Streit um Soli-Abschaffung: FDP-Chef Lindner platzt bei „Anne Will“ der Kragen

Christian Lindner bei "Anne Will": Er fragt Katja Kipping (Linke): "Sie selbst regieren doch in Berlin und Brandenburg und seit Jahr und Tag kriegen Sie da einen Flughafen nicht in Gang. Wie viele Millionen sind da verschwendet worden?“ Das Geld hätte Lindner lieber in den Mittelstand gesteckt.
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13 lange Minuten hat Linder ausgeharrt, bevor er Anne Lindner im Gespräch mit Olaf Scholz (SPD) ins Wort fiel.Foto: TOBIAS SCHWARZ/AFP/Getty Images
Epoch Times27. August 2019

„Frau Will, mit Verlaub, den ganzen Sommer haben wir über Kramp-Karrenbauer, Ursula von der Leyen und den SPD-Parteivorsitz gesprochen.“ Das sind die ersten Worte des FDP-Chefs Christian Lindner nach über 13 Minuten Sendung bei Moderatorin Anne Will. Eigentlich stand das Thema „Streit um Soli-Abschaffung – Für wen zahlt sich das aus?“ auf dem Plan.

Stattdessen wurde die Kandidatur von Olaf Scholz ausführlich erörtert. Denn noch in einer vergangenen Sendung hatte der Finanzminister eine Position als SPD-Vorsitzender abgelehnt. Doch davon will Lindner gerade nichts hören. Ihn interessiere viel mehr, wohin Scholz mit seiner Partei gehen wolle. Schließlich sei das Verfahren um den Vorsitz kein „Schönheitswettbewerb“.

Während Lindner in Fahrt kommt, versucht Moderatorin Anne Will, wieder die Oberhand zu bekommen. Auf ihre Frage: „Darf ich etwas einhaken, Herr Lindner?“ entgegnet dieser: „Ich bin sofort bei Ihnen, lassen Sie doch den einen Satz noch zu! Seien Sie doch so großzügig einmal!“

Und damit setzt sich der FDP-Chef durch. Denn schließlich sei die Moderatorin nach eigener Einschätzung „immer großzügig“, wie sie sagt.

Probleme des Volkes

Lindner stellt zur Diskussion, dass manche der SPD vorwerfen würden, dass sie in der Wirtschaftspolitik „linker als die Linkspartei“ in Bezug auf die Vermögenssteuer und „grüner als die Grünen“ sei.

Momentan sei er viel unterwegs auf den Marktplätzen in Brandenburg. Er käme mit den Menschen ins Gespräch. In Berlin-Mitte wurde ihm beispielsweise gesagt: „Die Journalisten und Politiker interessieren sich eigentlich nur noch füreinander und führen Debatten, die von unserem realen Alltagsleben völlig abgehoben sind.“ Dort interessiere man sich für Funkloch und Schlagloch, wie die Menschen im Leben vorankommen, ob der Unterricht ausfällt, wie die Schultoilette aussieht und ähnliches. Lindner wirft der Moderatorin vor:

Und Sie unterhalten sich darüber, was Herr Scholz im Juli in einer Sendung gesagt hat und was er jetzt im August dazu meint. Wann kommen Sie denn mal zu den echten Themen?“

Dieses Problem sei jedoch nicht nur ein Problem der Politiker, sondern vor allem auch den Medienvertretern in Berlin geschuldet. Für seine Worte erntet Lindner einen kräftigen Applaus aus dem Publikum.

Die Parteivorsitzende der Linken Katja Kipping hakt daraufhin ein, dass sie die Liste von Lindner noch fortsetzen könne. Beispielsweise wäre es für eine in den ländlichen Raum zugezogene Familie schwierig, einen Termin beim Kinderarzt zu bekommen. Das größte Problem von Achtklässlern in Sachsen wäre derzeit Schulausfall. Die Schüler befürchten, den Schulstoff nicht bis zu den Prüfungen zu schaffen.

