„Unterrichten statt kellnern“: Berlin füllt Lehrerlücken mit Leuten ohne Studium – und teilweise auch ohne Abitur

Eine Reisekauffrau, die Geografie unterrichtet? Ein Gymnasiallehrer, der nur einen 10. Klasse-Abschluss hat? Das geht – mit "sorgfältiger Einzelfallprüfung" der Berliner Senatsbildungsverwaltung.
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Immer mehr Lehrer haben kein abgeschlossenes Lehramtsstudium.Foto: iStock
Epoch Times8. Juni 2019

Lehrermangel in Deutschland. Das Thema ist nicht neu. Doch spätestens seit dem Bestsellerbuch „Deutschland verdummt“ stehen die deutschen Schulen einmal mehr im Blickpunkt der Betrachter, beispielsweise in Berlin.

Dort fehlen zum neuen Schuljahr nach Einschätzung des Gesamtpersonalrates mindestens 600 Vollzeitlehrkräfte. Diese Stellen werden hauptsächlich mit Quereinsteigern und Lehrern ohne volle Lehrbefähigung, sogenannten Lovls besetzt. Damit rechnet zumindest Dieter Haase, Vizevorsitzender des Gesamtpersonalrates laut „Tagesspiegel“.

Lovls – Lehrer ohne Abschluss

Im vergangenen Jahr wurden rund 900 Lovls eingestellt. Einige von ihnen haben keine universitäre Ausbildung. Die Anzahl bewege sich „im hohen zweistelligen Bereich“, so Haase. Manche haben nicht einmal Abitur. Einige haben das Lehramtsstudium nach den ersten Semestern abgebrochen. Andere haben das Referendariat nicht abgeschlossen.

Laut „Tagesspiegelt“ erzählt Haase von einem „Gymnastiklehrer, der nur einen Realschulabschluss hat“. Eine Reisekauffrau unterrichte Geografie. Haase betonte:

Es gibt eine ganz große Bandbreite bei den Lovls“, darunter viele hochmotivierte Menschen, die schon lange als Vertretungslehrer gearbeitet hätten. Unter den Lovls sind auch pensionierte Lehrer sowie Studenten aus dem Programm „Unterrichten statt kellnern“.

Prinzipiell werden Lovls den Quereinsteigern vorgezogen. Sie hätten schon als Vertretungskräfte gearbeitet und könnten auch mehr Stunden als Quereinsteiger leisten, so Haase weiter. „Den Quereinsteiger benötigten überwiegend Zeit für das berufsbegleitende Referendariat und Begleitstunden.“ Im Gegensatz zu Quereinsteigern mit einer Wochenarbeitszeit 18 Stunden und weniger arbeiten Vollzeitlehrer 26 bis 28 Stunden, schreibt die  „Berliner Zeitung“.

2.000 Vollzeitlehrerstellen sind für das neue Schuljahr zu besetzen. Neben 750 regulären Lehrern wurden von der Bildungsverwaltung etwa 450 Quereinsteiger eingestellt. Wie die noch offenen Stellen besetzt werden, ist laut Haase momentan unklar.

Weitere 400 Quereinsteiger stehen auf einer Warteliste, sind von den Schulen noch nicht angefordert“, so Haase.

Weitere Quereinsteiger könnten sich für Mangelfächer bewerben. Dass immer mehr unausgebildete Lehrer an Berliner Schulen arbeiten, könne dann problematisch werden, wenn wieder genügend Lehramtsabsolventen zur Verfügung stehen. Damit rechnet Haase ab 2023.

Es gibt nicht genug Bewerber

Durch die von der Bildungsbehörde geplante unbefristete Beschäftigung der Lovls wäre es möglich, dass dadurch Lehrerposten blockiert würden. Eine befristete Einstellung oder eine berufsbegleitende Ausbildung könne laut Gesamtpersonalrat eine Option sein.

Man habe momentan keine andere Lösung, als Lovls und Quereinsteiger einzustellen, weil es nicht genügend Laufbahnbewerber gäbe, kritisiert Astrid-Sabine Busse, Vorsitzende des Interessenverbands Berliner Schulleitungen (IBS). Daher müsse man aufpassen, dass die Verteilung an den Schulen gerechter werde. Wenn die Hälfte des Kollegiums aus Quereinsteigern und Lovls bestehe, wäre das keine gute Basis. Sie sagte:

Wenn es zehn Prozent des Kollegiums sind, kann man das gut schaffen. Ich achte genau darauf, wen ich einstelle.“

Lovls werden von Busse nur mit wenigen Stunden eingestellt. Dafür wären Hospitationen Voraussetzung. In die ersten Klassen kommen bei ihr nur voll ausgebildete Lehrkräfte, „damit die Grundlagen für Mathe und Deutsch gelegt werden können“. Gerade in der ersten Klasse sei gute Pädagogik unentbehrlich, so Busse, denn: „Das ist die Königsklasse, da muss man ganz viel können.“ (sua)



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