Tröglitz und die Brandstifter

Tröglitz (dpa) - Rotes Flatterband sperrt die Ernst-Thälmann-Straße in Tröglitz ab. Dahinter stehen Feuerwehr-Löschwagen und Polizeiautos, Stoßstange an Stoßstange. In dem kleinen Ort im Süden Sachsen-Anhalts riecht es nach Rauch. Aus dem…
Epoch Times4. April 2015
Rotes Flatterband sperrt die Ernst-Thälmann-Straße in Tröglitz ab. Dahinter stehen Feuerwehr-Löschwagen und Polizeiautos, Stoßstange an Stoßstange.

In dem kleinen Ort im Süden Sachsen-Anhalts riecht es nach Rauch. Aus dem frisch sanierten Haus, in das Ende Mai 40 Flüchtlinge einziehen sollten, ragen pechschwarz verkohlte Dachbalken in den Himmel.

Das Feuer brach in der Nacht zu Ostersamstag aus. Um 2 Uhr nachts. Gegen Mittag sagen die Ermittler: Der dreigeschossige Wohnblock wurde definitiv angezündet, vermutlich mit Brandbeschleuniger. Ein deutsches Paar im angrenzenden Block konnte von aufmerksamen Nachbarn geweckt und gerettet werden.

Ein politisches Motiv wollten Polizei und Staatsanwaltschaft mit Verweis auf den Beginn der Ermittlungen am Samstag zunächst nicht direkt bestätigen. „Es liegt jedoch im Gesamtzusammenhang nahe“, sagte die zuständige Polizeipräsidentin Christiane Bergmann. Ähnlich äußerte sich der Direktor des Landeskriminalamts, Jürgen Schmökel. Er sprach von „einem gemeinen Anschlag und dem politisch fast schon nicht auszuschließenden Hintergrund.“

Es ist bereits die zweite Eskalation wegen der Asylpläne für den 2700 Einwohner zählenden Ort im Burgenlandkreis bei Zeitz. Bereits Anfang März geriet Tröglitz in die Schlagzeilen, weil der ehrenamtliche Bürgermeister Markus Nierth wegen rechtsextremer Anfeindungen zurückgetreten war. Er wählte diesen Ausweg, nachdem ein NPD-geführter Protestzug direkt vor seiner Haustür genehmigt wurde. Nierth fühlte sich von Politik und Behörden kaum unterstützt.

Trotz der persönlichen Drohungen und erstem Schutz durch das Landeskriminalamt engagiert der 46 Jahre alte Nierth sich weiter im Ort. Er nennt das Feuer eine „riesige Schande für Tröglitz“. Er sei wütend, dass die braune Saat soweit aufgegangen sei, dass in dem Ort Häuser brennen, in denen hilfebedürftige Familien unterkommen sollten. „Wir müssen uns dagegen stellen, denn sonst gewinnt die pöbelnde Minderheit.“

Für ihn sind die rechtsextremen NPD-Mitglieder zumindest die geistigen Brandstifter dieser Tat. Sie hatten seit Jahresanfang jeden Sonntag zu Protest-Demos gegen das Asylbewerberheim aufgerufen. Dieselben NPD-Anhänger versuchten erst vor wenigen Tagen auf einer Bürgerversammlung zum Thema Stimmung gegen die Flüchtlinge im Ort zu machen. Sie meldeten sich am Dienstag mit Provokationen zu Wort. Der gut vorbereitete Landrat des Burgenlandkreises, Götz Ulrich (CDU), und engagierte Redner unter den 500 Zuhörern ließen die Rechtsextremen jedoch auflaufen.

Auch Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) sieht die Rechtsextremen und die NPD zumindest im Umfeld der Brandstiftung. An den bisherigen Aktivitäten der NPD-Kreistagsfraktion in Tröglitz sehe man, „dass diese Personen den geistigen Nukleus darstellen für das, was sozusagen die Spitze jetzt erreicht hat in diesem furchtbaren Verbrechen“.

Noch am Samstagnachmittag sprachen der Ministerpräsident, der ehemalige Bürgermeister, der Landrat und Engagierte aus Vereinen und Kirchen auf einer spontanen Demo in Tröglitz. Die Bürgerinitiative „Miteinander – füreinander“ um die unermüdliche Familie Nierth hatte dazu aufgerufen. 300 Menschen aus Tröglitz und Umgebung kamen. „Tröglitz ist so ein schöner Ort und unsere Heimat, die lassen wir uns von Verbrechern nicht kaputt machen“, sagte Haseloff bei der Kundgebung unter lautem Applaus.

Die Bewohnerin Ilona Franke sagte, sie wünsche sich, dass die Tröglitzer Lust hätten, die Asylbewerber zu integrieren und sich zu engagieren. „Ich erhoffe mir eine weitere gute Zukunft. Wir müssen zusammenhalten und kräftig sein.“

Für alle Verantwortlichen ist klar: Die Flüchtlingsfamilien kommen trotzdem nach Tröglitz. Vielleicht später, aber sie kommen. Die geplante Unterkunft ist laut Polizei zwar unbewohnbar. Doch Landrat Ulrich will mit anderen Vermietern sprechen und neue Häuser finden. Und Ministerpräsident Haseloff kündigte an: „Wir werden keinen Schritt zurückweichen. Hier geht es nicht nur um Verbrechensbekämpfung, hier geht es um unsere Demokratie.“

(dpa)


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