Wie das Aus von Hartz IV Bedürftigen helfen soll

Hartz IV vor dem Ende: Die FDP verspricht einen "einfühlsamen" Umgang mit Langzeitarbeitslosen - der Arbeitsminister will dauerhafte Jobs für Bedürftige. Doch noch sind heikle Fragen ungeklärt.
Titelbild
Eine Frau im Jobcenter.Foto: Gallup/Getty Images
Epoch Times14. Januar 2022

Mit der geplanten Abschaffung von Hartz IV will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) Betroffene in großem Stil aus der Langzeitarbeitslosigkeit holen.

„Wo immer es geht, werden wir Menschen mit dem neuen Bürgergeld aus der Bedürftigkeit in Arbeit führen“, sagte Heil der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Zugleich stimmte Heil auf eine ausführliche Vorbereitung für die geplante soziale Großreform ein.

Im Dezember gab es laut Bundesagentur für Arbeit (BA) 977.000 Langzeitarbeitslose, ein Jahr davor erst 929.000. Bis 2015 hatte es über Jahre mehr als eine Million Betroffene gegeben. Dann sank die Zahl bis 2019 auf 697.000. Mit der Corona-Krise stieg sie wieder an. Derzeit sind 42 Prozent der Arbeitslosen in Deutschland mehr als ein Jahr ohne Job.

„Ausbildung vor Aushilfsjobs“

Zwei Drittel der Langzeitarbeitslosen haben laut Heil keine abgeschlossene Berufsausbildung. „Künftig gilt Ausbildung vor Aushilfsjobs“, sagte er. Also solle „nicht mehr vorrangig“ in kurzfristige Arbeit vermittelt werden. „Wir wollen den Menschen die Möglichkeit geben, einen Berufsabschluss nachzuholen und ihnen damit eine echte Chance auf längerfristige Beschäftigung zu eröffnen“, sagte Heil. Die BA solle dies finanziell unterstützen.

Die Ampel will mit dem Bürgergeld, das laut Koalitionsvertrag „anstelle der bisherigen Grundsicherung (Hartz IV)“ eingeführt werden soll, das Agieren in den Jobcentern spürbar ändern. Der FDP-Sozialexperte Pascal Kober sagte am Donnerstag im Bundestag: „In den letzten 16 Jahren ist es nicht gelungen, die Zahl der Langzeitarbeitslosen einmal dauerhaft unter 700 000 zu drücken.“ Das habe mit dem Umgang mit den Menschen in den Jobcentern zu tun. „Sorgfältig und einfühlsam“ sollten dort künftig die Fähigkeiten der Arbeitslosen festgestellt werden, so der FDP-Experte. Neu sei das Vertrauen in ihre Kompetenzen.

Heil verwies auf den geplanten Bonus von monatlich 150 Euro für alle Betroffenen, die sich weiterbilden wollten. „Heute vermitteln die Jobcenter Menschen aus der Grundsicherung oft nur in kurzfristige Arbeit und sehen sie nach ein paar Monaten wieder, weil sie nicht dauerhaft in Arbeit gebracht werden können.“

Große Hoffnung setzt man in der Koalition auf die geplanten neuen Teilhabevereinbarungen zwischen Jobcentern und Arbeitslosen. „Die bisherigen Eingliederungsvereinbarungen sind sehr formalisiert und nicht immer auf die Bedürfnisse eingerichtet“, sagte Heil. Künftig solle konkret festgehalten werden, welche Qualifizierung zum Beispiel nötig sei und was man an Unterstützung brauche.

Koalitionsvertrag lässt Fragen offen

Bis das Gesetz steht, dürfte es aber noch dauern. „Das ist eine große Reform“, sagte Heil. „Deshalb werden wir dieses Gesetz sehr sorgfältig vorbereiten.“ Im Dezember hatte Heil der Funke Mediengruppe gesagt, die Gesetzgebung „beginnt im nächsten Jahr“.

Tatsächlich ist laut Koalitionsvertrag noch nicht alles klar – etwa hinsichtlich der künftigen Sanktionen bei Verstößen gegen Jobcenter-Vorgaben. SPD, Grüne und FDP wollen zwar, dass in der Teilhabevereinbarung auch Mitwirkungspflichten festgehalten werden. „Sie werden gesetzlich bis spätestens Ende 2022 neu geordnet“, heißt es im Koalitionsvertrag aber lediglich. Davor soll es eine Evaluation geben, also eine Lagebewertung. Heil versichert, künftig solle sich niemand herumgeschubst fühlen, der tatsächlich auf Hilfe angewiesen sei.

Der Minister, der zugleich stellvertretender SPD-Vorsitzender ist, erinnerte auch an den Vorlauf in seiner Partei. „Was die SPD mit dem neuen Sozialstaatskonzept 2019 beschlossen hat, wird in dieser großen Reform zum Bürgergeld Realität werden“, sagte er. Die SPD hatte damals unter der später zurückgetretenen Chefin Andrea Nahles ihren Abschied vom bisherigen Hartz-IV-System eingeläutet. Heil wies auch auf die nun ebenfalls geplante Kindergrundsicherung hin. (dpa/oz)



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