Welthandel mit oder ohne TTIP das ist jetzt die Frage

Von den Befürwortern wird TTIP gerne als Jahrhundertchance deklariert. Warum können die in Brüssel, Washington und Berlin das so behaupten?
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Selbst der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso erklärte, dass TTIP ein wunderbares Sparprogramm für die Konzerne sei, und die EU Regierungen würden beim Sparprogramm fleißig mithelfen.Foto: JOHN MACDOUGALL/AFP/Getty Images
Von 9. Oktober 2015

In Berlin werden am Samstag mehrere zehntausend Menschen zu einer Demonstration gegen das transatlantische Handelsabkommen TTIP erwartet. 600 Busse sollen Teilnehmer aus ganz Deutschland in die Hauptstadt bringen, wie die Organisatoren mitteilten. Hinzu kommen demnach fünf Sonderzüge aus verschiedenen Teilen des Landes. Organisiert wird die Protestaktion unter anderem von Umwelt-, Sozial-, Kultur- und Verbraucherverbänden, darunter der BUND und der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB). Den Angaben zufolge rechnen die Initiatoren mit 50 000 Teilnehmern. Bei der Polizei waren 100 000 gemeldet.

Befürworter und Gegner

Setzt sich TTIP durch, wird es vornehmlich eine profitablere Wirtschaft für die Großkonzerne geben. Selbst der ehemalige Präsident der Europäischen Kommission José Manuel Barroso erklärte, dass TTIP ein wunderbares Sparprogramm für die Konzerne sei, und die EU Regierungen würden beim Sparprogramm fleißig mithelfen. Wird die Liberalisierung des Handels dann nicht zur großen ökonomischen Ungleichheit führen? Denn wirklich mithalten können nur die ohnehin schon großen Unternehmen und Konzerne, die den Markt bestimmen und damit auch die Preise diktieren.

Interessant ist auch, dass TTIP die Investoren der EU in den USA schützt und Investoren der USA in Europa. Inländische Investoren genießen nicht diesen wirtschaftlichen Schutz. Die Gegner von TTIP fürchten, dass das Wohlergehen des Verbrauchers nicht im Mittelpunkt stehen wird, dass der Wert des Freihandels über die Werte ökologischer und sozialer Regeln gestellt wird. Besonders die Sonderrechte für Investoren und Investor-Staat-Schiedsverfahren gefährden die parlamentarischen Handlungsfreiheiten.

Die Großkonzerne wollten die unterschiedlichen Standards umgehen, heißt es, und auf ihren Standards herabsetzen, von denen sie sich dann enorme Kosteneinsparungen versprechen. Diese profitablere Wirtschaft im Sinne der Großkonzerne würde Dienstleistungen und Daseinsvorsorge, kulturelle Vielfalt und Bildungsangebote unter Druck setzen. Nachhaltige Landwirtschaft sowie artgerechte Tierhaltung würden von der gewaltigen Maschinerie der  Gentechnik der USA und der industriellen Landwirtschaft beiseite gedrängt werden.

Von den Befürwortern wird TTIP gerne als Jahrhundertchance deklariert. Warum können die in Brüssel, Washington und Berlin das so behaupten? Aus welchem Blickwinkel betrachten sie diese Freihandelsabkommen? Nur aus ihrem wirtschaftlichen Profitdenken. Hierfür gibt es genügend Beispiele.

Konkrete Beispiele

Die Idee von gleichen Standards für Autos, Kosmetik- und Lebensmittel löst bei den TTIP Gegnern die Sorge aus, hier würden die USA alles bestimmen. Gäbe es aber nicht auch die Möglichkeit, die hohen Standards der EU zu übernehmen? Diese Möglichkeit sehen viele der Gegner eben nicht gewährleistet. Erschreckend ist auch die Erkenntnis, dass bei den wirklich wichtigen Treffen für konkrete Verhandlungen zu TTIP, sich niemand vom Umweltschutz, Verbraucher- oder Arbeitnehmerorganisationen findet. Wie kann so ein Ungleichgewicht entstehen? Warum laufen diese Verbände nicht Sturm?

Die USA sprechen immer von Handelshemmnissen. Insbesondere für diese sehr sensiblen Themen: Kennzeichnungsvorschriften für Lebensmittel, Datenschutz und Arbeitnehmerschutzgesetz.

Beginnen wir mit den Lebensmitteln. Z. B. Fleisch, also den Tieren. Ist Deutschland wirklich bereit, europäische Standards abzuschaffen? Viele sprechen sogar davon, dass unsere Standards oft nicht ausreichen, noch immer kämpfen Natur- und Öko- und Tierschutzverbände für die Abschaffung von Masttierhaltung, gegen Hühnerfabriken und die Mästung mit Hormonen und anderen Medikamenten bei Schweinen, Rindern und Puten. Ist nicht eigentlich hier schon bewiesen, dass die USA sich nie auf unsere Standards einlassen werden? Bedrückende Berichterstattung von den Schweinefabriken und Chlorhühnern aus den USA verdeutlichen längst, dass hier kaum eine Chance bestehen wird, unsere Standards einzuhalten, geschweige sie noch zu verbessern.

Der stärkste Widersacher ist und bleibt der Genkonzern Monsanto aus den USA. Dieser beklagt schon seit Jahren die europäische Art, wie die EU mit diesem Thema umgeht. Sie fordern, dass keine Kennzeichnungspflicht für genmanipulierte Lebensmittel eingesetzt wird. Ein Unternehmen, das ein Entlaubungsmittel als Kriegswaffe eingesetzt hat, um Tausende von Menschen zu töten, soll tatsächlich bestimmen, welchen Standards unsere Lebensmittel einhalten sollen? Wird das ein Kompromiss der EU an die USA sein müssen, um TTIP umzusetzen?

Was wird das für den Verbraucher bedeuten? Rigoros auf alles, was aus den USA zu uns kommt, verzichten? Geht das überhaupt? Wird es eine sichtbare Kennzeichnung der Lebensmittel geben wie z. B. „Made in USA“ oder „Germany“?

Ein Beispiel: Deutsche Gaststätten ohne Kennzeichnungspflicht. Woher weiß der Verbraucher, woher sein Essen stammt? Nach der Umsetzung von TTIP könnte dann genmanipulierte Ware den Speiseplan vieler Restaurants beherrschen.

Die USA mahnten schon 2014 zur regulatorischen Angleichung. Insbesondere in der Frage nach Pestiziden in der Agrarwirtschaft. Sie drohen damit, dass TTIP sonst gefährdet wäre. Wie sieht es hier in Europa aus? Kann so ein gewaltiges Unternehmen hier unsere Gesundheitsvorschriften kippen? Alles Fragen, die nicht öffentlich diskutiert und geklärt werden.

Zukunft – Arbeitsplätze

Die große Gefahr besteht dass sämtliche Mindestlöhne und Tarifverträge in Deutschland nicht mehr ihre Gültigkeit behalten, was letztendlich den Unternehmen viele Dollars und Euro einsparen hilft. Sind das die eigentlichen Versprechungen an Einsparungen? Zu Lasten der Arbeitnehmer?

Was genau wird mit den Unternehmen geschehen, die nicht sonderlich an Export interessiert sind? Welche wirtschaftlichen Nachteile werden sich für diese Unternehmen ergeben? Werden nicht viele Unternehmen in die sogenannten Billiglohnländer auswandern, um wettbewerbsfähig zu bleiben? Alles soll ja angeblich billiger und profitabler werden. Wie soll das zusammengehen? Einerseits hohe Standards gepaart mit wirtschaftlicher Bequemlichkeit?

Diese komplette Vermischung und Verschiebungen wird das Bild von Europa verändern. Doch letztendlich stellt sich langsam die Frage – wie eigentlich schon längst seit der Einführung des Euros – ob das wirklich überhaupt sinnvoll ist.

Europa

Stellt sich nicht die Frage, ob Europa mit all seinen verschiedenen Nationalitäten, Sprachen, Gebräuchen mehr ist als eine einheitliche Form, die auch eigentlich vielfältiger bleiben sollte, als nur ein globaler Marktplatz zu sein, geführt von ein paar großen Unternehmen? Kann man überhaupt die Unterschiedlichkeiten, die auch spannend sind und Lebensqualität versprechen, an einheitliche Standards, wie TTIP es vorsieht, auf eine Einheitlichkeit runterbrechen, diktiert von riesigen Wirtschaftsunternehmen?

Wie ist es zu erklären, dass Länder wie China und Japan, mit der geringsten Anzahl an regionalen Abkommen ein deutlich höheres Wachstum aufweisen können als Europa mit den meisten Abkommen?

Entwicklungsländer

Für viele bedeutet der Freihandelsabkommen eine neuerliche Ausbeutung der Entwicklungsländer durch Imperialisten. Was genau wird TTIP für die Länder des globalen Südens bedeuten? Sie sind definitiv nicht mehr konkurrenzfähig. TTIP und CETA grenzen die Länder mit diesem Freihandelsabkommen aus, statt zur Lösung von globalen Problem enwie Hunger, Klimawandel, Verteilungsgerechtigkeit beizutragen. Die kleinen und schwächeren Unternehmen würden mit den großen Konzernen nicht mehr mithalten können.

Die Befürworter des Freihandelsabkommen behaupten gerne, dass gerade die Mittelständischen Hersteller durch TTIP profitieren. Lange Testverfahren sowie Zertifizierungsvorschriften könnten vereinfacht werden. Damit würden aber auch die gründlichen Kontrollen fallen, die gerade für deutsche Standards wichtig sind. Dokumentationspflichten könnten deren Meinung nach einheitlich gestalten werden, aber es stellt sich doch wirklich die Frage, können die kleinen Unternehmen überhaupt dann noch mit den großen Konzernen mithalten, da diese dem Markt mit ihren Produkten komplett überschwemmen würden?

Ernährung der Weltbevölkerung

Ohne den internationalen Handel lässt sich die Ernährung der Weltbevölkerung nicht bewerkstelligen, ist eines der Argumente der TTIP-Befürworter. Benedict Härlin, Professor Herr und Prof. Kächele haben allerdings bewiesen, dass allein ökologische Agrarwirtschaft den weltweiten Hunger stoppen könnte. Da stellt sich doch die Frage, was wird, weil insbesondere die Ökologische Nachhaltigkeit und Fair Trade durch TTIP zum Scheitern verurteilt sind. Keines der Unternehmen, die sich so stark für TTIP einsetzen ist auch nur im Entferntesten von Ökologie oder Regionalität überzeugt. 

Eine Studie vom Münchener ifo behauptet, dass Dritt- und Entwicklungsländer keine wirtschaftlichen Nachteile durch TTIP erleiden würden. Es ist aber so offensichtlich, dass diese ihre Produkte kaum noch ausführen könnten, wenn die großen Konzerne den Markt überschwemmen. Wird nicht im Gegenteil die Ressourcenausbeutung in diesen Ländern noch steigen?

Europa und Kanada haben ein Freihandelsabkommen schon längst abgeschlossen. Das ist CETA. Inwieweit ist es jetzt für die USA einfach und risikolos über diesen Weg all ihre wirtschaftlichen Interessen sowieso nach Europa einzuführen ohne auf irgendwelche Regelungen und Standards zu achten?

VS sieht grundlegende demokratische Rechte verletzt

„Der Verband der deutschen Schriftsteller fordert den Abbruch der TTIP-Verhandlungen in der jetzigen intransparenten Form, die grundlegende demokratische Rechte verletzt“, erklärte die Vorsitzende des Verbandes deutscher Schriftsteller, Eva Leipprand, im Zusammenhang mit der am 10. Oktober 2015 in Berlin stattfindenden Demonstration gegen TTIP und CETA.

„Eine Handelspolitik, die sich allein an den Zielen größtmöglicher Liberalisierung unter Missachtung von Daseinsvorsorge, globaler Gerechtigkeit und kultureller Vielfalt vollzieht, wird unsere Zustimmung nicht finden. Es geht am 10. Oktober um die grundsätzliche Frage, wie wir in Zukunft leben wollen.“

Protest am 10.10.2015 um 12:00 Uhr in Berlin

32 Prozent der deutschen Bundesbürger sind mittlerweile für den absoluten Stopp der Verhandlungen. 50 Prozent gaben an, dass sie zu wenig wüssten, um überhaupt eine Meinung zu haben. Und laut einer Umfrage von Campact sind mittlerweile in Europa über drei Millionen gegen TTIP und für den sofortigen Stopp von CETA. Wäre hier nicht wie in der Schweiz ein Volksentscheid mehr als überfällig? Wäre das nicht wirkliche Demokratie?

Am Samstag den 10. Oktober wird in Berlin protestiert. Treffpunkt ist der Berliner Hauptbahnhof um Punkt 12:00 Uhr.

Webseite: www.ttip-demo.de



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