Vier Zukunftsszenarien: So könnte es nach der Multikrise weitergehen!

Was passiert mit unserem Wohlstand? Deutschland befindet sich in der Rezession und die zunehmende Deindustrialisierung droht. Jetzt warnt eine Studie vor Wohlstandsverlust. Das Auseinanderdriften von Preisen für Vermögenswerte und Wirtschaftsleistung stellt einen Bruch des Nachkriegstrends dar. Die Studie entwickelt vier Zukunftsszenarien.
Eine Person geht nach dem Einkauf mit Tragetaschen durch die Fußgängerzone.
Zu lange haben die westlichen Industrieländer über ihre Verhältnisse gelebt. Nun steht der Wohlstand auf der Kipppe.Foto: Oliver Berg/dpa
Von 1. Juni 2023

Als das Statistische Bundesamt Ende Mai die Wirtschaftszahlen für das erste Quartal vorlegte, reagierten viele Menschen geschockt: Deutschland befindet sich in der Rezession und die Gefahr für eine Deindustrialisierung des Landes ist durchaus real. Unweigerlich tauchte die Frage danach auf, was in den nächsten Jahren auf uns zukommen könnte.

Gerade erst hat das McKinsey Global Institute für die großen Industrieländer eine Studie zur globalen Vermögensbilanz vorgelegt. Die Lage ist prekär und das nicht nur in Deutschland. Es droht ein Wohlstandsverlust.

Wohlstand und Wachstum in der Schwebe

Die Studie trägt den vielsagenden Titel „The future of wealth and growth hangs in the balance“ („Die Zukunft von Wohlstand und Wachstum hängt in der Schwebe“) und lässt an Deutlichkeit nichts zu wünschen übrig.

Auf den ersten Blick sieht es an den Börsen und Immobilienmärkten gut aus. Im Mai erreichte der Deutsche Aktienindex DAX sogar ein Rekordhoch. Der schöne Schein der Dinge könnte aber täuschen. McKinsey sieht zumindest in den Bestmarken keinen Grund, sich beruhigt zurückzulehnen. Die Höchststände gehen mit einer Vermögensungleichheit und einer nie dagewesenen Verschuldung einher. Der Haushaltsstreit in den USA hat gerade gezeigt, wie zum Zerreißen angespannt die Situation ist.

Die Experten von McKinsey weisen in ihrer Studie deshalb darauf hin, dass die Zukunft unseres Wohlstandes davon abhängt, ob wir die Entwicklung von Aktiva und Passiva in ein gesundes Verhältnis drehen können.

Entwicklung von Vermögen und Schulden wird „Schicksalsfrage“

Die entscheidende Frage, ob wir ein reales Wohlstandsplus erzielen, wird sein, wie sich die Preise für Aktien, Immobilien und andere Vermögenswerte auf der einen Seite und die Schulden andererseits entwickeln werden. Für Deutschland, so stellen die Ökonomen fest, mit seiner alternden Bevölkerung und immer mehr Rentnern wird das eine „Schicksalsfrage“ sein.

In den letzten zwei Jahrzehnten verzeichneten das Nettovermögen, die Vermögenswerte und die Schulden ein deutlich schnelleres Wachstum als die Wirtschaftsleistung. Dies steht im starken Kontrast zum historischen Trend des globalen Reichtums- und Schuldenaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg.

Vor der Jahrtausendwende verlief das Wachstum des weltweiten Nettovermögens weitgehend parallel zum Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Ab etwa dem Jahr 2000 begannen sich diese beiden Indikatoren jedoch voneinander zu entfernen. In Deutschland zum Beispiel stieg das Nettovermögen von 2000 bis 2021 um das 6,2-Fache im Vergleich zum BIP, während das Produktivitätswachstum nur langsam voranschritt. In den G7-Ländern sank das jährliche Produktivitätswachstum zwischen 1980 und 2000 von 1,8 Prozent auf 0,8 Prozent von 2000 bis 2018. Diese Entwicklung wurde durch eine Flut von Geld in Form von Ersparnissen und Neuverschuldung begleitet, während gleichzeitig die Neuinvestitionen massiv zurückgingen.

