Suizid-Skandal: Heftige Kritik an sächsischer Staatsregierung – „Es ist ein totales Fiasko“

Der als hochgefährlich eingestufte 22-jährige Syrer Dschaber al-Bakr hatte sich am Mittwoch in seiner Zelle mit seinem T-Shirt erhängt. Laut Verfassungsschutz hatte der als Flüchtling eingereiste Islamist einen Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen geplant.
Titelbild
In diesem Leipziger Gefängnis nahm sich Jaber al-Bakr das LebenFoto: SEBASTIAN WILLNOW/AFP/Getty Images
Epoch Times14. Oktober 2016
Nach dem Suizid des Terrorverdächtigen Dschaber al-Bakr in einem Leipziger Gefängnis wirft Linken-Chefin Katja Kipping der sächsischen Regierung völliges Versagen vor.

Es handele sich um ein totales Fiasko der Staatsregierung, sagte die Dresdner Politikerin der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Renate Künast, pochte auf einen Untersuchungsausschuss wegen zahlreicher Ungereimtheiten bei dem Todesfall.

Der als hochgefährlich eingestufte 22-jährige Syrer hatte sich am Mittwoch in seiner Zelle mit seinem T-Shirt erhängt. Laut Verfassungsschutz hatte der als Flüchtling eingereiste Islamist einen Sprengstoffanschlag auf einen Berliner Flughafen geplant.

Parteiübergreifend wurde Kritik daran laut, dass die Verantwortlichen nicht erkannt hatten, dass er sich das Leben nehmen könnte. Er sei in Haft wie ein „Kleinkrimineller“ behandelt worden, kritisierte selbst Sachsens Vize-Ministerpräsident Martin Dulig (SPD). Justizminister Sebastian Gemkow (CDU) beteuerte hingegen, man habe alles unternommen, um einen Suizid zu verhindern.

Kipping verlangte, Gemkow müsse zurücktreten. „Der Justizminister wiegelt ab und flüchtet sich in absurdeste Erklärungsversuche, anstatt einfach mal die Verantwortung zu übernehmen – und zu gehen“, sagte Kipping der dpa. Sie sagte, der Selbstmord verhindere die so wichtige Aufklärung über die möglichen Hintermänner des vermeintlichen Attentäters und seine Pläne und Ziele. „Die CDU-Sachsen redet immer von Recht und Ordnung, ist aber in Wahrheit ein Sicherheitsrisiko für das ganze Land.“

Die Pannenserie im Fall des syrischen Terrorverdächtigen sollte in Sachsen nach Ansicht von Politikwissenschaftler Hajo Funke auch politische Konsequenzen haben. „Da muss ein Besen her, der das alles aufräumt“, sagte Funke der Deutschen Presse-Agentur. Auf die Frage, wer dieser „Besen“ sein könnte, antwortete er: „In erster Linie der Innenausschuss des sächsischen Landtags.“ Es sei aber auch Aufgabe der Bundes-CDU, Druck auf die sächsischen Parteikollegen auszuüben, damit sich die Zustände im Freistaat änderten. Funke warf Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) vor, er habe sich in diesem „absoluten Skandal“ bislang weggeduckt.

Die Grünen-Politikerin Künast sagte, es müsse eine unabhängige Aufklärung geben. „Es geht nicht, dass das die Landesregierung und die sächsische Justiz allein bestimmen“, sagte sie der „Berliner Zeitung“. Aus ihrer Sicht gebe es nur zwei Möglichkeiten, um dies zu gewährleisten: „Entweder man setzt eine unabhängige Untersuchungskommission ein – oder gleich einen Untersuchungsausschuss.“

Der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach klagte ebenso über mangelnde Sorgfalt bei der Bewachung in der Leipziger JVA. „Angesichts der Bedeutung des Tatvorwurfs und der gesamten Umstände wäre eine lückenlose Überwachung des Häftlings nicht unverhältnismäßig gewesen“, sagte er der „Passauer Neuen Presse“.

Der Kriminologe Christian Pfeiffer aus Niedersachsen äußerte sich „entsetzt“ über die Zustände bei Polizei und Justiz in Sachsen. Zu Al-Bakr sagte er der „Neuen Presse“: „Eigentlich wollte er einen Heldentod sterben. So einer ist hochgradig selbstmordgefährdet.“ Dies hätte klar erkannt werden müssen.

Der Vize-Chef der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jörg Radek, forderte eine permanente Überwachung mutmaßlicher Selbstmordattentäter durch Videokameras oder Sitzwachen in Haftanstalten. „Nicht nur die Polizei, alle Sicherheitsbehörden müssen sich stärker auf die Denkweise eines Selbstmordattentäters einstellen“, sagte Radek der „Rheinischen Post“. „Wir müssen verinnerlichen, dass dieser Tätertypus sich selbst aufgegeben hat.“

Al-Bakr wurde offenbar nach seiner Überstellung an die Justizvollzugsanstalt Leipzig nicht mehr von den Strafverfolgungsbehörden vernommen. Das berichten die Zeitungen des RedaktionsNetzwerks Deutschland unter Berufung auf Sicherheitskreise. Demnach durften die sächsischen Strafverfolger den Syrer nicht mehr vernehmen, nachdem der Generalbundesanwalt das Verfahren an sich gezogen hatte. Die Bundesanwaltschaft selbst gab demnach allerdings kein Verhör mehr in Auftrag.

(dpa)


Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion