Stadtfest-Prozess in Chemnitz: Richter müssen keine Fragen zu politischer Gesinnung beantworten

Die Verteidigung des mutmaßlich für den Tod von Daniel H. in Chemnitz verantwortlichen Syrers Alaa S. ist mit ihrem Antrag gescheitert, Richter zur Offenlegung ihrer weltanschaulichen Überzeugungen zu zwingen. Das Recht auf ein faires Verfahren sei gewährleistet, urteilte die Vorsitzende Richterin.
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Ein Richter.Foto: istock
Von 28. März 2019

Im Prozess gegen den Syrer Alaa S. (23) im Chemnitz müssen die Mitglieder des Schöffensenats keine Fragen über ihre politische Überzeugung oder private Einschätzungen zur Flüchtlingskrise beantworten. Dies hat das Landgericht Chemnitz entschieden.

Alaa S. wird vorgeworfen, für den tödlichen Messerangriff auf Daniel H. im August 2018 während des Chemnitzer Stadtfestes verantwortlich zu sein. Der Vorfall hatte damals für erhebliche Empörung gesorgt und die Stimmung in der Stadt angeheizt. Es kam zu mehreren Demonstrationen, die zum Teil auch von Ausschreitungen überschattet wurden.

Wie „Focus online“ berichtet, lehnte das Gericht einen Antrag der Verteidigung ab, der darauf abzielte, zu klären, ob einer oder mehrere der Berufs- oder Laienrichter im zuständigen Schöffensenat auf Grund einer kritischen Einstellung gegenüber Asylbewerbern voreingenommen sein könnte.

Verlegung in anderes Bundesland beantragt – wegen „rechten Gedankenguts“ in Sachsen

Dazu hatten die Rechtsanwälte Frank Wilhelm Drücke und Ricarda Lang – Letztgenannte ist auch eine bekannte Funktionärin der Grünen Jugend – vor etwa einer Woche einen Fragenkatalog übermittelt, den die Mitglieder des Richtersenats beantworten sollten.

Dieser umfasste Fragen wie jene nach einer Mitgliedschaft in der AfD, Sympathien für Pro Chemnitz, der eigenen Einstellung zu Flüchtlingen, der Teilnahme an Protestdemonstrationen oder dem Niederlegen von Kränzen und Blumen am Gedenkstein für das Verbrechensopfer. Die Beantwortung dieser Fragen, so Lang, sei erforderlich, um klären zu können, ob das Gericht ordnungsgemäß besetzt sei.

Bereits am 12. März hatte der BGH den Antrag der Verteidigung abgelehnt, das Verfahren an ein Landgericht in einem anderen Bundesland zu übertragen, weil zu befürchten wäre, dass die Richter des LG Chemnitz „rechtes Gedankengut teilen“ könnten.

Die Vorsitzende Richterin Simone Herberger lehnte auch den nunmehrigen Antrag ab. Es bestehe „weder aus rechtlicher noch aus tatsächlicher Sicht Anlass“, die Fragen der Verteidigung zu beantworten. Das Recht des Angeklagten, ein faires Verfahren vor einem unabhängigen Gericht zu bekommen, sei in jedem Fall gewährleistet. Ein Verfahrenshindernis bestehe ebenso wenig. Die zuständige Richterkammer ordnete auch die Fortdauer der Untersuchungshaft für Alaa S. an.

Besetzungsrüge hat nur sehr eingeschränkten Anwendungsbereich

Bereits die Staatsanwaltschaft hatte unmittelbar nach Übermittlung des Fragenkataloges erklärt, dass auch das Bundesverfassungsgericht Fragen nach dem persönlichen Hintergrund von Richtern nur eingeschränkt zulasse, zur allgemeinen Weltanschauung aber generell nicht.

Dies entspricht, wie der Jurist Dr. David Ullenboom in der „Legal Tribune Online“ (LTO) darlegt, auch den Vorgaben der Norm des Paragrafen 222a Abs. 3 der Strafprozessordnung über die Voraussetzungen einer Besetzungsrüge. Die Verteidigung hat demnach das Recht zur Einsichtnahme in Geschäftsverteilungslisten, Schöffenlisten oder ähnliche Unterlagen zur Besetzung des Senats.

Zudem bestünde eine Grundlage für eine Besetzungsrüge, wenn mitwirkende Richter aus Gründen zur Ausübung des Richteramts ungeeignet seien, die in ihrer Person liegen. Allerdings bezieht sich auch die diesbezüglich einschlägige Norm des Paragrafen 338 Nr. 1 StPO auf abstrakt-generelle Umstände, nicht auf spezifisch verfahrensbezogene.

Ein Richter könnte demnach etwa mittels einer Besetzungsrüge erfolgreich abgelehnt werden, wenn er beispielsweise wegen einer körperlichen oder geistigen Erkrankung oder Behinderung nicht in der Lage wäre, der Verhandlung zu folgen oder diese zu bestreiten. Auch wenn ein Richter während der Verhandlung schläft oder wenn ihm die Befähigung zum Richteramt fehlt, wäre das Gericht nicht ordnungsgemäß besetzt.

Richter müssen Verteidigern nicht helfen, Befangenheitsgründe erst zu konstruieren

Konkret-verfahrensbezogene Erwägungen, welche die Besorgnis einer Befangenheit des Richters rechtfertigen könnten, können jedoch nur mithilfe eines Befangenheitsgesuchs im Sinne der Paragrafen 24 ff. der StPO vorgebracht werden. Diese müssen jedoch von der Verteidigung selbst bescheinigt und auch konkret ausgeführt werden.

Die Beweislast trifft also denjenigen, der das Vorliegen eines solchen Grundes behauptet. Wenn es erst eines Ausforschungsbeweises wie eines von der Verteidigung vorgelegten Fragebogens bedarf, um mögliche Anhaltspunkte überhaupt zu erlangen, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die Verteidigung über keine solchen verfügt. Der Fragenkatalog würde in diesem Fall gleichsam darauf hinauslaufen, der Verteidigung dabei zu helfen, einen nicht erkennbaren Anlass zur Besorgnis der Befangenheit erst zu konstruieren.

Die persönlichen Verhältnisse des Richters können ausnahmsweise dann eine Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen, wenn zwischen ihnen und der Strafsache ein besonderer Zusammenhang besteht. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn einer der Richter mit einem Verfahrensbeteiligten oder Opfer verwandt oder verschwägert ist.

Die bloße Zugehörigkeit zu einer politischen Partei oder bei irgendeiner Gelegenheit zum Ausdruck gebrachte politische Meinungen eines Richters begründet auch für sich genommen keine Befangenheit – zumindest nicht, solange seine in der Öffentlichkeit zum Ausdruck gebrachte Äußerung keinen konkreten Bezug zum Strafverfahren hat.

Die Verhandlung wird am 3. April 2019 fortgesetzt.



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