Stuttgart: Künftig nur noch rote statt gelber Westen? Spaltung der Bewegung gegen Fahrverbote befürchtet

Innerhalb der Protestbewegung gegen Diesel-Fahrverbote in Stuttgart zeigen sich Differenzen bezüglich des Auftretens und der dazugehörigen Symbolik. Initiator Ioannis Sakkaros will auf zu angriffslustige Transparente verzichten – und bald auch auf gelbe Westen.
Titelbild
Fahrverbot für Dieselautos in Stuttgart.Foto: Christoph Schmidt/dpa
Von 11. März 2019

Trotz starken Regens haben sich erneut am Samstagnachmittag mehrere hundert Menschen am Stuttgarter Neckartor versammelt, um gegen bevorstehende Diesel-Fahrverbote in der stark von der Automobilindustrie geprägten baden-württembergischen Landeshauptstadt zu demonstrieren.

Wie die „Stuttgarter Nachrichten“ berichten, hat Protest-Initiator Ioannis Sakkaros der Politik vorgeworfen, untätig zu bleiben. Vonseiten des Organisationsteams hieß es, das Staatsministerium praktiziere eine „Hinhalte-Taktik“. Vor diesem Hintergrund wolle er „härtere Maßnahmen“ ins Auge fassen. Am 31. März, einen Tag vor dem Inkrafttreten der für Stuttgart verhängten Fahrverbote, wolle er das Neckartor für die Dauer von zwei Stunden vollständig sperren lassen.

Der Immobilien-Sachverständige Thomas Scherlinzky aus Filderstadt, nach eigenen Angaben parteilos, hielt eine der Hauptreden des Tages. Er wies auf die Fragwürdigkeit der Grenzwerte hin, die durch die Landespolitik zum Anlass genommen werde, die Mobilität der Bürger zu beeinträchtigen.

„Umweltschutz darf nicht zur Religion verkommen“

Die Luftqualität in der Stadt sei einwandfrei, betonte Scherlinzky:

Selbst wenn man, Stand heute, überhaupt nichts mehr zur Luftreinhaltung unternehmen würde, hätten wir in fünf Jahren überhaupt keine Schadstoff-Überschreitungen mehr.“

Der Immobilien-Sachverständige warf der Politik vor, nicht aus Vernunftgründen zu agieren, sondern ideologisch. Aus diesen ideologischen Gründen trachte die Landesregierung danach, die persönliche Freiheit einzuschränken.

Umweltschutz ist grundsätzlich etwas Gutes“, erklärte Scherlinzky, „wenn er vernünftig und mit Augenmaß betrieben wird. Aber Umweltschutz darf nicht zur Religion verkommen. Umweltschutz darf nicht dazu benutzt werden, unsere individuellen Rechte einzuschränken.“

In diesem Kontext sehe er auch die Klimadebatte insgesamt. Der sogenannte Weltklimarat (IPCC) sei kein Zusammenschluss von Wissenschaftlern, sondern eine politische Organisation. Ähnlich wie bei den Fahrverboten spielten auch hier „zweifelhafte Hochrechnungen, gewagte Rechenmodelle, falsche Grundlagen, falsche Daten und noch falschere Reaktionen der verantwortlichen Politiker“ eine Rolle. Um zu erkennen, dass Deutschland mit seinem „Anteil von 2,23 Prozent CO2-Ausstoß mit Sicherheit nicht den Klimawandel herbeiführen“ werde, müsse man kein Wissenschaftler sein.

Keine eigene Kandidatur zu den Kommunalwahlen

Unterdessen deuten sich Differenzen um die künftigen Schwerpunkte und die Stoßrichtung der Proteste an. Initiator Sakkaros sprach sich in seiner Rede dagegen aus, Transparente mit radikalen Aufschriften wie „Ganz Stuttgart hasst die Grünen“ mitzuführen. Während manche Teilnehmer applaudierten, skandierte andere erst recht „Grüne raus“.

Auch erklärte Sakkaros, entgegen vorhergehenden Ankündigungen zu den bevorstehenden Kommunalwahlen in der Landeshauptstadt nicht mit einer eigenen Liste zu kandidieren. Ab 1. April, dem Tag des Inkrafttretens der Fahrverbote, sollen die Unterstützer des Protests rote statt gelber Westen tragen. Dies solle zeigen, dass man den Verantwortlichen die „rote Karte“ zeigen wolle.

Diese Vorhaben sind innerhalb der Protestbewegung ebenfalls nicht unumstritten. Kritiker sprechen von einer Referenz an die IG Metall, deren Mitglied Sakkaros sein soll. Andere meinen, der Initiator wolle auf diese Weise auf Distanz zur Gelbwesten-Bewegung in Frankreich gehen oder zu deutschen Versuchen, diese ins eigene Land zu importieren.

Schicksal des „Friedenswinters“ verhindern?

Ein möglicher Grund dafür könnten die Bilder gewalttätiger Zusammenstöße am Rande von Gelbwesten-Demonstrationen sein, die aus Frankreich auf hiesige Bildschirme übertragen werden und mögliche Unterstützer abschrecken könnten. Außerdem geht die Teilnehmerzahl an den Demonstrationen in Frankreich kontinuierlich zurück.

Auch in den deutschsprachigen Bereichen sozialer Medien sind mehrere Seiten, Gruppen, Manifeste und Memes aufgetaucht, die sich entweder selbst „Gelbwesten“ nennen, sich auf die entsprechende Bewegung in Frankreich beziehen oder zu eigenen Protestveranstaltungen unter diesem Namen aufrufen.

In den meisten Fällen gehen die Forderungen und politischen Aussagen der betreffenden Gruppen deutlich über den Bereich der Automobilität und der Kritik an einer ideologischen Umweltpolitik hinaus. Teilweise finden sich darunter auch Inhalte, deren Anschlussfähigkeit in der Gesamtheit der Fahrverbotsgegner umstritten ist.

Dies scheint auch Sakkaros beobachtet zu haben und will nun möglicherweise Vorkehrungen treffen – um nicht nur eine parteipolitische Vereinnahmung seiner Proteste zu verhindern, sondern auch eine Schädigung der Protestbewegung durch radikale Gruppen und deren Inhalte. Bereits die Friedensdemonstrationen in der Zeit der eskalierenden Ukrainekrise hatten auf Grund einer Unterwanderung durch politisch extreme Protagonisten schnell an Resonanz verloren. Ein solches Schicksal möchte Sakkaros seiner Bewegung gegen Fahrverbote ersparen.



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