Vorsitzender Sellering der Klimastiftung MV: Geht Politik vor Recht?

Am vergangenen Dienstag hat Erwin Sellering den Rücktritt des Vorstandes der Klimastiftung MV angekündigt. Der frühere Ministerpräsident und jetzige Stiftungsvorsitzende sparte dabei nicht an Kritik in Richtung Landesregierung unter Manuela Schwesig.
Erwin Sellering, der ehemalige Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern und Vorstandsvorsitzender der Klimastiftung MV.
Der ehemalige Ministerpräsident und heutige Vorsitzende der Klimastiftung MV, Erwin Sellering, übte heftige Kritik an der Landesregierung.Foto: Jens Büttner/dpa
Von 10. März 2023

„Das Primat der Politik soll über das Recht gestellt werden“, so lautet das Fazit des Stiftungsvorsitzenden der Klimastiftung MV, Erwin Sellering, auf der Pressekonferenz am vergangenen Dienstag in Richtung Landtag und Landesregierung.

Zusammen mit seinen Vorstandskollegen Katja Enderlein und Werner Kuhn trat er vor die Presse, um noch einmal den Standpunkt des Vorstandes im Hinblick auf die Auflösung der Stiftung zu erläutern. Diese ist seit dem Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine immer wieder von der Landesregierung, aber auch vom Landtag gefordert worden.

Zwei Gutachten mit gegensätzlichen Einschätzungen

Der Stiftungsvorstand um Ex-Ministerpräsident Sellering hat eine Auflösung immer wieder mit dem Hinweis auf juristische Probleme abgelehnt. Die Klimastiftung gab sogar ein Rechtsgutachten in Auftrag, das zum Ergebnis kam, dass die Stiftung rechtlich nicht einfach abgewickelt werden kann. Professorin Katharina Uffmann ist Inhaberin des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht und Recht der Familienunternehmen an der Ruhr-Universität Bochum und stützte damals die Rechtsposition der Stiftung.

Der Stiftungszweck Klimaschutz sei Gemeinwohl und könne weiter umgesetzt werden. Trotz der Finanzierung aus russischen Quellen klebe an der Stiftung kein Blutgeld, so Uffmann, die Stiftung werde nicht von der Nord Stream 2 beherrscht. Die Satzung verbiete, dass der Vorstand oder das Land die Stiftung auflösen, wenn Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) das versuche, handele sie rechtswidrig.

Die Landesregierung präsentierte damals ein Gegengutachten. Gutachterin Professorin Birgit Weitemeyer von der Bucerius Law School in Hamburg kam zu einem anderen Ergebnis. Die Stiftung könne durchaus aufgelöst werden. Weitemeyer begründete diese Einschätzung damals damit, dass der Stiftungszweck nicht mehr erfüllt werden könne.

Den Zweck der Stiftung sah Weitemeyer mit dem Bau der Pipeline Nord Stream 2 erfüllt. Laut Satzung stehe der weitere Zweck der Stiftung vor allem in der Werbung in breiten Schichten der Bevölkerung für den Klimaschutz. Dies sei der Stiftung aber wegen ihres inzwischen „ramponierten Image[s]“ nicht mehr möglich. Daher sei eine Auflösung unausweichlich.

Im Mai einen Weg gefunden

Wenig später einigten sich Stiftungsvorstand und die Landesregierung dann doch auf die Auflösung der Stiftung. Gemeinsam habe man einen Weg gefunden, hieß es damals auf einer eigens dafür einberufenen Pressekonferenz. „Wir bleiben unterschiedlicher Auffassung über die rechtlichen Möglichkeiten, haben aber gemeinsam einen Weg gefunden“, so Schwesig.

Die Lösung wurde an diesem Tag auch gleich präsentiert. „Der Vorstand hat sich bereiterklärt, nach der Abwicklung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes der Stiftung von seinen Ämtern zurückzutreten.“ Es werde angestrebt, die Stiftung bis Ende September abzuwickeln.

Die Öffentlichkeit soll über Zwischenschritte des Verfahrens transparent informiert werden. Anschließend werde es ein Testat durch einen unabhängigen Wirtschaftsprüfer geben, so Schwesig. Dann könne der jetzige Stiftungsvorstand zurücktreten und ein Auflösungsvorstand einberufen werden, der das Verfahren beendet.

