Steinmeier kündigt Aufklärung über „Colonia Dignidad“ an

Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) will die unkritische Haltung deutscher Diplomaten in Chile gegenüber den Verbrechen der Colonia Dignidad in den Siebziger- und frühen Achtzigerjahren aufarbeiten lassen.
Titelbild
Ein Blick auf die "Villa Baviera" (Dorf Bayern), früher bekannt als Colonia Dignidad in der Nähe von Parral, rund 400 Kilometer südlich der chilenischen Hauptstadt Santiago.Foto: CLAUDIO REYES / AFP / Getty Images
Epoch Times9. April 2016

Am Abend des 26. April lädt Steinmeier Opfer und Zeitzeugen zur Vorführung des Spielfilms "Colonia Dignidad" in den Weltsaal des Auswärtigen Amts in Berlin ein. Im Anschluss will sich der Minister in einer Rede erstmals zur Rolle des Ressorts während der fraglichen Zeit äußern.

Aus bisher freigegebenen Akten geht hervor, dass deutsche Diplomaten diversen Hinweisen auf begangene Verbrechen nicht richtig nachgegangen waren.

"Die `Colonia Dignidad` war über Jahrzehnte hinweg ein Terrorregime für Hunderte Bewohner, unzählige missbrauchte Kinder und Gegner der chilenischen Militärjunta", heißt es im Auswärtigen Amt. Sie stehe beispielhaft für den schwierigen Umgang mit Menschenrechtsfragen in Unrechtsregimen.

Daraus lasse sich heute noch manches lernen, "auch für deutsche Diplomaten bei ihrer Arbeit in und mit Staaten, in denen Menschenrechte verletzt werden".

Hintergrund: Bisher kein Interesse an Aufklärung

Wikipedia schreibt: "Die 300 km² umfassende Colonia Dignidad wurde 1961 von dem Deutschen Paul Schäfer gegründet. Schäfer versprach ein „urchristliches Leben im gelobten Land“ und prophezeite eine angeblich drohende russische Invasion in Deutschland, um Zögernde und Ängstliche umzustimmen. Schäfer entführte auch Minderjährige nach Chile, deren Eltern ihre Erlaubnis zu einer angeblichen Chorfreizeit gegeben hatten. In Deutschland zurückgebliebene Eltern bemühten sich vergeblich, ihre Kinder nach Deutschland zu holen.

Laut einem 1966 aus der Kolonie geflüchteten Jugendlichen mussten die Koloniebewohner Fronarbeit leisten und wurden scharf überwacht. In Chile baute die Gruppe eine Kolonie auf, in der sie streng abgeschottet von der Außenwelt lebte und nur ausgewählte Besucher empfing. Die Siedler konnten lange Zeit fast autark leben, da sie ein Mustergut aufgebaut hatten, für das sie viel Bewunderung ernteten.

Die Führung hatte Kontakte zur rechtsextremen Gruppierung Patria y Libertad und unterstützte damit indirekt den Putsch des chilenischen Militärs am 11. September 1973.

Die deutsche Regierung zeigte kein Interesse an einer Aufklärung der Vorgänge in der Kolonie. Laut Jan Stehle vom Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile-Lateinamerika hatte die Colonia Dignidad in Deutschland eine Lobby, insbesondere bei der CDU und CSU.

CSU-Politiker wie z. B. Wolfgang Vogelsgesang und Franz Josef Strauß besuchten die Kolonie, wo bis Mitte der 90er Jahre am zentralen Bau der Siedlung ein signiertes Porträt von Strauß hing. Die bayerische Landesregierung und die Hanns-Seidel-Stiftung sollen Gerhard Mertins’ „hervorragenden Eindruck“ von der Siedlung bestätigt haben.

Aus dem rechtskonservativen Umfeld gab es außerdem Unterstützung von Strauß-Protegé Lothar Bossle und Ludwig Martin. Geheimdokumente der damaligen chilenischen Militärregierung zeigen, dass Bossle und Martin die chilenische Regierung 1987 davor gewarnt hatten, dass die deutschen Medien von den Geschehnissen in Colonia Dignidad erfahren könnten.

Der damalige Vize-Außenminister Chiles schlug daraufhin ein Koordinierungstreffen vor, um die Causa „Colonia Dignidad“ stillschweigend zu lösen. Die Regierung Chiles entzog der Organisation aber 1991 den Status der Gemeinnützigkeit, mit der sie stets von Steuerfreiheit profitiert hatte, und löste sie damit formal auf." (dts)



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