-Urteil hineinlesen, so die “DWN”.

Er spricht von einem juristischen Trick des Bundesverfassungsgerichts, wonach es mit diesen Bedingungen “das geltende Recht jedenfalls partiell durchsetzt” und für die deutschen Staatsorgane, vor allem für die Bundesbank verbindlich macht, während es gleichzeitig “den unmittelbaren Konflikt mit dem EuGH vermeidet“, so eine Presseerklärung seines Büros. (kf)

Das Urteil kurzgefasst

Ein Beschluss aus dem Jahr 2012, Krisenländer notfalls mit dem unbegrenzten Ankauf von Staatsanleihen zu unterstützen (OMT-Programm), überschreite nicht die Kompetenzen der Notenbank. Wichtige Aussagen aus dem Urteil im Wortlaut:

1. Der Grundsatzbeschluss über das OMT-Programm bewegt sich in der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung nicht „offensichtlich“ außerhalb der der Europäischen Zentralbank zugewiesenen Kompetenzen… Der Senat hat … weiterhin Bedenken, er sieht sich aber an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs gebunden, die ihrerseits den Rahmen zulässiger Interpretation nicht überschreitet.

2. In der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung verstoßen der Grundsatzbeschluss über die technischen Rahmenbedingungen des OMT-Programms und dessen mögliche Durchführung auch nicht offensichtlich gegen das Verbot monetärer Haushaltsfinanzierung.

3. Zur Sicherung seiner demokratischen Einflussmöglichkeiten im Prozess der europäischen Integration hat der Bürger grundsätzlich ein Recht darauf, dass eine Übertragung von Hoheitsrechten nur in den vom Grundgesetz dafür vorgesehenen Formen … erfolgt und die … geschützte Verfassungsidentität nicht verletzt wird.

4. Die Bundesbank darf sich an einer künftigen Durchführung des OMT-Programms nur beteiligen, wenn und soweit die vom Gerichtshof der Europäischen Union aufgestellten Maßgaben … erfüllt sind. Darüber hinaus sind Bundesregierung und Bundestag … verpflichtet, eine etwaige Durchführung des OMT-Programms dauerhaft zu beobachten. Diese Beobachtungspflicht ist nicht nur darauf gerichtet, ob die … Maßgaben eingehalten werden, sondern auch darauf, ob … ein konkretes Risiko für den Bundeshaushalt erwächst. (dpa)



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