„Das rein bewertungsgetriebene Wachstum der Vermögenswerte ist ebenso wenig nachhaltig wie der fortwährende Anstieg der Verschuldung“, erläutert Jan Mischke, MGI-Partner in Zürich und Co-Autor der Studie. „Wir steuern auf eine Ära zu, die grundsätzlich anders aussieht als das, was wir aus den vergangenen 20 Jahren gewohnt sind.“

Bruch mit Nachkriegstrend

Das Auseinanderdriften von Preisen für Vermögenswerte und Wirtschaftsleistung ist tatsächlich ein Bruch mit dem Nachkriegstrend. Für die Berater gibt es vier Szenarien, wie es nach der Multikrise, in der wir uns befinden, weitergehen könnte. In jedem der für die Ökonomen denkbaren Szenarien werden sich Inflation, Zinssätze und reales Wachstum bis 2030 unterschiedlich entwickeln. Das hat dementsprechend Auswirkungen auf Immobilien, Aktien und Schulden. Drei der vier entworfenen Szenarien sind alles andere als eine ideale Zukunftsaussicht.

Nach Durststrecke alles wie früher

Im ersten Szenario, das annimmt, dass nach einer vorübergehenden Durststrecke wieder alles wie früher wird, könnte sich die aktuelle Volatilität, also die Schwankungen von Preisen, Aktien, Zinsen oder Märkten in einem bestimmten Zeitraum, als vorübergehend erweisen. Danach würde die Ausweitung der Vermögensbilanz wieder munter weitergehen.

„Kommt es so, werden die reichlich vorhandenen Ersparnisse die Preise an den Vermögensmärkten erneut in die Höhe treiben, statt dass sie in produktive Investitionen fließen“, sagt der Ökonom Jan Mischke.

Inflation bleibt über längere Zeit hoch oder Reset der Vermögensbilanz

Im zweiten Szenarium würde die Inflation über einen längeren Zeitraum hoch bleiben. Das wirtschaftliche Wachstum würde sich so durch die anhaltende Teuerung sowie hohe Zinsen weiter verlangsamen. Als Beispiel nennt die Studie die US-Wirtschaft nach dem Ölschock der 1970er-Jahre.

Der schlimmste angenommene Fall wäre der „Reset der Vermögensbilanz“. Diesen Fall gab es in den 1990er-Jahren in Japan, als das Land eine sogenannte Baisse an der Börse erlebte. Der Begriff „Baisse“ beschreibt einen andauernden allgemeinen Preisrückgang an einer Börse. In Japan führte damals der langwierige Abbau der Verschuldung, nachdem die Immobilien- und Aktienblase geplatzt war, zu einem drastischen Rückgang der Vermögenspreise.

„In diesem Szenario könnten die Werte von Aktien und Immobilien in den USA bis 2030 um mehr als 30 Prozent fallen“, heißt es in der Studie. Da die USA der Leitmarkt der westlichen Welt ist, hätte das auch negative Auswirkungen auf das Vermögen der Deutschen.

Nur ein Szenario wäre wünschenswert

Das laut McKinsey wünschenswerteste Szenarium ist ein neuer „Produktivitätsschub“, bei dem das wirtschaftliche Wachstum mit den Marktpreisen nachziehen würde. Nur in diesem Szenarium sehen die Experten einen gesunden Ausgleich von Einkommens- und Vermögenswachstum.

Welches von den Experten aufgezeichnete Szenarium am wahrscheinlichsten eintritt, dazu sagt der Report wenig. „Jeder dieser Pfade erscheint plausibel, keiner ist extrem unwahrscheinlich“, heißt es lapidar.

Damit das wünschenswerte letzte Szenario allerdings eintreten kann, müssten die Wirtschaftsnationen die Chancen der Digitalisierung zukünftig besser nutzen. Außerdem müssten die Bildungsanstrengungen verstärkt werden und auch der freie Welthandel erhalten bleiben.

„Die Botschaft aus unserer Analyse ist klar“, fasst Eckart Windhagen, Senior Partner im Frankfurter Büro von McKinsey und Co-Autor der Studie, zusammen: „Es gilt, das Produktivitätswachstum zu beschleunigen.“



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