Vor 14-Uhr-Beratungen mit Merkel: Debatte um Ausgangssperren

Kanzlerin Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder beraten am Sonntag ab 14 Uhr über weitere Maßnahmen. Es soll eine "sehr ernste, schonungslose Analyse der Lageentwicklung" der vergangenen Tage vorgenommen werden. Dabei geht es auch um Ausgangssperren. Wie äußern sich deutsche Politiker dazu?
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Am 21. März 2020 an einem Zaun in Berlin-Friedrichshain.Foto: Maja Hitij/Getty Images
Epoch Times22. März 2020

Die Beratungen von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten der Länder über weitere Maßnahmen in der Corona-Krise beginnen am Sonntag um 14 Uhr. Das erfuhr die Nachrichtenagentur AFP aus mehreren Bundesländern. In der Schaltkonferenz geht es darum, ob zur Eindämmung des Coronavirus weitere Beschränkungen des öffentlichen Lebens nötig sind.

Nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert wollen die Kanzlerin und die Länderchefs eine „sehr ernste, schonungslose Analyse der Lageentwicklung“ der vergangenen Tage vornehmen. Ob es weitere Einschränkungen für die Bürger geben wird, soll vor allem von deren Verhalten an diesem Wochenende abhängig gemacht werden.

Bayern und das Saarland hatten bereits am Freitag „grundlegende Ausgangsbeschränkungen“ erlassen, was bei SPD und Grünen als Alleingang kritisiert worden war. Merkel hatte am vergangenen Mittwoch in einer Fernsehansprache an die Bürger appelliert, sich an die Auflagen zu halten und soziale Kontakte zu vermeiden.

Debatte über weitere Ausgangsbeschränkungen

Vor dem geplanten Gespräch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten wird intensiv über weitere Ausgangsbeschränkungen diskutiert.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil will in der Corona-Krise möglichst auf Ausgangssperren verzichten. Ausschließen könne man derzeit zwar nichts, aber Ausgangssperren würden bedeuten, dass die Menschen ihre Wohnungen so gut wie gar nicht mehr verlassen dürften, sagte der SPD-Politiker der „Welt am Sonntag“.

„Stellen Sie sich einmal vor, dass Familien mit mehreren Kindern in engen Wohnungen ohne Balkon und Garten gar nicht mehr an die frische Luft gehen könnten. Das ist über einen längeren Zeitraum kaum vorstellbar.“

Individuelle Freiheiten werden per Gesetz eingeschränkt

Nobert Walter-Borjans mahnt angesichts des geplanten riesigen Pakets an Not- und Schutzgesetzen in der Corona-Krise Schranken an. „Der Ernst der Lage kann nicht groß genug eingeschätzt werden“, sagte Walter-Borjans der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Der Kampf gegen das Virus dulde keinen Aufschub.

„Dabei wird es auch gesetzliche Regelungen geben, die unsere individuellen Freiheiten einschränken.“ So groß der Handlungsdruck aber sei: „In einer Demokratie dürfen solche Maßnahmen nur für eine sehr begrenzte Zeit gelten und müssen strengen parlamentarischen Kontrollen unterliegen.“

Auch Außenminister Heiko Maas (SPD) äußerte sich zurückhaltend über eine allgemeine Ausgangssperre in Deutschland. „Ich bin überzeugt, dass der ganz überwiegende Teil der Bürgerinnen und Bürger die Lage sehr ernst nimmt. Sie handeln verantwortungsvoll und sind solidarisch“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

„Das ist die große, im Straßenbild eben unsichtbare Mehrheit. Es kommt aber gerade an diesem Wochenende darauf an, dass alle die Einschränkungen akzeptieren, damit sie wirken können.“ Das werde fortlaufend beurteilt, und das Handeln könne angepasst werden. „Wir tun, was wirksam ist und was nötig ist.“

Seehofer entschlossen „Tausende Tote“ zu verhindern

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) mahnte, die Corona-Schutzmaßnahmen strikt einzuhalten. „Wer sich jetzt unvernünftig und dadurch grob rücksichtslos verhält, riskiert Tausende Tote. Wir sind entschlossen, das zu verhindern“, sagte Seehofer der „Welt am Sonntag“.

Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) forderte einheitliche Regelungen: „Gefragt sind landesweite oder besser noch bundesweite Regelungen, die Ansammlungen von Menschen und öffentliche Treffen von mehreren Personen verbieten. Eine allgemeine Ausgangssperre mit unzähligen Ausnahmen vermittelt Scheinsicherheit. Nicht überall, wo Ausgangssperre draufsteht, ist Ausgangssperre drin“, sagte Reul der „Welt am Sonntag“.

Die Rücksichtslosen bräuchten ein klares Verbot, das tatsächlich kontrolliert werden könne. „Aber deshalb muss nicht jedem einzelnen Bürger der Ausgang durch den Staat verboten werden.“ Eine allgemeine Ausgangssperre sei daher „derzeit nicht vernünftig“.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) forderte Sanktionen für Verstöße gegen Ausgangsbeschränkungen: „Nur wenn Recht mit Sanktionen auch konsequent durchgesetzt wird, sind wir erfolgreich im Kampf gegen das Virus“, sagte er der „Bild am Sonntag“ Die Lage sei ernst. „Es geht um Leben und Tod.“

Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) begründete die in seinem Bundesland am Freitag erlassenen verschärften Maßnahmen in der „Bild am Sonntag“ mit der mangelnden Einsicht vieler Bürger: „Viele Menschen haben das verstanden, doch bei vielen sind unsere Appelle auf taube Ohren gestoßen.“ An schnellen und harten Ausgangsbeschränkungen führe kein Weg vorbei.

Malu Dreyer fordert einheitliche Linie

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) forderte ein abgestimmtes Handeln und kritisierte das Vorpreschen von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder: „In dieser Situation der maximalen Verunsicherung in der Bevölkerung müssen wir für die größtmögliche Klarheit sorgen. Dazu brauchen wir eine einheitliche Linie im Grundsatz und die Möglichkeit, auf regionale Besonderheiten adäquat reagieren zu können. Ein Überbietungswettbewerb bei einschränkenden Maßnahmen ist dabei genauso wenig hilfreich, wie Leichtsinn“, sagte sie der „Bild am Sonntag“.

Angesichts der derzeit geltenden unterschiedlichen Regelungen bei Ausgangsbeschränkungen in den einzelnen Bundesländern sagte der Grünen-Politiker Jürgen Trittin der Deutschen Presse-Agentur: „Föderalismus heißt Verantwortung wahrzunehmen. Aber es gibt kein Verbot, sich dabei abzusprechen. Und kein Gebot, dabei immer vorzupreschen. Dennoch haben sich jetzt alle Bundesländer zu bewähren, die Situation kann durchaus unterschiedlich sein von Land zu Land.“

In so einer Situation sollte man die Institutionen ihre Arbeit machen lassen. „Mit Blick auf Frankreich, Spanien oder Italien sehe ich zurzeit nicht die Überlegenheit des Zentralstaats.“ (dpa)

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