Unsicherheit über Wasserstoff: Kommunen denken über Ausstieg aus Gasnetzen nach

Das geplante neue Gebäudeenergiegesetz und die Unsicherheiten in Sachen Wasserstoff beschäftigen auch die Kommunen. Einige wollen die Gasnetze stilllegen.
Auf dem Gelände des Energieunternehmens Enertrag steht ein Elektrolyseur, mit dem Wasserstoff hergestellt wird.
Auf dem Gelände des Energieunternehmens Enertrag steht ein Elektrolyseur, mit dem Wasserstoff hergestellt wird.Foto: Christophe Gateau/dpa
Von 27. April 2023

An dieser Stelle wird ein Podcast von Podcaster angezeigt. Bitte akzeptieren Sie mit einem Klick auf den folgenden Button die Marketing-Cookies, um den Podcast anzuhören.

Die sogenannte Wärmewende und die geplanten Restriktionen für den Betrieb von Gasheizungen ab 2024 sorgen weiter für Verunsicherung. Viele Immobilieneigentümer denken an einen Last-Minute-Einbau einer Gasheizung. Immerhin dürfte diese dann noch bis 2045 weiterlaufen. Allerdings könnte die Strategie der Bundesregierung ihnen einen Strich durch die Rechnung machen. Kommunen denken mittlerweile sogar an eine Stilllegung ihrer Gasnetze, weil die geplante Neufassung des Gebäudeenergiegesetzes (GEG) zu viele Unsicherheiten schafft.

VKU zweifelt an Umsetzbarkeit der Wasserstoffziele

Wie der „Bayerische Rundfunk“ (BR) berichtet, erscheint vielen kommunalen Energieversorgern das Risiko zu groß, den Umstieg auf Wasserstoff nicht rechtzeitig zu bewerkstelligen. Dem Entwurf zufolge darf der Einbau neuer Gasheizungen ab 2024 nur unter bestimmten Bedingungen erfolgen. Dazu gehört, dass der Betreiber der Verteilnetze die Erfüllung der Vorgaben es GEG neu garantieren kann.

Dies bedeutet, dass bis zum Jahr 2035 die notwendige Wasserstoffinfrastruktur vollständig aufgebaut und funktionsfähig sein wird, um eine Umrüstung zu ermöglichen. Folglich sollen die installierten Heizungen zu einem Anteil von mindestens 65 Prozent mit Wasserstoff oder potenziell auch Bio-Methan betrieben werden.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) hat sich mehrfach skeptisch gezeigt, ob die Umstellung und Versorgung mit Wasserstoff bis dahin machbar seien. In letzter Konsequenz könnten auf die Stadtwerke und ähnliche kommunale Unternehmen Regressansprüche zukommen. In dieser Situation wächst die Bereitschaft der Kommunen, notfalls die Gasnetze lieber stillzulegen.

Bisher erst wenige Heizgeräte „H2-ready“

Mit den geplanten Optionen zur Umstellung von Erdgas auf Wasserstoff im Gebäudeenergiegesetz (GEG) der Ampelkoalition will diese eine gewisse Technologieoffenheit unterstreichen. Die Umstellung soll jedoch bereits zehn Jahre vor der Deadline für Heizungen auf fossiler Basis erfolgen.

Dies nährt Befürchtungen, wonach weder Heizungen noch Gasnetze bis dahin für Wasserstoff geeignet sein könnten. Flüssiges Erdgas hat eine Temperatur von minus 163 Grad Celsius, flüssiger Wasserstoff von minus 253 Grad Celsius. Die Anlagen müssen entsprechenden Anforderungen an die Isolierung genügen. Außerdem muss ausreichend Wasserstoff vorhanden sein – was heute noch nicht der Fall wäre.

Es gibt auch derzeit noch keine Heizgeräte, die einen so hohen Anteil an Wasserstoff vertragen – also „H2 ready“ sind. Um Abhilfe zu schaffen, wären Investitionen in die Verteilnetze von etwa sieben Milliarden Euro erforderlich.

Umstellung auf Wasserstoff kann für Mieter teuer werden

Der Hersteller Viessmann sieht sich in der Lage, die erforderlichen Geräte zu bauen, bislang verfügt aber auch er nur über Prototypen. Zudem drohen Gaskunden unbezahlbare Netzentgelte, weil die Gasnetzkosten sich wegen der höheren Zahl an Wärmepumpen auf immer weniger Kunden verteilen würden.