Glaubwürdigkeit der SPD

Die öffentliche Hand benötige laut Kipping mehr Geld und könne sich keine Steuergeschenke für Reiche leisten. Die Linken-Politikerin betont, dass ihre Partei schon lange für stärkere Besteuerung für Millionenerbschaften und Millionenvermögen wirbt. Die größte Herausforderung, die vor der SPD stehe, sei die Frage, ob sie in der Großen Koalition bleibe. Kipping sagt:

Egal, wer gewählt wird, welche rhetorischen Talente er hat oder welche Haltungsnoten er bekommt, am Ende des Tages fehlt mir die Phantasie, dass der SPD ein Erstarken gelingen wird, wenn sie weiter Juniorpartner der Union bleiben wird.“

In diesem Fall würde die SPD „weiter ihre Glaubwürdigkeit verlieren, egal wer Vorsitzender ist“. Dazu sagt Scholz, dass zunächst die Partei ihren Vorsitz wählen würde. Alles Weitere – auch zum Fortbestand mit der Koalition – würde auf dem Parteitag im Dezember entschieden werden.

Soli-Zuschlag abschaffen oder behalten?

Laut Scholz gibt es 30 Jahre nach der deutschen Einheit noch immer Aufgaben der deutschen Einheit, die finanziert werden müssten. Er verteidigt sein Modell der teilweisen Abschaffung des Solidaritätszuschlages. Lindner führte dazu an, dass selbst Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) als Mitglied des Bundeskabinetts gesagt hätte, dass eine Teilabschaffung des Soli-Zuschlages nicht rechtens wäre.

Abgesehen von der Frage der Verfassung und der politischen Glaubwürdigkeit bringt Linder die von der Bundesregierung angedeutete Rezession ins Spiel. Er hält es „schlichtweg für töricht“, dass der Mittelstand und das Handwerk nicht entlastet würde. Diese Unternehmen müssten in einer Wirtschaftskrise investieren und die Arbeitsplätze erhalten statt ihr Geld beim Staat abzuliefern. Lindner stellt klar:

Wir können es uns nicht erlauben, auf den Solidaritätszuschlag weiter zu bestehen.“

Es gehe um das Rückgrat der deutschen Wirtschaft, Mittelstand und Handwerk. Diese müssten voll weiterbezahlen.

Scholz hält dagegen. Es wäre nicht die Zeit dafür, alle von dem Soli-Beitrag zu entlasten. Dies wäre auch kein „Beitrag zur Gerechtigkeit“.

Linken-Chefin wirft ein, dass sich Lindner eines „Tricks“ bediene. Seine Partei rede über den Mittelstand. Was am Ende aber rauskommen würde, wären Steuergeschenke für Superreiche. Die Linken setzen sich dafür ein, den Soli-Zuschlag zu erhalten, um strukturschwache Regionen zu unterstützen.

Der Staat braucht Geld

Die Aussage, dass der Staat mehr Geld brauche, entkräftet der FDP-Chef. Er setzt Kipping entgegen:

Sie selbst regieren doch in Berlin und Brandenburg und seit Jahr und Tag kriegen Sie da einen Flughafen nicht in Gang. Wie viele Millionen sind da verschwendet worden?“

Das Geld hätte Lindner lieber in den Mittelstand gesteckt. Lindner sei für eine „ehrliche Politik“. Er fordert statt Subventionen höhere Nettoeinkommen. Und auch für höhere Staatseinnahmen hat er eine Idee: „Wenn Sie Geld im Staatshaushalt brauchen, warum fragen Sie [Katja Kipping] Herrn Scholz nicht einmal, was er unternimmt, damit die Apples und Facebooks mehr Steuern zahlen?“

Daraufhin wirft Scholz ein, dass er auf diese Frage eine „Superantwort“ habe. Es solle eine globale Mindestbesteuerung für große Konzerne und Digitalunternehmen geben.

Klare Worte spricht Elisabeth Niejahr, Chefreporterin der Wirtschaftswoche. Der Soli sei als Ausnahme eingeführt worden und solle deswegen auch abgeschafft werden, weil es versprochen worden ist. Das sollte eine „Selbstverständlichkeit“ sein. Niejahr fügt hinzu:

Wenn man dann der Meinung ist, man will eine andere Umverteilung zwischen arm und reich, dann muss man das Steuersystem reformieren.“

(sua)



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