Der ins Auge gefasste Termin aus dem September ist längst verstrichen und die Stiftung besteht weiter. Schon im September teilte der Vorstand der Stiftung in einer Pressemitteilung mit, dass man selbst keinen Auflösungsbeschluss fassen würde. Voraussetzung für so einen Beschluss wäre, dass der Stiftungszweck, weiter Klimaschutz zu fördern, unmöglich wäre. Das ist nach Auffassung des Vorstands nicht gegeben.

Es hat nie einen Deal mit Nord Stream 2 gegeben

Die Stiftung steht seit Mitte Februar wieder im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Seitdem bekannt wurde, dass eine Finanzbeamtin die Steuerakte der Stiftung verbrannt habe, steht Ministerpräsidentin Manuela Schwesig enorm unter Druck. Opposition im Landtag und Beobachter fragen sich nun: Was wusste Schwesig?

Die Stimmung ist also sehr hochgekocht, als der Stiftungsvorstand um Sellering in den Räumen der Landespressekonferenz im Schweriner Schloss vor die Journalisten tritt. Sellering geht sofort in die Offensive. Er wolle die Gelegenheit nutzen, um „das eine oder andere geradezurücken, was in der aufgeregten Stimmung, die dieser Krieg ausgelöst hat, gesagt und geschrieben worden ist.“

Es sei damals völlig in Ordnung und im Interesse des Landes gewesen, bei der Vollendung von Nord Stream 2 mitzuhelfen. Sellering verneinte entschieden, dass es einen Deal zwischen der Nord Stream 2 AG und der Stiftung gegeben habe, nach dem Motto: Helft ihr beim Bau der Pipeline, gibt es Geld von uns.

Nord Stream 2 habe ein eigenes Interesse an Klima- und Umweltschutz vor allem in dem Land, in dem die Pipeline anlandete, gehabt, sagt Sellering. „Alles, was jetzt nachträglich in der allgemeinen Stimmung an Verschwörungstheorien vorgetragen wird, ist einfach Unsinn.“

Der Landtag hat einstimmig die Einrichtung der Stiftung beschlossen

Der ehemalige Ministerpräsident verweist weiter darauf, dass der Beschluss zur Gründung der Stiftung damals ohne Gegenstimme im Landtag erfolgte. „Auch die haben damals zugestimmt, die jetzt nachträglich in einem Untersuchungsausschuss klären wollen, wie es zur Gründung der Stiftung kommen konnte. Rückhaltlose Selbsterforschung sozusagen nach der 180°-Wende infolge des Einmarsches“, sagte Sellering und meinte dabei den ehemaligen Koalitionspartner CDU.

Die Stiftung habe nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine sofort alle Arbeiten für Nord Stream 2 eingestellt, die Abwicklung des wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes in Angriff genommen und dafür gesorgt, dass in der Satzung jeglicher Bezug zur Nord Stream 2 getilgt worden ist. Damit hätte das Kapitel damals zugeschlagen werden können und die von Nord Stream 2 losgelöste Stiftung ihre Arbeit für den Klimaschutz aufnehmen können.

Auflösung einer Stiftung nicht einfach möglich

„Landtag und Landesregierung reichte unsere Loslösung von Nord Stream 2 aber nicht. Sie wollte auch die verbleibende reine Klimastiftung aus der Welt schaffen, vor allem wohl, weil sie anhaltende Kritik an ihrem früheren Handeln, vielleicht sogar persönliche Nachteile befürchten“, so Erwin Sellering weiter. Und genau an dieser Stelle habe dann der Konflikt zwischen der Stiftung und der Landesregierung begonnen.

„Jetzt zeigte sich, dass die von Landtag und Landesregierung gewählte Rechtsform dem politischen Willen im Wege stand“, sagt der Ex-Ministerpräsident. Sellering wiederholt an diesem Tag auch noch einmal den Standpunkt, den er in den letzten Monaten immer wieder vertritt: Eine Stiftung sei auf ewig angelegt und eine Auflösung könne nicht einfach beschlossen werden.

„Das war menschlich eine große Enttäuschung“

Wenn man den ständigen Aufforderungen, die Stiftung ohne rechtliche Voraussetzungen aufzulösen, gefolgt wäre, hätte das erhebliche strafrechtliche Probleme und mögliche Schadensersatzforderungen bedeuten können.

„Wir haben diese ständigen Aufforderungen deshalb als Zumutung empfunden, mit denen Landtag und Landesregierung über die berechtigten Interessen der von Ihnen berufenen ehrenamtlichen Vorstandsmitglieder einfach hinweg gegangen sind.“

Es hätten nur noch die politischen Befürchtungen eigener Nachteile gezählt. „Ob die von uns verlangte Auflösung zu Strafverfolgung und Schadensersatzansprüchen gegen den Vorstand führen würde, war offensichtlich völlig egal. Das war menschlich eine große Enttäuschung.“, so das Resümee des langjährigen SPD-Politikers.

Über das damals präsentierte Gutachten der Landesregierung sei die Entwicklung inzwischen hinweggegangen. Dieses könne keine Grundlage mehr für eine Auflösung sein. „Das sieht inzwischen jeder, auch jeder stiftungsrechtliche Laie, wenn er sich nur die Frage stellt: hat die Stiftung mit den zur Verfügung stehenden Millionen Euro und etwa 500 Projektpartnern wirklich keine Möglichkeit mehr, in Mecklenburg-Vorpommern Klimaschutz zu machen? Das anzunehmen, ist einfach völlig abwegig.“

Landesregierung möchte sich nicht mit den Rechtsfragen auseinandersetzen

Die Landesregierung sei aber nicht bereit, sich mit diesen Rechtsfragen auseinanderzusetzen. Ein Treffen im Januar sei ohne Ergebnis verlaufen. Für Sellering ist die Frage nach dem „Primat von Recht und Politik“ eine elementare Frage für einen Rechtsstaat.

Auch gewählte Volksvertreter seien an die Verfassung und an Recht und Gesetz gebunden. „Das sehen Landtag und Landesregierung offenbar anders. Und besonders schwierig wird es dadurch, dass die Auseinandersetzung durch den Krieg noch moralisch aufgeladen ist“, so Erwin Sellering.

In den nächsten Wochen werde man zurücktreten. Sobald die Testate vorlägen, könne dieser Schritt vollzogen werden. Die Nachfolger stünden aber vor dem gleichen Dilemma wie der jetzige Vorstand.

Die jetzt geführte Diskussion um die verbrannte Steuererklärung geht nach Ansicht des Stiftungsvorstandes an den wesentlichen Fragen vorbei.

Beim jetzigen Konflikt zwischen der Regierung und der Stiftung geht es nach Erwin Sellering um folgende Fragen: Meinen Landtag und Landesregierung ernsthaft, dass die politischen Beschlüsse zur Beendigung der Stiftung trotz der offensichtlichen Rechtswidrigkeit eines Auflösungsbeschlusses befolgt werden müssen?

Wird ernsthaft das Primat der Politik vor dem Recht behauptet und vertreten? Wird damit die dauernde faktische Bekämpfung und Behinderung der Stiftung gerechtfertigt?



Epoch TV
Epoch Vital
Kommentare
Liebe Leser,

vielen Dank, dass Sie unseren Kommentar-Bereich nutzen.

Bitte verzichten Sie auf Unterstellungen, Schimpfworte, aggressive Formulierungen und Werbe-Links. Solche Kommentare werden wir nicht veröffentlichen. Dies umfasst ebenso abschweifende Kommentare, die keinen konkreten Bezug zum jeweiligen Artikel haben. Viele Kommentare waren bisher schon anregend und auf die Themen bezogen. Wir bitten Sie um eine Qualität, die den Artikeln entspricht, so haben wir alle etwas davon.

Da wir die Verantwortung für jeden veröffentlichten Kommentar tragen, geben wir Kommentare erst nach einer Prüfung frei. Je nach Aufkommen kann es deswegen zu zeitlichen Verzögerungen kommen.


Ihre Epoch Times - Redaktion