Flüssiggas käme als mögliche Alternative in Betracht – allerdings nur unter der Voraussetzung, dass entsprechende Kapazitäten für Tanks vorhanden sind. Biogas ist ebenfalls in der Debatte als möglicher klimafreundlicher Brennstoff. Bis dato steht die bisherige Produktion von Biogas jedoch fast ausschließlich für die Stromerzeugung zur Verfügung.

Die Umstellung auf Wasserstoff könnte zudem in vielen Mehrfamilienhäusern und Mietwohnungen für enorme Mieterhöhungen sorgen. Immerhin müssten entweder unzählige kleinere Gasthermen oder Gasetagenheizungen umgerüstet werden. Oder aber die betreffenden Objekte erhalten eine Zentralheizung und pro Etage eine Wärmepumpe. Die Kosten dafür würden als „Modernisierungsmaßnahme“ auf die Nettokaltmiete umgelegt werden.

Baden-Württemberg will Gas-Ausstieg bis 2040 und erhebt Bedarf für Wasserstoff

In Baden-Württemberg will man unterdessen bereits 2040 kein Erdgas mehr durch die Fernleitungsnetze fließen lassen. Dies erklärten Ministerpräsident Winfried Kretschmann und Umweltministerin Thekla Walker anlässlich des jüngst abgehaltenen Energiepolitischen Gesprächs der Landesregierung.

Auch hier übt der Handwerksverband des Landes Kritik an der Kommunikation vonseiten der Landesregierung. Hauptgeschäftsführer Peter Haas äußert:

Wir können nur hoffen, dass Netzbetreiber und Versorger bis dahin flächendeckend für alternative Wärmeversorgung gesorgt haben.“

Installateure und Hausbesitzer sollten diese Ankündigung in ihre Entscheidung über künftige Heizsysteme einkalkulieren. Das Bundeswirtschaftsministerium habe einen Weiterbetrieb bestehender Gasheizungen bis 2045 zugesagt. Zudem wären auch im Neubau weiterhin Hybridmodelle aus Wärmepumpe und Gasheizung zulässig.

Gaspreise im Großhandel weiter im Sinken begriffen

Die Landesregierung in Stuttgart hat derweil eine groß angelegte Wasserstoff-Bedarfsanalyse initiiert. Mittels eines Online-Fragebogens, der beworben wird und allen Unternehmen offensteht, will man eruieren, wie sich der Wasserstoffbedarf in den kommenden Jahren entwickeln wird.

Die Auswertung des Fragebogens solle auch erkennen lassen, wie Wasserstoff zu verteilen sein werde und wo man eine Wasserstofferzeugung im Land selbst forcieren müsse. Minister Walker geht davon aus, dass „der Wasserstoffbedarf in Baden-Württemberg bereits 2030 deutlich höher sein wird als bisher angenommen“. In die Erhebung sind auch Verbände, landeseigene Plattformen und Fernleitungsbetreiber eingebunden.

Unterdessen können sich herkömmliche Erdgaskunden über eine Normalisierung der Gaspreise freuen. Wie „Agrar heute“ berichtet, liegt der Kilowattstundenpreis für Neukunden im Schnitt mittlerweile bei 10,4 Cent. Das entspricht dem Niveau vom Oktober 2021 und ist auch unterhalb der Preisbremse von 12 Cent. An Europas wichtigster Großhandelsbörse TFF ist der Preis auf vier Cent zurückgegangen, auch auf dem Terminmarkt hat sich die Situation entspannt.

Als Gründe dafür nennen Experten, dass die Panik vor dem Ausbleiben russischer Gaslieferungen abgeebbt sei. Zudem nehme dank der Rekordlieferungen von LNG aus den USA auch der Speicherstand in Europa wieder zu. In Deutschland betrage er derzeit 65 Prozent. Allerdings sei auch die Industrienachfrage zuletzt zurückgegangen. Weitere Unsicherheitsfaktoren blieben die LNG-Nachfrage aus Asien, insbesondere aus China, und der Energieverbrauch im Sommer. Klimaanlagen an heißen Sommertagen wirkten sich auch auf das Energiekonto aus.



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion