„Über die Angst vor Ängsten“: Die Unfreiheit im Lande wächst

Der Journalist und Autor Harald Martenstein ist besorgt um die Freiheit in diesem Land. Seine Angst auszusprechen, sei jedoch "kompliziert". Warum? Wer über die Angst spricht, werde in diesem Land "als Verrückter oder Rassist beschimpft".
Titelbild
"Refugees welcome"-Logo auf der SemperoperFoto: über dts Nachrichtenagentur
Epoch Times24. Mai 2018

Der Journalist und Autor Harald Martenstein spricht wohl vielen aus der Seele, wenn er über die „Angst vor Ängsten“ schreibt. In einem Facebook-post versucht er das Dilemma zu umschreiben, in dem sich all jene in Deutschland befinden, die weltoffen, tolerant und freiheitsliebend sind, gerne auch hier leben, aber für die eine Zukunft für sich und ihre Kinder hier fast aussichtslos erscheint. Er schreibt:

Ich habe in Frankreich und Israel gelebt und spreche einige Sprachen, sozial abgehängt fühle ich mich nicht. Nationalismus finde ich dumm. Ich möchte in einem weltoffenen Land leben, Zuwanderung habe ich immer als Bereicherung empfunden. Menschen in Not sollte man helfen. Deutschland mag ich, aber ich könnte auch woanders leben. Autoritär regierte Länder scheiden dabei aus. Wenn Sie mir unbedingt ein Etikett auf die Stirn kleben wollen, dann passt „liberal“ wohl am besten. Was also ist mein Problem?

Wenn ich mir die Zahlen anschaue, dann halte ich es nicht für unmöglich, dass mein kleiner Sohn eines Tages in Deutschland zu einer Minderheit gehört. Anders als die deutschen Türken würde er kein zweites Land haben, in dem Leute seiner Prägung in der Mehrheit sind. Das muss nicht schlimm sein, solange die Mehrheit ihn leben lässt, wie er will, so wie sie auch Homosexuellen (vielleicht gehört er dazu), Frauen und Juden alle Freiheiten lässt. Das ist alles andere als sicher.

Viele muslimische Zuwanderer – natürlich nicht alle, natürlich nicht nur sie – halten wenig von Toleranz. So naiv, dass ich an die Allmacht von Sozialpädagogik glaube, bin ich nicht. Sie werden ihre Stärke nutzen, wie Mehrheiten das fast immer tun.

Während ich dies schreibe, tobt ein Shitstorm gegen den FDP-Chef Christian Lindner. Er hat auf dem Parteitag die Angst vor illegaler Einwanderung angesprochen. Jetzt sagen viele, er würde Ängste schüren. Diese Ängste gibt es aber nun mal. In der Apotheken Umschau haben sie einen Artikel über Angst gebracht. Der erste Schritt zur Heilung besteht darin, dass man sich die Angst eingesteht und seine Empfindungen ernst nimmt. Lindner hat genau das getan, was die Ärzte raten.

Meine Angst ist kompliziert, weil ich sogar Angst habe, über die Angst zu reden. Wer tut, was der Doktor empfiehlt, wird als Verrückter oder Rassist beschimpft.

Zur Beruhigung lese ich Texte von liberalen Muslimen wie die Mohammed-Biografie von Hamed Abdel-Samad, die leider keinerlei beruhigende Wirkung hat. Immer mehr meiner Freunde laufen zu den Konservativen über, mehr aus Verzweiflung als aus Überzeugung.

1709 hat der englische Autor Daniel Defoe das Buch Kurze Geschichte der pfälzischen Flüchtlinge veröffentlicht. Damals waren ein paar Tausend Deutsche zu den Briten geflohen, die Ablehnung war dort groß. Defoe stand auf ihrer Seite.

Er argumentierte nicht moralisch, sondern mit dem Nutzen, den die fleißigen Einwanderer den Briten bringen würden. So hat Einwanderung, wenn sie funktionierte, immer funktioniert.

Die heutige Einwanderung wird immer nur moralisch begründet, wie früher die Jungfräulichkeit vor der Ehe.

Für mich ist auch Freiheit ein moralisches Argument. Es ist demütigend, in Unfreiheit leben zu müssen. 1742 hat Voltaire, eines meiner Idole, das religionskritische Stück Der Fanatismus oder Mohammed veröffentlicht, einen Klassiker der Aufklärung. Goethe, der Voltaires Ansicht nicht ganz teilte, hat es übersetzt und in Weimar inszeniert. Die letzten Versuche, dieses Stück auf Deutsch aufzuführen, datieren nach meinen Recherchen von 1993, 2005 und 2017, immer in der Schweiz. 1993 unterband ein grüner Kulturdezernent das Vorhaben.

Vielleicht wäre es das Klügste, wenn wir, die letzten Religionskritiker, einfach unsere Koffer packen und mit den Kindern anderswohin gehen, in die Schweiz vielleicht, wie damals die Pfälzer nach England. Der Jubel aller Moralisten wäre uns gewiss. Aber irgendwie hänge ich an diesem Land.

(mcd)



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