Suizid im Angesicht von Corona: „Mir reicht es… Corona-Staat: Ohne mich!“

Existenzängste, Sorge um Angehörige - Wie kann man das alles schaffen? Manche sehen nur noch einen Ausweg: Selbstmord.
Titelbild
Ein Sarg vor der Beerdigung.Foto: iStock
Von 15. Mai 2020

Verzweiflung, Existenzängste, Sorge um Angehörige. Neben dem finanziellen Druck, der die Corona-Krise auf die Bevölkerung verübt, kommt bei vielen noch eine psychische Belastung hinzu. Wenn der Druck zu groß wird, sehen manche der Betroffenen nur noch einen Ausweg: Selbstmord.

Ein 39-Jähriger ließ sich von einem Zug überfahren. Er hatte Angst, mit dem aus China stammenden SARS-CoV-2 infiziert zu sein. Ein 23-Jähriger stürzte sich aus dem Fenster. Er hatte seinen Job verloren. Ein 53-Jähriger hinterließ einen Abschiedsbrief, in dem es hieß: „Mir reicht es… Corona-Staat: Ohne mich!“ Er hängte sich auf.

Während der Corona-Krise sind Psychologen und Seelsorger mehr denn je gefragt. Fast die Hälfte aller Anrufe drehten sich im April um Corona, berichtete „RBB“. Bettina Schwab von der Telefonseelsorge Berlin e.V. erzählte in Anbetracht der COVID-19-Pandemie über die Existenzängste der Anrufer, deren Ängste um Angehörige und die Befürchtung, „das nicht mehr zu schaffen“. Die Hilfesuchenden beschäftigen sich mit der Frage, ob und wie sie überhaupt aus ihrer hoffnungslosen Situation wieder herauskommen können. Einige von ihnen denken über Selbstmord nach.

„Corona-Alarm“ herrscht auch beim Berliner Krisendienst des Caritasverbandes, heißt es in einem RBB-Beitrag. Die Hilfesuchenden seien nicht unbedingt diejenigen, die an COVID-19 erkrankt seien. „Die überwiegende Vielzahl sind Menschen, die sich Sorgen machen“, gibt Benjamin Ochel zu bedenken.

Kontaktbeschränkungen, soziale Distanzierung und das „Schmoren im eigenen Saft“ bringe die Menschen an ihre Grenzen. Treten noch Existenzängste und Sorgen hinzu, könnten dies der letzte Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt, sagte Schwab.

Für Menschen, die Unterstützung – sowohl finanziell als auch psychisch – benötigen würden, seien durch die Kontakteinschränkungen viele Dinge, die das Leben noch lebenswert erscheinen ließen, weggefallen. Nachdem die Tagesstruktur zusammengebrochen sei, komme bei ihnen „ganz schnell die Verzweiflung und große Not“, sagte Ochel.

Rechtsmediziner spricht von „Teil einer Welle“

Michael Tsokos ist Professor für Rechtsmedizin an der Berliner Charité. Auf seinem Tisch landen „Corona-Suizide“. Allerdings tragen diese Todesfälle nicht das Virus SARS-CoV-2 in sich. Bei ihnen handelt es sich um psychisch vorbelastete und kranke Patienten, die den Druck nicht mehr ausgehalten haben. „Wir sehen im Sektionssaal Suizide, wie wir sie vorher noch nicht gesehen haben, nämlich mit der Motivation aus dem Leben zu scheiden, weil man Angst vor einer Erkrankung hat“, sagte Tsokos. Seit Mitte März gebe es diese Suizid-Opfer. Für Tsokos ist dies eine beunruhigende und „dramatische Entwicklung“, zumal die Rechtsmedizin als ein „Seismograf der Gesellschaft“ gelte. Weder bei Grippe, noch bei Krebs, HIV oder anderen Erkrankungen hätte es eine derartige Situation gegeben.

Der Hinweis auf das Tatmotiv ergebe sich aus der „psychologischen Autopsie“, genauer gesagt aus den polizeilichen Ermittlungsakten, den Aussagen der Angehörigen der Opfer und den Abschiedsbriefen der Verstorbenen. Sie lassen keinen Zweifel am Selbstmord aufkommen. Die acht Suizide, die er bislang untersucht habe, könnten nach Tsokos Ansichten der „Teil einer Welle“ sein. „Ich denke, die große Welle der Suizide werden wir in der zweiten Hälfte des Jahres sehen, wenn die wirtschaftlichen Folgen auf´s Tableau kommen.“

Die Verstorbenen hätten durch eine „apokalyptische Überzeichnung“ einiger Virologen und Gesundheitsexperten, die sodann von den Medien aus dem Zusammenhang gerissen wiedergegeben würden, einfach Angst vor dem Tod gehabt. Dieser Umstand sei auch für den Rechtsmediziner neu. Denn normalerweise habe man als Suizidgefährdeter Angst vor dem Leben, vor dem Weiterleben mit einer schweren Erkrankung. „Aber hier hat jemand Angst vor dem Tod und geht deshalb den Weg des Todes. Das ist etwas ganz Neues.“

Aus Angst vor einer COVID-19-Erkrankung würden sich die Menschen das Leben nehmen. Insoweit spricht Tsolkos von „Ungewissheitsintoleranz“, der Angst vor dem Ungewissen. Er appelliert: „Die Pandemie-Kommunikation muss besonnener, beruhigender geführt werden. Sonst werden wir am Ende des Jahres eine Übersterblichkeit sehen, nicht durch Covid-Erkrankungen, sondern durch Suizid- und Alkohol-Tote.“



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